VERGANGENE ZUKUNFT. Gisbert Haefs
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Zurück auf der Erde, kommt es zunächst mit dem abtrünnigen Doktor Teufel, dem Leiter des erwähnten unterirdischen militärischen Labors, zu einem Schusswechsel, den Parnell natürlich unbeschadet übersteht. Um die Wirkung des »Deportators« rückgängig zu machen, bricht die Crew erneut zum Mars auf. Dort wird sie schon von den bösen »Gelben« erwartet, die den Planeten für sich okkupiert und die letzten Marsianer ermordet haben. Nach einem weiteren Showdown bricht die Crew erneut mit dem UFO der Marsbewohner auf – jedoch nicht zurück zur Erde, sondern in die unbekannten Weiten des Alls.
Das Geschehen spielt im Jahr 1977, es handelt sich also – vom Erscheinungsdatum 1961 aus gesehen – um einen Zukunftsroman. Die Welt hat sich seit einer auf das Jahr 1965 datierten Zerstörung Washingtons grundlegend verändert. Doktor Teufel hatte Parnell aufgeklärt:
»Die gelbe Gefahr, die Ihnen sicherlich nicht unbekannt ist, stellte die Völker nach dem Frieden von Turin erneut vor ein fast unlösliches Problem. Da es seit 1968 keine Demokratie mehr gibt, sah man sich gezwungen, eine neue Staatsform zu schaffen, was sich als um so schwieriger erwies, da diese Form für die gesamte freie Welt Geltung haben sollte. Man setzte also sogenannte san-Regierungen ein. Für jedes Fachgebiet gab es einen san. Der oberste der san ist der sanindepend, der unabhängige ›superior of all nations‹ – ihm unterstehen der sanceur für Europa, der sancas für Asien, der sancaf für Afrika und der sancaus für Australien, sowie der sancam für Amerika. Diesen unterstehen in jedem Kontinent die sans für alle Gebiete der Technik, Wirtschaft und Kultur. Wie Sie wissen, gibt es keine Parlamente mehr, da sich die gelbe Gefahr so schnell entwickelt hat, dass eine Beratung bei gewissen Entscheidungen nur Zeitverschwendung wäre.« (S. 52 f.)
Wie in späteren Texten Mielkes wird Zivilisationskritik laut. Hier wird sie von den Marsmenschen geäußert. Für sie sind die Erdbewohner »unreife Kinder«, denen man keinen höheren Wissensschatz anvertrauen könne. Es brauche noch einige Jahrhunderte, bis die Erde soweit sei, das Erbe der weiterentwickelten Marsianer anzutreten. Bis dahin müsse man die Erde mit Tausenden rotierenden Robotscheiben beobachten, »stets bereit, einzugreifen« (S. 21). Parnell und seine Mitstreiter erfahren:
»Die Milchstraße besteht aus Milliarden von Sonnensystemen, von denen viele Leben tragen. Es ist ein altes Gesetz, dass eine Rasse die andere ablöst. Ihr wart nach unserer Rasse die nächste, doch – seit Hunderten von Jahren warten wir darauf, dass Ihr unser Erbe antreten könnt. Ihr seid durch Kriege und Missgunst weit zurückgeblieben.« (S. 230 f.)
Mit im Spiel ist allerlei technischer Schnickschnack. So etwa ein hell leuchtender Saphirring, der »Ultralicht« erzeugen kann und hierdurch unmittelbar auf das »motorische Nervensystem« des Menschen einwirkt. Es wird kein Aufwand gescheut, um sich gegen Gefahren zu wappnen. Das technische Labor ist 4.500 Meter unter einem Berg angesiedelt:
»Das Werk hat drei Ausgänge zur Erdoberfläche: einen Lastenaufzug mit einer Grundfläche von 2.500 Quadratmeter, wir können damit ganze Flugzeuge in unseren Berg holen […] Ein mit zusätzlichen chemischen Triebsätzen versehener Behälter kann im Notfall etwa 7.000 Personen auf einmal an die Oberfläche schießen […] Wir sind mit Ihnen genau 26.401 Menschen hier im Werk.« (S. 47 f.)
Die Zahl der im Berg arbeitenden Soldaten, Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler beläuft sich auf siebentausend Personen. Hinsichtlich der Gewinnung von Erdwärme nimmt der Roman tatsächlich Errungenschaften der heutigen Zeit vorweg:
»Haben Sie keinen Atommeiler?«
»Ist überflüssig. Wir beziehen unsere Energie aus dem Meer, vielmehr direkt aus dem Schoß der Erde. Wir haben hier eine 300.000 Meter tiefe Bohrung vorgenommen, direkt bis an die Grenze der flüssigen Gesteinsmassen innerhalb der Erde. Durch eine andere Bohrung haben wir dem Meer einen Zutritt in die glühende Lava verschafft. Der dabei entstehende Wasserdampf bildet unsere Energiequelle. In unserer Versuchsstation sind wir gerade dabei, Elektrizität direkt aus Wärme zu gewinnen.« (S. 57 f.)
Unternehmen Dämmerung erschien in der Reihe Widukind Utopia-Spitzenklasse. Dort trägt der Roman die Veröffentlichungsnummer 273. Im Anhang wirbt die »große und exklusive« Buchgemeinschaft Transgalaxis um Kunden. Sie verspricht »aktuelle und lückenlose Informationen« über utopische Literatur »vom Serienhai bis zur wertvollen Buchausgabe«. Für einen erschwinglichen Preis von 50 Pfennig pro Monat wird die zweimonatlich erscheinende Zeitschrift Transgalaxis angeboten und außerdem ein verbilligter Bezug von utopischer Literatur offeriert. Darüber hinaus empfiehlt Transgalaxis die Mitgliedschaft in regionalen europäischen Science-Fiction-Clubs, die sich in der EUROTOPIA (Föderation der europäischen SF-Clubs) zusammengeschlossen haben. Hingewiesen wird auf fast 2500 Publikationen »deutschsprachiger utopischer Literatur bis heute«. Sämtliche Titel seien über Transgalaxis, den »Utopia-Spezial-Versand«, zu beziehen.
Der Inhalt von Unternehmen Dämmerung war purer Nonsens, aber doch so actiongeladen, dass sich Mielke als Autor für weitere (Heft-) Romane empfahl. Der gerade dem Teenageralter entwachsene Verfasser beherrschte die populären Versatzstücke des Genres bereits bestens. Bei seinen weiteren Titeln benutzte er zunächst weitere Pseudonyme wie Michael C. Chester, Bert Floorman, Henry Ghost, Roy Marcus, Marc McMan, Marcus T. Orban, John Taylor, bis er unter eigenem Namen in Erscheinung trat.
Dabei verwundert, dass sich Mielke nicht als Autor für Perry Rhodan-Hefte gewinnen ließ, obwohl der Moewig Verlag dringend Verstärkung für sein Autorenteam suchte. In einem späteren Interview (mit Sven Klöpping auf www.deutsche-science-fiction.de) erläutert Mielke hierzu: »[I]ch habe bisher keinen einzigen Perry Rhodan gelesen (deshalb wohl hat mir Kläuschen Frick den PR 2500 nicht gegeben, obwohl ich mich darum als Gastautor artig beworben hatte).«
Der Einzelgänger Mielke entschied sich für einen anderen Weg. 1966/67 sammelte er Serienerfahrung als Stammautor bei Rex Corda. Ein Jahr später war er auch bei Ad Astra, einer Unterserie innerhalb von Utopia, beteiligt. Beide wurden von H. G. Francis konzipiert. Mielke schrieb jeweils etwa ein Viertel aller Romane. Danach strebte er eine eigene Serie an. Mitte der Siebzigerjahre entwickelte er gemeinsam mit Rolf W. Liersch das Konzept der Science-Fiction-Serie Die Terranauten:
»Hier haben Rolf W. Liersch und ich nach unserer Tagesarbeit in der selben Werbeagentur bei Sonnenuntergang […] die amtliche Leseranalyse für Romanhefte (ROMA) ausgewertet und auf dieser Basis eine Extrapolation denkbarer Entwicklungen für mehr als fünfzig Lebensbereiche erdacht. Dazu kamen die Marktforschung und die Zukunftsprognosen für dieses seltsame Berlin. Das Urkonzept der Terranauten war daher eher Social- als Science-Fiction. Uns interessierten dabei gesellschaftliche, politische, religiöse und philosophische Entwicklungen viel mehr als irgendwelche Schrauben an Raumschiffen« (s. das erwähnte Interview mit Sven Klöpping).
Die Terranauten erschienen von 1979 bis 1981 im Bastei-Verlag und brachten es auf 99 Ausgaben. Es handelte sich neben Perry Rhodan und Terra Astra um die einzige wöchentlich erscheinende Science-Fiction-Heftserie am deutschen Markt, der ansonsten von Heftserien des Horrorgenres dominiert wurde. Von 1981 bis 1987 wurde die Serie, deren Handlung im Jahr 2499 einsetzt, mit 18 Taschenbuchausgaben fortgesetzt. Die Idee der Serie bestand darin, die Geschichte vom Kampf gegen die Zerstörung der Erde zu erzählen, verbunden mit der Vision einer menschlicheren Zukunft. So sind etwa die Klimaveränderung und die Globalisierung ein Thema. Die Terranauten sollten sich bewusst von Perry Rhodan abgrenzen, ja sogar, wie Mielke 1977 an den Bastei-Verlag schrieb, eine »Anti-Perry-Rhodan-Story« sein (vgl. Brief von Thomas Mielke an den Bastei-Verlag vom 7. April 1977, faksimiliert unter