Trumpism. Regula Stämpfli

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verabschiedet und hin zum Gruselmärchen für Demokraten entwickelt. Von Barack Obama als »Blaupause für Trump« zu sprechen, mag sehr schmerzlich sein – doch es ist höchste Zeit, mal genauer hinzuschauen.

      Bei seiner Wahl wurde Barack Obamas Hautfarbe zunächst von seinen Gegnern thematisiert. Nach seiner Amtszeit aber von seinen Fans. Was war in der Zwischenzeit passiert? 2008 wurde Barack Obama in erster Linie gewählt, um der Main Street gegen die Wall Street Geltung zu verschaffen. Barack Obama galt als Politmessias, der den frustrierten Demokraten Gerechtigkeit, Demokratie und Wohlstand versprach. Die Finanzgurus der Wall Street hatten 2008 fast alle funktionierenden Volkswirtschaften mit ihren Fantasieprodukten an die Wand gefahren. Obama war der Superman, der die Welt vor diesen Bösen retten sollte. Der charismatische Rhetoriker eroberte die Medien, ja die ganze Welt mit seinen Versprechen. Kein anderer Präsident vor ihm erhielt derart viele Vorschusslorbeeren. 2009 verlieh ihm das schwedische Nobelpreiskomitee sogar die höchste Auszeichnung, die die Welt zu vergeben hat: den Friedensnobelpreis. Die Begründung lautete unter anderem: »Als US-Präsident hat Obama ein neues Klima in der internationalen Politik geschaffen. Multilaterale Diplomatie ist wieder ins Zentrum gerückt, ein Schwerpunkt ist dabei die Rolle, die die Vereinten Nationen und andere internationale Institutionen übernehmen können. Dialog und Verhandlungen werden als vorrangiges Mittel angesehen, um selbst die kompliziertesten internationalen Konflikte zu lösen. (…) Es kommt nur sehr selten vor, dass eine einzelne Person es in dem Maße wie Obama schafft, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen und den Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu geben« (zitiert nach »Spiegel Online«, 9.10.2009). Barack Obama wurde nicht für konkrete politische Reformen, sondern für seine guten Narrative ausgezeichnet. Dies war, als ob man einem Fisch einen Preis dafür verliehen hätte, dass er gut schwimmt. Denn das Resultat von acht Jahren Barack Obama an der Spitze des mächtigsten Staates war: Krieg, Krise und Donald Trump.

      Barack Obama war 2008 gewählt worden, um die Wall Street, den Vormarsch der Extremisten in Anzügen, zu stoppen. Für Demokratinnen und Demokraten fühlte sich das an wie die Feier nach einem langjährigen Krieg der Neoliberalen gegen den Staat. Der politische Alltag entpuppte allein die traurige Wahrheit: Der Heilsbringer Barack Obama war nichts anderes als »an American President« wie alle anderen vor ihm und nach ihm: viel Rhetorik, wenig Politik und wenig politische Partizipation von unten. Obama reihte sich nahtlos in die für Demokratie, den Wohlfahrts- und Sozialstaat äußerst üble Geschichte seiner Vorgänger ein.

      So wurde der die Banken regulierende Glass-Steagall Act in den 1990ern von Bill Clinton aufgehoben. Er hatte damit den Startschuss für den »Angriff der mathematischen Massenvernichtungswaffen der Wall Street gegen die Main Street« (Cathy O’Neil, »Angriff der Algorithmen«) gegeben. Gemeinsam mit seinen sozialdemokratischen Kollegen in Europa forcierte Clinton den krass asozialen und ökologisch verheerenden internationalen Freihandel. Er und seine Dudes verhalfen mit der globalen Aufhebung der Textilzölle (1999) der Volksrepublik China beim Aufstieg zur globalen Kapitalismusdiktatur unter roten Vorzeichen. Die EU zog nach: Wirtschaftliche Gewinne wurden von unten nach oben verteilt, geltende Umweltschutzgesetze, öffentliche Dienstleistungen und Einrichtungen mit dem Hinweis auf »Harmonisierung« der Welthandelsregeln oder des europäischen Binnenmarkts beseitigt. Gegen jede wirtschaftliche Vernunft und bei grosser Skepsis der europäischen Bevölkerung wurde der Euro selbst in Staaten, die die Stabilitätskriterien nicht erfüllen konnten und dies wohl auch nie würden, durchgeboxt. Die Liberalisierung von Kapital, Waren, Dienstleistungen und Personen – die Eckpfeiler für den Abbau von Sozial- und Wohlfahrtsstaaten – wurde unabhängig von geltendem Verfassungsrecht durchgedrückt. Steuern waren fortan Abgaben, die nur noch Leute zu entrichten hatten, die sich diese kaum leisten konnten. Die einzige Ausnahme bot hier die kleine Schweiz: Sie war das einzige Land, das sich der ungebremsten Liberalisierung von Dienstleistungen und Personen mit nationalstaatlichen Beschränkungen und sozialstaatlichen Auffangmechanismen wie den »Flankierenden Massnahmen zum Freien Personenverkehr« zu widersetzen wusste.

      Dieses System, das Arme ärmer und Reiche reicher machte, von dem der amerikanische Zentralbanker Alan Greenspan in einem seltenen lichten Moment meinte, er hätte sich wohl in der Ideologie vertan (Kongresshearing von 2008), crashte im Herbst 2008 spektakulär. Das kurze Zeitfenster, das sich damals öffnete, die westlichen Verfassungsstaaten zurück auf den Kurs der wohlfahrtsorientierten Demokratie zu führen, ließ der Politmessias Barack Obama ungenutzt verstreichen. Im Gegenteil: Die Finanzdiktatur wurde durch antidemokratische Rechtsformen mittels informeller Gremien erheblich gestärkt. Der Crash der Wall Street – ein kapitalistischer Sündenfall – wurde zum staatskapitalistischen Normalfall: Die Trillionen Schulden der Großbanken wurden den Bürgerinnen und Bürgern der Demokratien aufgebürdet. Private Schulden verwandelten sich über Nacht in unbewältigbare Staatsschulden – bis heute. Die willigen Vollstrecker waren Brüssel, Berlin, Paris und die westlichen Massenmedien, die sich lieber in Fiktionen und den herrschenden Eliten als in den brutalen Realitäten des politischen Alltags bewegten. Man redete von »Postdemokratie« statt von der »Machtergreifung« der globalen Finanzinstitute. Damit wurde die Chance verpasst, zu erkennen, dass durch die Alternativlosigkeit der Rettung der Banken die für die Demokratie entscheidenden politischen Prozesse außer Kraft gesetzt worden waren.

      In der Tat ersetzte unter der Hegemonie der internationalen Finanzarchitektur das »de facto« des undemokratischen Finanzkapitalismus das »de jure« des demokratischen Verfassungsstaates. Das – von Donald Trump glücklicherweise außer Kraft gesetzte – TTIP (internationales Freihandelsabkommen, konzipiert 2014) sprach diesbezüglich Bände. Das TTIP nannte ich in einer meiner Kolumnen das »Ermächtigungsgesetz des 21. Jahrhunderts«, da mit diesem Abkommen viele existierende demokratische Entscheidungsverfahren außer Kraft gesetzt wurden. Im TTIP sollte allen westlichen Großbanken und multinationalen Unternehmen die Aushebelung der geltenden nationalstaatlichen Rechte zugunsten des Freihandels-Diktats garantiert werden. Die europäischen und amerikanischen Bürgerinnen und Bürger sollten in Zukunft keinen Anspruch mehr darauf haben, über die staatliche Förderung von Strom, Internet, Kultur, Schulen, Universitäten, Umweltschutz, genetisch modifizierten Nahrungsmitteln oder Börsenspekulationen mittels den ihnen garantierten Rechten mitzuentscheiden. Dies war der bisher heftigste Angriff auf die europäischen Verfassungen – doch viele Medien machten sich über den Protest gegen »Chlorhühnchen und Hormonfleisch« lustig.

      »Marktkonforme Demokratie« nennt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel solche Verfahren. So als ob Demokratie markt- und nicht verfassungskonform sein müsste. Im TTIP vorgesehen war auch ein privates Schiedsgericht, das hinter verschlossenen Türen bestimmen konnte, was in Zukunft Recht und was Unrecht sein sollte. Der »Investitionsschutz« wurde über den demokratischen Rechtsschutz gestellt. Ausgerechnet die rechtspopulistische AfD plakatierte 2015 im Zuge der europäischen »Rettungspakete« – sprich der Sicherung der Bankenschulden durch Austeritätsdiktate – »Griechen leiden. Banken kassieren. Deutsche zahlen«, was durchaus zutreffend war. Ein berühmtes Karl-Marx-Zitat illustriert den Wahnwitz der Regierungsparteien und -politiker der postkapitalistischen globalen Finanzkrise: »Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.« Die Nichtbeistands (no bailout)-Klausel des Vertrags von Maastricht 1992 beispielsweise wurde im Zusammenhang mit der Zerschlagung westlicher Demokratien 2015 wie eine Farce behandelt. Es gäbe unzählige Beispiele, wie »kaufe Kredite, biete Demokratien«, die Politik lange vor der Attacke von Donald Trump auf demokratische Entscheidungsprozesse illustrieren könnten. Jahrzehntelang wurde damit der Boden gedüngt bis in der Gegenwart die antidemokratischen Extreme spriessen können. Die Wahl von Barack Obama versprach Zäsur. Doch der bewunderte Heilsbringer entpuppte sich in Wirklichkeit zum Tonangeber globaler Finanzherrschaft und vergiftete damit zusätzlich die schon angeschlagenen westlichen Demokratien.

      Obamas Versagen, die Finanzarchitektur in ihre demokratischen Schranken zu weisen, kann gar nicht oft genug betont werden, da die medialen, wissenschaftlichen, kulturellen Schreidebatten um Donald Trump die politische Wirkung des Präsidenten Barack Obama völlig in den Hintergrund drängen. Da Staat und Kapitalismus in den acht Jahren Regierung Barack Obama noch näher

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