Die großen Western Staffel 4. Diverse Autoren
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Zwei Schatten tauchten auf – ein brauner und ein schwarzer Schatten – Pferdeleiber nahe des Baumstammes, der seine riesige Krone über die Büsche breitete. Dann war die Lichtung auch schon erreicht. Das Mädchen stürzte an den links stehenden drei Pferden vorbei und auf den Mann zu, der unter dem Baum auf einer Decke im Schatten lag und sich nicht rührte.
Der Mann lag dort wie tot, die Hände auf der Brust, ein Halstuch zusammengefaltet und klatschnass, wie es schien, auf der Stirn.
Das Mädchen rief: »Mikel, Mikel – oh, mein Gott, hilf mir doch!«
Jerichos Blick flog zu Mikel, der sich nicht rührte.
Du großer Gott, dachte Jericho, kein Irrtum, er ist es.
Mike Shannon – Mike … hier?
Jericho knurrte finster: »Mein Gott, ich will nichts von Ihnen, wie oft soll ich das noch sagen müssen? Señorita, was hat er – was ist passiert, was fehlt ihm?«
»Er«, wimmerte das Girl. »Oh, dios – dios, er ist verwundet. Er …, er heißt Mikel Miller, ein Americano, mein Beschützer, mi amor, Señor. Er hat eine Kugel in der Seite – Bravados haben auf ihn geschossen – ein Bravado. Señor, kennen Sie Mikel, Señor?«
David Jericho blinzelte nur einmal, schwieg eine Sekunde und verdaute es, dass Mikel Shannon also Miller heißen sollte. Nur die Gedanken rasten durch Jerichos Kopf. Er dachte an John Shannon, an die Ranch bei Chino Valley, an den Besuch vor sechs Wochen, den Mann, der durch Jerome geritten war und nach der Ranch von John Shannon gewollt hatte. Und dann fiel Jericho noch seine Schublade ein, in der viele schöne Blätter lagen mit Beschreibungen von Männern. Manche dieser Blätter hatten sogar ein Bild, damit man den Mann auch besser erkannte, um ja keinen Falschen einzulochen.
»Mikel Miller?«, fragte Jericho. »Nein, ich kenne diesen Miller nicht, Señorita. So, ein Bravado hat ihm in die Seite geschossen? Ja, ich sehe jetzt den Verband unter dem Hemd. Hören Sie, wollen Sie vernünftig sein? Dann sehe ich mir Mikel Miller an.«
Er sprach und dachte dabei unausgesetzt an Shannon, den dieses Mädchen Miller nannte, den es als seinen Geliebten bezeichnete.
Großer Gott, was ist passiert, dachte Jericho bedrückt, was denn nur? Mikel hätte sich doch nie einem Girl als Miller vorgestellt, der und ein Girl – unglaublich. Aber immerhin, dieses Mädchen hier ist schön, wirklich schön. Wie muss es erst in einem Kleid und richtig frisiert aussehen? Mikel hat ein Girl – in seiner Situation macht er so etwas? Dieser schweigsame Bursche, der mit Frauen nicht viel im Sinn hatte, soll sich ausgerechnet eine Mexikanerin genommen haben – Mikel?
David Jericho hielt das Girl fest und wartete auf dessen Antwort. Dabei dachte er an Mikel Shannon und daran, dass jemand zweitausend Dollar Belohnung auf Mikels Kopf ausgesetzt hatte – tot oder lebendig!
Shannon hatte zwei Männer erschossen und war verletzt geflohen. Er musste nach Mexiko geflüchtet sein, aber nun war er hier, beinahe dort, wo er zu Hause war – in Arizona.
Verrückt, dachte David Jericho, das ist alles verrückt. Mike Shannon ist in Arizona mit einer hübschen Mexikanerin, das ist schon irre genug. Dass er eine Kugel in der Seite hat, ist weniger verrückt, das musste mal so kommen. Aber, dass der Kerl herkommt und genau weiß, dass man ihn hängen wird, wenn man ihn erwischt, das ist so verrückt, dass ich es kaum fassen kann. Völlig irre ist es jedoch, dass ich ihn treffe. Ich muss ihm ein paar Armbänder verehren – ich, David Jericho Graves, denn dazu verpflichtet mich das Gesetz. Gesetz?
David Jericho Graves, Undertaker, Sargmacher, Posaunenkünstler und Townmarshal atmete tief durch.
Ich, dachte Jericho, der seltsamste Bursche, den Arizona jemals hervorgebracht hatte, ich werde den Teufel tun. Ehe ich Mike Shannon Armbänder verpasse, geht diese verrückte Welt unter. Zur Hölle mit dem Gesetz und dem Richter. Und wenn man mich dafür einlochen sollte – ich habe einen Mike Miller gefunden. Shannon – wer ist Shannon? Den Mann kenne ich nicht! Ich sch… auf das Gesetz, jawohl, ja!
Manchmal, das wusste niemand besser als David Jericho, taugte das beste Gesetz für keinen Cent. Vor allen Dingen dann nicht, wenn es von einem Richter ausgenutzt werden wollte, um eine persönliche Rache an einem Mann zu vollziehen, der seinen einzigen Sohn erschossen hatte.
Richter Aldrich, ich pfeife auf deinen Steckbrief, dachte Jericho grimmig.
David Jericho sah das Mädchen an und wartete.
*
»Sie – Sie wollen Mike helfen, bestimmt – können Sie ihm helfen, Señor?«
Das Mädchen schluchzte nicht mehr und schien jeden Versuch, sich aus Jerichos Griff zu befreien, aufgegeben zu haben.
»Vielleicht«, antwortete Jericho knapp. »Ich verstehe etwas von Wunden, Señorita, aber wenn ich helfen soll, dann müssen Sie vernünftig sein und tun, was ich sage. Seit wann ist er nicht mehr bei Besinnung?«
»Seit heute früh«, gab die Mexikanerin hastig zurück. »Gestern nach dem Sturm war es schon schlimm. Am Abend redete er nur noch wirres Zeug, aber er hatte noch ein paar wache Momente und sagte, ich solle hierher mit ihm reiten. Er beschrieb mir den Weg. Wasser, er wollte ans Wasser, damit ihn das vor dem Fieber rettete, doch es wurde immer schlimmer, Señor …, Señor …«
»Graves«, brummte Jericho und ließ sie los. »David Graves – ich komme aus Jerome – von Norden, Señorita …, wie ist Ihr Name?«
»Inez«, schluckte sie und blickte an ihm vorbei auf den angeblichen Mike Miller. »Ines Ramirez.«
Es kam Jericho vor, als wollte sie dem Namen noch etwas hinzusetzen, denn sie holte Atem, schloss dann aber nach einem winzigen Zaudern die Lippen.
»Also gut, Señorita Inez«, sagte Jericho gleichmütig.
»Dieser Mann ist sehr krank, ich muss mir seine Wunde ansehen. Sie dürfen mich dabei aber nicht stören. Versuchen Sie auch nicht wieder, mich mit einer Waffe zu bedrohen – ich mag das nicht besonders, verstehen Sie? Sie haben auf mich geschossen, als ich hinter die Kakteen sprang, weil ich nicht wusste, ob der Mann hier nicht hinter den Büschen lauerte, vielleicht meine Pferde oder mein Geld haben wollte. Der Mann hätte auch auf mich schießen können. Sie hatten sein Gewehr, das ich Ihnen abnehmen musste, bevor wir so nahe an den Büschen waren, dass er mich mit einem Revolver hätte treffen können. Verstehen Sie, was ich gedacht habe?«
Inez Ramirez blickte ihn groß an.
»Deshalb haben Sie mich angesprungen, Señor Graves?«
»Ja, nur deshalb«, brummte Jericho mürrisch. »Jetzt weiß ich, dass der Mann ungefährlich ist, doch Sie sind es immer noch – Sie könnten mich angreifen.«
»No, no, no, Sie sollen ihm helfen, bitte, Señor Graves, bitte.«
»Nun gut«, meinte Jericho. Er nahm das Gewehr und warf es neben die Pferde, den Revolver Shannons zog er aus dem Holster und steckte ihn in den Hosenbund. »Gehen Sie nicht in die Nähe des Gewehres, bleiben Sie an der linken Seite des Mannes, verstanden? Kommen Sie schon, er hat hohes Fieber, es ist keine Zeit zu verlieren. Sagen Sie mir nur eins: Hat ihn die Kugel unter den Rippen oder zwischen die Rippen getroffen?«
Das Mädchen schluckte schwer, hastete neben Shannon und kniete nieder.