Krieg und Frieden. Лев Толстой
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»Er möchte sich gern den Kampf mit ansehen«, sagte Scherkow zu Bolkonski, indem er auf den Auditeur zeigte. »Aber er hat jetzt schon Herzbeklemmungen.«
»Ach, was Sie alles reden!« entgegnete der Auditeur mit einem strahlenden, naiven und gleichzeitig schlauen Lächeln, als wenn er sich geschmeichelt fühlte, als Stichblatt für Scherkows Späße zu dienen, und als wenn er sich absichtlich Mühe gäbe, dümmer zu scheinen, als er wirklich war.
»Ein schnurriger Kauz, mon monsieur prince«, sagte der Stabsoffizier du jour. Er erinnerte sich, daß im Französischen bei der Anrede mit dem Titel Fürst irgendein besonderer Sprachgebrauch zu beachten sei, konnte aber damit nicht zurechtkommen.
In diesem Augenblick waren sie alle bereits der Tuschinschen Batterie nahe gekommen, und vor ihnen schlug gerade eine Kanonenkugel ein.
»Was ist da hingefallen?« fragte naiv lächelnd der Auditeur.
»Ein französischer Pfannkuchen«, antwortete Scherkow.
»Also mit solchen Dingern wird geschossen?« fragte der Auditeur. »Eine sonderbare Passion!«
Er schien gar nicht zu wissen, wo er sich vor Vergnügen lassen sollte. Kaum hatte er ausgeredet, als plötzlich wieder ein furchtbares Pfeifen ertönte, das auf einmal wie mit einem Schlag in etwas Feuchtes, Weiches abbrach, und sch-sch-sch-schwapp ein Kosak, der ein wenig rechts hinter dem Auditeur ritt, mit seinem Pferd zu Boden stürzte. Scherkow und der Stabsoffizier du jour bückten sich über ihre Sättel und wandten ihre Pferde weg. Der Auditeur hielt vor dem Kosaken an und betrachtete ihn mit neugieriger Aufmerksamkeit. Der Kosak war tot, das Pferd schlug noch mit den Beinen.
Fürst Bagration drehte sich, die Augen zusammenkneifend, um, und als er die Ursache der eingetretenen Verwirrung erkannte, wandte er sich gleichmütig wieder ab, wie wenn er sagen wollte: »Ich habe keine Lust, mich mit euren Dummheiten abzugeben!« Dann hielt er mit dem geschickten Griff eines guten Reiters sein Pferd an, bog sich etwas zur Seite und brachte seinen Degen in Ordnung, der sich in den Filzmantel verwickelt hatte. Es war ein altertümlicher Degen, nicht von der Art, wie sie damals getragen wurden. Fürst Andrei erinnerte sich an eine Erzählung, Suworow habe in Italien seinen Degen dem Fürsten Bagration geschenkt, und diese Erinnerung erschien ihm in diesem Augenblick besonders reizvoll. Sie gelangten nun zu eben der Batterie, bei der Bolkonski kurz vorher gestanden und das Terrain des bevorstehenden Kampfes betrachtet hatte.
»Wer kommandiert die Batterie?« fragte Fürst Bagration den Feuerwerker, der bei den Munitionskästen stand.
Er hatte gefragt: »Wer kommandiert die Batterie?«, aber der eigentliche Sinn seiner Frage war: »Ihr werdet hier doch keine Furcht haben?« Und das fühlte auch der Feuerwerker richtig heraus.
»Hauptmann Tuschin, Euer Exzellenz!« rief der rothaarige, im Gesicht ganz mit Sommersprossen bedeckte Feuerwerker in munterem Ton.
»Richtig, richtig«, sagte Bagration, wie wenn er nachdächte, und ritt an den Protzen vorbei zu dem letzten Geschütz.
In dem Augenblick, als er herankam, donnerte aus diesem Geschütz ein Schuß, der ihn und seine Suite für einen Moment betäubte, und man sah in dem Rauch, der das Geschütz plötzlich umgab, die Artilleristen, die die Kanone packten und mit eiliger Anstrengung wieder auf den früheren Platz schoben. Der breitschultrige, herkulisch gebaute Soldat Nummer Eins mit dem Stückwischer sprang, die Beine weit auseinander spreizend, zum Rad zurück. Nummer Zwei schob mit zitternder Hand die Ladung in den Lauf. Eine kleine Gestalt mit gebückter Haltung, der Hauptmann Tuschin, kam, über den Lafettenschwanz stolpernd, nach vorn gelaufen, ohne den General zu bemerken, und blickte unter seiner kleinen Hand weg nach dem Ziel hin.
»Gib noch zwei Linien zu; dann wird es genau stimmen!« rief er mit seiner hohen, dünnen Stimme, der er einen zu seiner Gestalt nicht passenden, mannhaften Klang zu geben versuchte. »Zweites Geschütz!« rief er in quiekendem Ton. »Medwjedjew, Feuer!«
Bagration rief den Hauptmann an, und dieser trat zu dem General heran, wobei er mit einer verlegenen, ungeschickten Bewegung, ganz und gar nicht in der Weise, wie Militärpersonen zu salutieren pflegen, sondern eher ähnlich wie Geistliche den Segen erteilen, drei Finger an den Mützenschirm legte. Obwohl Tuschins Geschütze eigentlich dazu bestimmt waren, das Tal zu bestreichen, beschoß er mit Brandkugeln das gegenüberliegende Dorf Schöngrabern, aus welchem große Massen von Franzosen herausströmten.
Wohin er feuern solle und mit welcher Art von Geschossen, darüber hatte Tuschin von niemandem Befehl erhalten; sondern er hatte sich mit seinem Feldwebel Sachartschenko, vor dessen Sachkenntnis er großen Respekt hatte, beraten und war zu der Ansicht gelangt, daß es zweckmäßig sei, das Dorf in Brand zu schießen. »Gut!« sagte Bagration auf den Rapport des Hauptmanns und betrachtete das ganze, offen vor ihm daliegende Schlachtfeld, wie wenn er etwas überlegte. Auf der rechten Seite waren die Franzosen näher herangekommen als anderwärts. Unterhalb der Anhöhe, auf der das Kiewer Regiment stand, im Tal des Baches ertönte ein beängstigendes, ununterbrochen knatterndes Gewehrfeuer, und noch erheblich weiter rechts, über die Dragoner hinaus, machte der Offizier à la suite den Fürsten auf eine französische Kolonne aufmerksam, die unsern Flügel umging. Zur Linken war die Aussicht durch den nahen Wald beschränkt. Fürst Bagration gab Befehl, daß zwei Bataillone aus dem Zentrum zur Verstärkung nach rechts gehen sollten. Der Offizier à la suite wagte es, dem Fürsten gegenüber das Bedenken zu äußern, daß bei dem Abzug dieser Bataillone die Geschütze ohne Bedeckung bleiben würden. Fürst Bagration wandte sich zu dem Offizier à la suite um und blickte ihn mit seinen trüben Augen schweigend an. Fürst Andrei war der Ansicht, daß die Bemerkung des Offiziers à la suite durchaus zutreffend sei, und daß sich wirklich nichts darauf erwidern lasse. Aber in diesem Augenblick kam ein Adjutant von dem im Tal stehenden Regimentskommandeur herbeigaloppiert mit der Meldung, daß gewaltige Massen von Franzosen hinabgestiegen seien, daß das Regiment stark gelitten habe und sich zu den Kiewer Grenadieren zurückziehe. Fürst Bagration neigte den Kopf zum Zeichen des Einverständnisses und der Billigung. Im Schritt ritt er nach rechts und schickte den Adjutanten zu den Dragonern mit dem Befehl, die Franzosen anzugreifen. Aber der dorthin gesandte Adjutant kam nach einer halben Stunde mit der Nachricht zurück, der Regimentskommandeur der Dragoner habe sich bereits hinter die Schlucht zurückgezogen, da die Feinde gegen ihn ein starkes Feuer gerichtet hätten, durch das er nutzlos seine Leute verloren habe; er habe daher die Schützeneskadron im Wald absitzen lassen.
»Gut!« sagte Bagration.
In dem Augenblick, als er von der Batterie wegritt, hörte man zur Linken im Wald ebenfalls schießen, und da es bis zum linken Flügel zu weit war, als daß er selbst noch hätte rechtzeitig hinkommen können, so schickte Fürst Bagration Scherkow dorthin und ließ durch