VERGANGENE ZUKUNFT. Gisbert Haefs

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VERGANGENE ZUKUNFT - Gisbert Haefs

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Thema erhofft.

      Sprach- oder andere Barrieren gibt es dabei für ihn selten. Er geht einfach auf die Leute zu, bringt sein Anliegen vor – zur Not mit Händen und Füßen – und ist mit der nötigen Information zurück, bevor ich überhaupt nur die richtigen Vokabeln im Wörterbuch zusammengesucht habe. Dann stürzt er sich in das Getümmel von Fronleichnamsprozessionen oder rennt durch irgendwelche Gassen mit einem Ziel, das nur er kennt. Mehr als einmal hatte ich ihn bei diesen Sprints aus den Augen verloren und wartete dann, bis sein kahler Kopf irgendwann, irgendwo wieder in der Sonne aufblitzte. Hierbei erwiesen sich seine ein Meter sechsundachtzig Körpergröße als echter Vorteil.

      Oft verschwindet er in unscheinbaren Hauseingängen, Kirchen, Burgen und Ruinen, weil er dort Antworten auf seine Fragen wittert. Ja, wittern ist das richtige Wort: Wie ein Jagdhund folgt er der Spur seiner Story und gibt nicht auf, ehe er am Ziel ist. TRPMs »Witterung« hat uns schon an die seltsamsten Plätze geführt.

      Ein großer Verbündeter von ihm ist zudem der Zufall. Wie oft haben wir uns in der Prä-Navi-Ära verfahren und sind an interessanten Orten gelandet, die wir ansonsten nie kennengelernt hätten!

      Minerve in Südfrankreich war so ein Fall: In diesiger Novemberdämmerung entdeckten wir dieses Dorf. Eine Gruppe von Häuschen drängte sich auf dem Hügelkopf zusammen. Nur eine schmale Brücke führte nach Minerve hinein. Im Dorf wurde die Straße immer schmaler und schmaler, bis wir fast mit unserem Leihwagen stecken blieben. Die Dorfbewohner schauten uns kopfschüttelnd aus ihren Fenstern zu. Es war Millimeterarbeit aus dem Gässchen heraus und wieder auf freieres Gelände zu kommen. Wir blieben drei Tage an diesem atemberaubenden Ort, an dem sich einst die Katharer verschanzt hatten.

      In dieselbe Kategorie gehören aber auch Züge, die in die falsche Richtung fahren, Autoschlüssel, die wahlweise in der Havel oder im Mittelmeer versenkt werden, verpasste Flieger, weil es doch noch sooo viel Zeit bis zum Abflug ist und man doch gern noch mal eben im Meer baden könnte, vergessene Kameras und die dazugehörigen Irrfahrten, um sie wiederzubekommen mit anschließend leerem Benzintank in einsamen, tankstellenfernen Gegenden bei einbrechender Dunkelheit und ähnliche Sachen. Allein mit diesen Geschichten könnte man Bände füllen. Und dabei habe ich noch nicht mal unsere Besuche bei Thomas’ polnischem Verleger auf der Neidenburg erwähnt.

      Spätestens jetzt ahnt man vielleicht: Es ist nie langweilig mit TRPM.

      Eine Reise ganz nach seinem Geschmack bekam er zufällig an seinem siebzigsten Geburtstag geschenkt. An diesem Tag lud ihn nämlich das Goethe-Institut in Beirut, das seinen »Gilgamesch« ins Arabische hatte übersetzen lassen, zu einer Lesung ein. Um die Kosten zu minimieren, hängten sich das Goethe-Institut Damaskus, das in Amman und das in Ramallah an. Und um die Sache rundzumachen, kam noch eine Lesung in der evangelischen Gemeinde in Jerusalem dazu. Für uns bedeutete das: vier abenteuerliche Wochen im Orient.

      Schon der Libanon überraschte mit einer Deutschen Schule und der Gastfreundschaft der Direktorin. Sie lud uns in ihr Haus in den Bergen ein, von wo man von ihrem Schwimmbad aus eine herrliche Sicht über die Bucht vor Beirut hatte. Wir fühlten uns wie in »tausendundeiner Nacht«!

      Syrien kam uns wie eine exotische DDR vor. Ohne zu wissen, dass in wenigen Monaten der Syrienkrieg ausbrechen würde, spürten wir, dass etwas Ungutes in der Luft lag. Anderseits haben wir dort Freundschaften mit wunderbaren Menschen geschlossen, die bis heute anhalten. In Amman sahen wir Polizisten mit urpreußischen Pickelhauben. An der Grenze zum Westjordanland lernten wir zuerst eine israelische Soldatin kennen, der wir beide bekannt waren, weil sie zum einen von Thomas’ Avignon-Romane gelesen hatte und zum anderen ihre Mutter in Spandau – also quasi in unserer Nachbarschaft – lebte, gerieten aber alsbald unter Spionageverdacht, weil ich etwas in ein Notizbuch schrieb, obwohl doch er der Autor war. In Ramallah verpassten wir das Konzert eines Jugendchors aus dem Hochsauerland. (Warum sonst fährt man in den Nahen Osten?) In Jerusalem entführte uns ein Fahrer, jedenfalls hatten wir den Eindruck. Es stellte sich als Scherz heraus, der sich aber verdammt echt anfühlte! Und schließlich gingen wir Anfang November in Tel Aviv schwimmen.

      Ich sage doch: Es würde Bände füllen. Und vielleicht tut es das auch noch einmal, denn TRPM spielt noch immer mit dem Gedanken einer Fortsetzung seiner 1980 erschienenen »Grand Orientale 3301«.

      

      Franz Schröpf: Mike Parnell – ein Talent wird erkennbar

      Thomas R. P. Mielke und sein Erstling »Unternehmen Dämmerung«

      Der Bus kam schräg auf Parnell zu. Seine Reifen schabten den Schmutz von der Kante des Rinnsteins. Die farblosen Gesichter hinter den Scheiben sahen unbeteiligt geradeaus. Niemand interessierte sich für die zusteigenden Fahrgäste. (S. 3)

      Doch dann kommt es zu einem folgenschweren Unfall:

      Urplötzlich verwandelte sich das hohe Singen des Busses in schrilles Kreischen. Aus einer Nebenstraße schoss ein rotes Sportgiro direkt in die Hauptstraße hinein. Noch ehe Parnell begriffen hatte, stand der Fahrer des Busses auf den Bremsen. Für den Bruchteil einer Sekunde schien es Parnell, als würde er keinen Laut mehr hören, doch dann war es zu spät.

      Die Masse des großen Wagens prallte gegen das Sportgiro, das wie ein roter Blitz frontal gegen ihn knallte. Ein vielstimmiger Schrei vermischte sich mit dem Quietschen der Reifen und dem Klirren der Scheiben.

      Parnell wurde von der Wucht des Aufpralls gegen die massive Frontscheibe geschleudert, die seinem schweren Körper nicht standhielt und in Tausende winziger Fragmente zersprang. Seine Finger glitten über scharfe Glaskanten und verbogenes Metall. Dann wurde er herumgeworfen und landete mit einem Krach in den Trümmern des Sportgiros. Jemand schrie lang und laut. Parnell schloss den Mund und merkte, dass er selbst geschrien hatte.

      Er wollte sich erheben, doch da kam die Dunkelheit wie eine Springflut über ihn, hüllte ihn ein, saugte das Bewusstsein aus seinem Körper. (S. 3)

      Die Erinnerung kommt wieder: Er heißt Parnell und ist Kommandant einer Jägerstaffel, im Einsatz gegen die Gelben, die Bande unfairer Mondgesichter. Oder doch nicht? Schwebt eine Maschine wirklich so schwerelos? Kommt das Pochen tatsächlich von Maschinengewehreinschlägen? Spiralen, strahlende Reflexe tanzen vor seinen Augen.

      In diesem Moment sah er das Ende. Es war der Punkt, an dem sich die Spiralen vereinigten, der Punkt, wo sie in ein anderes Universum hinüberwechselten. Es war der Punkt an sich, Endpunkt und Beginn eines neuen Raum-Zeit-Kontinuums.

      Parnell sah den Punkt und wusste, dass er da nicht mit hinüber durfte. Er spannte seinen Geist bis zum Übermenschlichen an, um der Spirale, die nun strahlend hell leuchtete, zu entrinnen. Er näherte sich fast mit Lichtgeschwindigkeit dem Knotenpunkt. Es war ihm klar, dass es einen gewaltigen Schock geben würde. Doch das war zur Not zu ertragen. Er wusste, dass es seine letzte Chance war. Rasend schnell näherte sich der Übergang. Es war höchste Zeit, denn er befand sich dicht vor dem Schnittpunkt. (S. 5)

      Aber nein, dahin will er nicht, und mit einer riesigen geistigen Anstrengung sammelt er seine letzten Kräfte – und ist wieder unter den Lebenden.

      Wie ein leichter milchiger Nebel schwebte LE zwischen den Polen des Aufladers. Es spürte, dass die Energie der Kraftstation immer schwächer wurde. Nicht mehr lange und sie würden ohne Aufladen auskommen müssen.

      Das Wesen LE materialisierte sich und platschte mit seinem weichen Fuß auf den pyrogenen Bodenbelag. Vor ihm lag das Wesen SA fast völlig zusammengesunken. Die beiden Wesen sahen sich aus ihren einzigen Augen an.

      »Nun?

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