VERGANGENE ZUKUNFT. Gisbert Haefs
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Freilich, einen umfangreichen Roman zu schreiben, verlangte Zeit, viele lange Monate, in denen zahlreiche Heftromane entstanden wären. Mielke selbst hat bestätigt, dass er zur Niederschrift seines ersten Taschenbuchromans anderthalb Jahre gebraucht hat, »ein Zeitaufwand, den ich normalerweise für zehn oder sogar zwanzig Heftromane ansetze.«
Hier bleibt anzumerken, dass Mielke in jungen Jahren bei Wolf Detlef Rohr in Augsburg hospitiert hat. Der fleißige Romanschreiber, der im Leihbuch neben Science-Fiction und Kriminalthrillern auch Frauenromane (Pseudonyme bislang ungeklärt) veröffentlicht hat, betrieb im bayerischen Schwaben neben der Schreiberei auch noch eine literarische Agentur. Beide Professionen unter einen Hut zu bekommen, verlangte schnelles, marktorientiertes Schreiben – und hier lernte der junge Thomas, was es heißt, am Fließband Unterhaltungsromane zu Papier zu bringen.
Auf den Roman »Grand Orientale 3301«, der Mielke in den Mittelpunkt des Interesses stellte, folgten zwei weitere umfangreiche SF-Titel, die den Erstling qualitätsmäßig überboten: »Der Pflanzen Heiland« (1981) sowie »Das Sakriversum« (1983), in denen der Autor in vollem Umfang die Qualitäten zum Tragen brachte, die ihn in der Folge auszeichneten: originelle Ideen, geschickt platzierte Plots und sorgfältige stilistische Ausarbeitung unter Vermeidung inhaltlicher Längen (Füller).
Hier machte sich bemerkbar, wie wichtig die langjährige Übung am Heftroman für diesen Autor war. Thomas R. P. Mielke hat sich freimütig dazu selbst geäußert: »Ich sehe das als reine Lernphase an, ich kann es schließlich nicht wegdiskutieren. Ohne die Schmöker hätte ich das ›Sakriversum‹ nie geschrieben. Wenn diese Erfahrungen, diese Routine und auch dieses Unbehagen über die Routine nicht gewesen wäre, würde mir schreiberisch heute etwas fehlen.«
Diese drei umfangreichen Romane waren nicht nur eine Bereicherung der SF-Produktion beim Heyne-Verlag, sie zeigten auch, dass herausragende Originalität und Qualität deutscher Science-Fiction die erforderliche positive Resonanz beim Publikum fand. Mit anderen Worten: Das waren keinesfalls Ladenhüter. Warum also der verantwortliche SF-Herausgeber bei Heyne, Wolfgang Jeschke, einen sich innerhalb weniger Jahre derart profilierten Autor in seinen Reihen nicht weiter pflegen wollte, bleibt rätselhaft bis unverständlich. Vielleicht war ihm der unerwartete Erfolg des bisherigen »Heftel«-Schreibers unangenehm, dessen Vergangenheit peinlich?
Aufgehängt wurde Mielkes Rausschmiss aus dem Heyne-Programm an einem Manuskript, das der Autor unmittelbar nach dem »Sakriversum« eingereicht hatte: »Der Tag, an dem die Mauer brach« hieß der SF-Polit-Thriller, den Jeschke nicht akzeptierte – etwa, weil ihm das Thema allzu utopisch erschien? Oder aktuell politisch zu »heiß«? Mielke musste den Verlag wechseln; das Buch kam bei Bastei-Lübbe heraus – selten trat eine Voraussage der Science-Fiction so schnell ein, wenngleich der Roman im Jahr des Erscheinens auch bei der Kritik eher als zu spekulativ, ergo unwahrscheinlich beurteilt wurde.
Die Episode als Autor bei Bastei-Lübbe war kurz: Es erschien noch »Die Entführung des Serails« (1986) und ein Sammelband mit Nachdrucken einiger Z-SF-Romane, diesmal unter dem Realnamen. Dann begann Phase 3 in der schriftstellerischen Entwicklung von Thomas R. P. Mielke: Die Geschichte wurde zum beherrschenden Thema.
Im Schneekluth-Verlag hatte Mielke einen interessierten Multiplikator seiner ersten fünf historisch orientierten Romane und Romanbiografien gefunden. Wie schon bei der Science-Fiction, wo sich der Autor als Übergang in die Sortimentsbuchproduktion bewusst anspruchsvollen Themen gestellt hatte, ist auch Phase 3 seiner Autorentätigkeit von großen Namen geprägt: Da geht es um Gilgamesch, Karl den Großen, Karl Martell, Attila den Hunnenkönig. Kein Thema ist zu anspruchsvoll oder thematisch überfrachtet, der Autor stellt sich der Herausforderung. Und hat damit weltweiten Erfolg.
Auffällig dabei: Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen und Kolleginnen belässt er es nicht beim Historisieren. Mielke Verständnis vom historischen Roman verlangt die genaue bis pingelige Recherche. Trotz dieser Detailgenauigkeit zeichnet seine oft sehr umfangreichen Romane eine sehr gute Lesbarkeit aus – denn beides ist wichtig: Genauigkeit und gefälliger Stil. Mielke bietet beides; der Leser dankt es ihm, wie die Auflagenhöhen zeigen.
Da ich kein Spezialist für historische Romane bin, auch wenn im Hause Weigand solche sehr sorgsam geschriebenen Bücher entstehen (geschrieben von meiner Frau Karla), überlasse ich es anderen Kennern der Materie, sich weiter dazu zu äußern.
Was wichtig ist, sei hier noch einmal betont:
Thomas R. P. Mielke ist seinen Weg als Autor vom Romanheft über das anspruchsvolle Taschenbuch bis zum Hardcover zielstrebig gegangen. Und man kann feststellen, dass sich parallel dazu die Qualität seiner Arbeit fast kontinuierlich gesteigert hat.
Thomas R. P. Mielke hat eine beispielhafte Karriere bis hin zum Bestsellerautor hingelegt – ein Vorzeigeautor, dem hier zu seinem achtzigsten Geburtstag von Herzen zu gratulieren ist.
Astrid Ann Jabusch: Schreibst du über Katzen?
Zugegeben, mir sagte am Ende des letzten Jahrtausends der Name Thomas R. P. Mielke oder TERRANAUT1, wie er sich im noch jungen Internet zeitweilig nannte, noch nichts. Dabei war er längst für seine fantasiereichen Romane in verschiedenen Genres bekannt. Doch mein bevorzugtes Genre waren damals Fachbücher. Eine Freundin behauptete sogar von seinem »Das Sakriversum«, es habe Saugnäpfe und man könne es nicht eher aus der Hand legen, bis man es ausgelesen hätte.
Dass wir uns überhaupt – im damaligen AOL – kennenlernten, beruht auch auf einem Fehler meinerseits: Weil in seinem Profil neben seinem Vornamen etwas von »Autor« und »Felidae« stand, fragte ich ihn: »Schreibst du über Katzen?« Im selben Moment, in dem ich die Returntaste drückte, fiel mir ein, dass der Autor des Katzenromans, der mir gerade in den Sinn kam, mit Vornamen nicht Thomas hieß. Aber da war es zu spät.
»Nein«, antwortete er, »ich schreibe über Menschen.«
Von dem Zeitpunkt an trafen wir uns täglich im Internet und diskutierten über Gott und die Welt. Und natürlich über seine Bücher. Und so kam es, dass er mich fragte, ob ich Lust hätte seinen »Attila« probezulesen. Der kam dann auch bald per Post in zwei dicken Aktenordnern. Weil ich dazu gleich meine Anmerkungen und Kritik an den Rand schrieb, wurde ich seine Lektorin.
TRPM hatte da gerade für sich entdeckt, dass die Vergangenheit ebenso spannend ist wie die Zukunft. Haben beide doch, abgesehen von der entgegengesetzten Richtung auf der Zeitachse, erstaunlich viele Übereinstimmungen. Schon mit »Gilgamesch« und »Inanna« war TRPM in fantastisch-(prä)historische Welten getaucht, und Karl den Großen hatte er mit dem gleichnamigen Roman aus der Mottenkiste des Schulunterrichts geholt und ihm Leben eingehaucht. Nun folgte bald »Karl Martell«, der Großvater Karls des Großen.
Für diesen Roman hatte er so ausführlich recherchiert, dass für das Schreiben kaum noch Zeit blieb. Da entsann er sich früherer Zeiten, als er seine Heftromane diktiert hatte. Also schickte er mir nun jeden Tag eine Mikrokassette, ich tippte sie ab und brachte gleichzeitig meine Anmerkungen und Kritiken, wie zum Beispiel »Den kannst du nicht umbringen. Der ist schon seit zwanzig Seiten tot!« an. Auch die nächsten Manuskripte (»Colonia«, »Gold für den Kaiser« und »Orlando furioso«) diktierte er. Die Mikrokassette wurde jetzt von Tondateien, die als Mailanhänge versendet wurden, abgelöst.
Das Recherchieren machte ihm schon immer einen Riesenspaß – besonders, wenn er dabei Neues entdecken oder Widersprüche aufdecken kann. Schon beim Attila-Roman hatte er die Historiker bei Fehlern ertappt. Weil er immer alles genau wissen will, reist er zu den Handlungsorten,