Trumpism. Regula Stämpfli

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Trumpism - Regula Stämpfli

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per Dekret findet mediale Aufmerksamkeit, Debatten werden nicht als Debatten, sondern als Hashtag gewaltig und unterkomplex behandelt, Politik wird überall mit Kultur, Religion, Identität, Geschlecht oder Hautfarbe verwechselt, die neuen sozialen Medien heben radikal jede Trennung zwischen Regierenden und Regierten, zwischen öffentlich und privat auf. Dies passiert vor unser aller Augen – und wird doch nicht gesehen. Tweets, Begriffe, Codes, Buchstaben, Kategorien funktionieren dabei wie Apparate, deren einziges Ziel zu sein scheint, möglichst alle bestehenden Systeme zu destabilisieren, alles neu zu beschriften und alle bisherigen Werte auf den Abfallhaufen der Geschichte zu werfen. Die Demokratien präsentieren sich plötzlich als Systeme mit unberechenbarem Ausgang.

      Die unbequeme Einsicht ist: Donald Trump stammt nicht aus dem Niemandsland. Es sind die grassierenden Identitäts- und Selfie-Ideologien von links bis rechts, die einen Politik-Typ wie ihn salonfähig gemacht haben. Donald Trump befriedigt die zeitgenössische Sucht nach individuellen Storys, Psychogrammen, Skandalen, Sex und Crime perfekt: Great Media Stuff!

      Dies alles kündigte sich an jenem 1. Mai 2011 an. Man lachte damals noch herzlich über Politik. Mit Hugo Ball stellen wir indessen im Nachhinein fest: »In dem Maße, in dem sich das Grauen verstärkt, verstärkt sich das Lachen.« Die Sternstunde Barack Obamas entpuppte sich nämlich als Geburtsstunde für den Unternehmer-Präsidenten Donald Trump. Dieser war nach der Veräppelung durch den amtierenden Präsidenten und der Bloßstellung seiner Geburtsurkundenpolemik an besagtem Abend alles andere als amused. Sein Ego war schwer angekratzt. Männer wie Trump verfügen über wenig Selbstkritik oder gar Humor. Bei ihnen nimmt das Grauen überhand. Gelacht wird höchstens über andere, aber unter keinen Umständen über sich selbst: Dies verbindet übrigens rechte und linke Ideologen. Es gibt keine witzigen Autokraten, selfish Personae, Diktatoren, Egomanen, dominante Besserwisser. Als der volle Saal über die intelligente Rede von Barack Obama lachte, wusste »Der Donald«, dass er diese Scham niemals auf sich sitzen lassen würde. Er würde es allen zeigen. Diese Art von Retaliation, von Vergeltung, passt zu Persönlichkeiten neueren Datums und politischen Positionen, die sich dem Selbst und einer selfish-Position unterworfen haben: selfish Personae dient jede Schmach, jede Verletzung, jede Zurücksetzung nicht als Moment der Besinnung, sondern als Antrieb, sich noch stärker in Szene zu setzen. Darin gleichen Ego-Politiker fanatischen, radikalisierten, desozialisierten, meist jungen Männern, die vor allem von sich selbst und von niemandem anderen beseelt sind: »Was guckst du so blöd?« Die ganze Welt dient solchen Figuren nur dazu, sie selbst zu bestätigen oder, falls die Bestätigung ausbleibt, die Widersacher zu zerstören. Dissens, selbst humorvoller, ist in jedem Fall inakzeptabel. Jede vermeintliche Beleidigung wird mit äußerster Schärfe verfolgt. Dieses asoziale und für die gesamte Gesellschaft ungeheuer gefährliche Verhalten gibt sich meist mit zunehmendem Alter. Doch leider nicht immer, und das rachsüchtige, unterentwickelte Ego treibt selbst im besten Mannesalter sein Unwesen. Donald Trump ist hier ein Paradebeispiel. So berichtet der ehemalige FBI-Direktor James Comey, dass er noch nie in seinem Leben eine derart »unerwachsene Person« getroffen hätte (»Markus Lanz«, 21.6.2018). »Der Donald« würde mit großer Rachsucht und äußerster Präzision alle verfolgen, die ihm jemals geschadet hätten. Dies musste der FBI-Chef auch am eigenen Leib erfahren. Er hatte es in einem der ersten Treffen gewagt, Trump nicht wie einem Mafiaboss seine »ewige Loyalität« zu schwören, sondern nur zu einer »ehrlichen Loyalität« bereit zu sein (idem »Markus Lanz«). Comey wusste noch nicht, dass ihm dies der amerikanische Präsident nie verzeihen würde. Donald Trump entließ wenig später den langjährigen FBI-Direktor auf eine bisher nie da gewesene spektakuläre Art. Quasi live ließ Trump James Comey, der zu dem Zeitpunkt in Los Angeles vor jungen Menschen über die Aufgaben des FBI einen Vortrag hielt, feuern. Comey fiel, wie sich später herausstellen sollte, sprichwörtlich aus allen Wolken. So war er als FBI-Direktor noch mit einer FBI-Maschine nach Los Angeles geflogen. Jetzt stand er da, hatte nicht nur keinen Job mehr, sondern auch keine Ahnung, wie er wieder nach Hause fliegen sollte. Comeys Stellvertreter, Andrew McCabe, fand die ganze Situation derart grotesk, dass er seinen ehemaligen Chef trotz Blitzkündigung dennoch mit der FBI-Maschine zurückfliegen ließ. Donald Trump war alles andere als amused. Auch hier ließ die Vergeltung nicht lange auf sich warten. Nur 26 (!) Stunden vor seinem rechtmäßigen Renteneintritt wurde McCabe vom 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten entlassen. Dies hatte zur Folge, dass dem langjährigen Beamten im Dienst der USA die reguläre Rente vermasselt wurde.

      Unter TRUMPISMUS kann man also durchaus auch bösartige und rachsüchtige Charaktereigenschaften eines selfish Superegos subsumieren.

      2018 gab es wieder ein »White House Correspondents Dinner«, diesmal ohne die Anwesenheit des amtierenden Präsidenten: »I sort of feel like the press so bad, it’s so fake, it’s so made up« (Donald Trump am 5. April 2018 in einem Gespräch mit WABC Radio). Donald Trump tat gut daran, nicht zu erscheinen. Eingeladen war eine der jüngsten, bissigsten Komödiantinnen der USA, Michelle Wolf. Sie griff mit ihrer unnachahmlichen Quietschstimme alle frontal an und begrüßte erst einmal die versammelte Presse mit »Pussies«. Von Anfang an war klar: Da weiß eine, wovon sie spricht. »Was niemand in diesem Raum zugeben möchte, ist, dass Trump euch allen genutzt hat. Er hat euch geholfen, eure Zeitungen, eure TV-Stationen und Bücher zu verkaufen. Ihr habt dieses Monster erschaffen und profitiert jetzt davon.«

       II.Seifenopern und Selfie-Medien

      Was Kim Kardashians Hintern mit Donald Trumps Wahlerfolg zu tun hat, wie sich »cogito ergo sum« in ein »in media ergo sum« verwandelt hat und weshalb das Krawallpotenzial bei Sport und Politik so hoch sind. Über den Aufstieg der Supermarken in der Umfragedemokratie. Die Welt als Selfie-Wille und Seifenopern-Vorstellung.

      »Putin has become a big hero in Russia with an all time high popularity. Obama, on the other hand, has fallen to his lowest ever numbers. SAD« — Donald J. Trump@realDonaldTrump 22.3.2014

      Viele Wege führten zu Donald Trump, aber keiner war so eindrucksvoll wie Kim Kardashians Hintern: Demokratie und Popkultur sind buchstäblich auf den Arsch gekommen. Kim Kardashians Allerwertester und Donald Trumps Frisur spucken Mediengold wie einst der Grimm’sche Goldesel. Kardashians Kehrseite bricht alle Internetrekorde – Trumps Tweets sind ähnlich erfolgreich. Willkommen im Selfie-Zeitalter! »Keeping Up with the Kardashians« gibt es seit 2007 und ist die Reality-TV-Show des »famous for being famous«. Die Soap machte selbst aus der peinlichsten Entblößung Cash, Trumps Reality-TV-Show »The Apprentice« nicht unähnlich. Die mediale Schlacke von schiefgegangenen Botox-Behandlungen, abartig aufgespritzten Lippen, lächerlich großen Silikonbrüsten verweist darauf, wie wichtig es in der multikulturellen Warengesellschaft ist, sich zu jeder Zeit zu zeigen oder sich wie Donald Trump twitternd mitzuteilen. Jede Epoche hat ihre stilbildenden Ikonen: Mit Kim Kardashian zogen Trash und Freakshow in den Pop und die diversen Feuilletons ein – weshalb also nicht auch ins Weiße Haus? Kanye West, Ehemann der omnipräsenten Kardashian und bekannter Rapper, ist folgerichtig ein wichtiger Trump-Unterstützer. Ein Hintern und harter Rap machen zusammen sogar schon Politik: Kim Kardashian erreichte im Juni 2018, zusammen mit anderen It-Girls, die Begnadigung von Cyntoia Brown, einer unschuldig zu lebenslänglich verurteilten Gefangenen. Donald Trump hatte sich persönlich um die Angelegenheit gekümmert.

      Eine präsidiale selfish-Demokratie kann eben gleichzeitig vieles und ist unvorhersehbar. Ein Präsidialerlass vermag gleichzeitig Eltern von ihren minderjährigen Kindern trennen und eine Unschuldige aus lebenslanger Haft befreien. Entscheidend ist dabei die Tagesform des Präsidenten und nicht etwa die geltenden Gesetze. Politik ist im TRUMPISMUS nicht Ausdruck von Regeln, sondern von persönlichen Präferenzen. Demokratie verkommt so zum erratischen Prozess.

      Diese Art von Selfie-Politik wurde schon von Silvio Berlusconi erfolgreich praktiziert. »Die Welt« titelte kurz nach der Wahl von Donald Trump zum 45. Präsidenten: »Rotzfrech –

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