VERGANGENE ZUKUNFT. Gisbert Haefs
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Tatsächlich klopfte es kurze Zeit später, und der Gutsbesitzer trat ein. Einen Mantel trug er und einen Hut, er reichte Herrn Lauffer die Hand, sodass dieser erneut die Arbeit unterbrechen musste, und hieß ihn willkommen. »Ihr seid der, der die Zeit bestimmt«, sagte er und schüttelte Herrn Lauffers Hand.
Gerade wollte Herr Lauffer etwas erwidern, da sprach der Gutsbesitzer bereits weiter. »Für mich ist es sehr erfreulich, dass wir eine dieser neuen Predigtuhren bekommen. Der Pfarrer hört sich wahrlich gerne selber reden! Und während er redet, schlafen die Bauern. Und Bauern, die schlafen, arbeiten nicht.«
Ganz nah trat nun der Gutsbesitzer und musterte Herrn Lauffer. »Ich denke, wenn etwas weniger Sand in der Uhr wäre, könnten die Bauern ein wenig mehr arbeiten. Versteht Ihr?«
»Ich verstehe«, knurrte Herr Lauffer.
»Ihr würdet mir einen großen Dienst erweisen, und ich würde diesen Dienst reichlich vergüten.«
Einen Augenblick dachte Herr Lauffer nach. Dann lächelte er, so plötzlich, dass die Falten auf seinem Gesicht darüber erschraken.
»Mein Herr, ich werde sehen, was ich tun kann. Allerdings werde ich stundenweise bezahlt, in Gläsern, und ich werde für die zusätzliche Arbeit für jede weitere Stunde eine weitere Münze nehmen. Gold, versteht sich. Zahlbar morgen in aller Frühe, bevor ich die Sanduhr an der Kanzel arretiere. Seid Ihr einverstanden?«
Der Gutsbesitzer schlug ein, und so geschah es, dass Herr Lauffer eines seiner Stundengläser nahm, es öffnete, ein wenig Sand herausrieseln ließ, ein Löffelchen nur, vielleicht auch zwei. Sodann drehte er das Glas um, vermerkte mit einem Strich eine Drehung und arbeitete weiter an der Predigtuhr, bis die Nacht schwand. Vor ihm stand die fertige Sanduhr. Wie abgemacht kam ein Bote des Gutsbesitzers, ließ sich den Zettel mit den Strichen zeigen und zahlte pro Strich eine goldene Münze.
Herr Lauffer steckte die Münzen ein, kicherte und trug die Sanduhr in die Kirche, befestigte sie an der Kanzel und erhielt den Lohn für seine Arbeit. Kurz danach verschwand er, ohne dem folgenden Gottesdienst beizuwohnen. Überlieferungen zufolge läuft die Predigtuhr der kleinen Gemeinde seither, das Sandgemisch rauscht im Glas, die Bauern schlafen, und der Pfarrer redet, bis exakt eine Stunde vergangen ist. Eine Stunde. Vielleicht ein klein wenig mehr.
Prof. Dr. Walter Gödden: Wir wollten schreiben und gedruckt werden
Wie alles begann
Da ist dieses Foto, das den siebzehnjährigen Thomas R. P. Mielke mit futuristischem Look beim ersten Science-Fiction-WORLDCON in Europa zeigt. Er war damals per Anhalter nach London gereist, um an der Veranstaltung teilzunehmen. Außer ihm waren nur noch drei weitere Deutsche bei dem Treffen dabei, einer davon der SF-»Übervater« (Mielke) Walter Ernsting alias Clark Darlton, 1961 Mitbegründer der Perry-Rhodan-Heftserie. Mielke: »Ich war 1957 ziemlich stolz auf meinen selbstgenähten Fancy Dress und den selbst gebogenen und verchromten, batteriebeleuchteten ›Raumhelm‹ als ›Peace Ambassador of the United Sun Systems‹. Selbst die BBC war so beeindruckt, dass sie ein halbstündiges Interview mit mir gemacht hat, das auch gesendet wurde.« Und später dann: »Mit dem gleichen Dress (und in der UTOPIA-Verkleidung für fünf Mark die Stunde) bin ich übrigens auch in Unterwössen für die Tagesschau rumgelaufen, als sie erstmals über einen SF-Con berichtete.«
Mielke verbuchte die London-Stippvisite später als ergiebige Lehrstunde. Er freundete sich mit dem britischen Science-Fiction-Autor Brian Wilson Aldiss an und knüpfte weitere Kontakte. So durfte er später dem Autor und Literaturagenten Wolf Detlef Rohr über die Schulter schauen, als dieser einen SF-Roman diktierte. »Das war unheimlich wertvoll für meinen eigenen Einstieg als Schreiberling. Denn danach wusste ich, wie man das macht (samt ein paar kleinen Tricks). Rohr hat mich dann sogar zu seinem Witzredakteur für die SFCD-Clubnachrichten befördert. Auch ein Karriereschritt!«
Als Mielke vier Jahre später sein erstes (und einziges) SF-Leihbuch an den Mann brachte, war er jedoch trotz solcher Kontakte auf sich allein gestellt. Auf die Interviewfrage »War es damals schwer, als Neuling einen Verleger zu finden?« antwortete er: »Nein, überhaupt nicht. Ich habe die mühsam und mit zwei Fingern getippten Seiten in einen Karton gepackt und einen kleinen Tannenzweig draufgelegt, weil zufällig und wieder einmal Weihnachten vor der Tür stand. Das muss irgendjemand im Zimmermann- oder auch Balowa-Verlag im Sauerland so gefallen haben, dass er den Schmonzes nicht nur gelesen, sondern sogar auf richtig dickem holzhaltigem Leihbuchpapier gedruckt hat.« (Die Zitate entstammen einem Interview Ralf Lockes und Thomas Martners mit Mielke auf www.zauberspiegel-online.de.)
Zuvor hatte Mielke als Fingerübung lediglich ein paar Kurzgeschichten und Artikel für das Fanzine SOL verfasst. Herausgegeben wurde es von einer Sektion des Deutschen SF-Clubs aus der Region Hannover/Bielefeld, der unter anderem der Bielefelder Winfried Scholz (bekannt aus Perry-Rhodan-Zusammenhängen) und der später bekannte Krimi- und Drehbuchautor Ulf Miehe angehörten, der seinerzeit als Lektor für den späteren Bertelsmann-Verlag arbeitete.
Der Titel des Debütromans lautete Unternehmen Dämmerung (ob sich der Titel an die im selben Jahr mit Unternehmen Stardust gestartete Perry-Rhodan-Heftromanserie anlehnte, sei einmal dahingestellt). Es war ein Einstieg mit Pauken und Trompeten, bei der die gesamte Erdkugel knapp an ihrem Exodus vorbeischrammte. Der Jagdpilot Parnell wird von Agenten des asiatischen Geheimdienstes gekidnappt, dann von Männern des FBI befreit und zu einem unterirdischen Versuchswerk in Alaska gebracht. Hier, fünftausend Meter unter dem Gipfel des Mount Michelson, lernt er eine Waffe kennen, mit der die freie Welt die »gelbe Gefahr« bei einem drohenden Krieg besiegen will. Den »Gelben« wird Machtgier und eine »starke Unterwanderung der freien Welt« (S. 27) unterstellt. Sie werden deshalb vom FBI gejagt: »Und dennoch trieben sie sich überall herum. Sie waren der Schrecken der Großstädte, das Schreckgespenst der Kinder, die heimliche Furcht der Erwachsenen.« (S. 28)
Es handelt sich bei der Waffe um den »Deportator«. Er kann durch OMEGA-Strahlen eine negative Kettenreaktion im elektrischen Potenzial von Atomkernen auslösen. Damit soll der Feind nicht vernichtet, sondern in eine andere Zeitebene katapultiert werden. Parnell ist auserkoren, gemeinsam mit einer kleinen Crew das Stratosphärenschiff, in das der »Deportator« eingebaut ist, über chinesisches Gebiet zu lenken und dort wirksam werden zu lassen. Mit an Bord ist Doktor Hella Ritzmann, Parnells spätere Geliebte. Doch das Projekt läuft schief und plötzlich ist die gesamte Welt Opfer einer extremen Verlangsamung:
Auf der Erde hatte es aufgehört, Tag und Nacht zu sein. Die Jahreszeiten existierten nicht mehr. Was für das übrige Universum Hunderte von Jahren, war für die Erde und mit ihr für die Menschen nur ein einziger Tag. Noch verstand es niemand, doch bald würden es alle wissen.
Am schlimmsten war es in der Weltmetropole New York. Als die Sonne am Himmel verschwand, stockte der Riese Weltstadt für einige Sekunden. Diese Sekunden genügten, um eine schwerwiegende Unordnung im Getriebe der Weltstadt zu schaffen.
Die Busse fuhren nicht einen Meter weiter, da sich die Straßen zusehends verstopften. An den Kreuzungen wanden sich Verwundete und Sterbende zwischen den Trümmern ihrer Wagen, die sich ineinander geschachtelt hatten, als die erste Welle der OMEGA-Strahlen auf die Menschen traf und ihre Reaktionen verlangsamte. (S. 94 f.)
Das Raumschiff schießt unterdessen ziellos durchs All. Es gerät in den Dunstkreis