Die Totenbändiger - Band 6: Unheilige Nacht. Nadine Erdmann

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Die Totenbändiger - Band 6: Unheilige Nacht - Nadine Erdmann Die Totenbändiger

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Wut auf diesen Dreckskerl und seine beschissenen Freunde rang in Jaz’ Innerem mit Erleichterung, für die sie sich abgrundtief schämte.

      Shit. Shit. Shit.

      Ein kalter Windzug drang durch ihren Hoodie. Frierend zog sie die Schultern hoch, grub ihre Hände in die Taschen des Pullovers und fühlte sich noch elender als zuvor.

      Hinter ihr ging die Terrassentür auf und auch ohne sich umzudrehen wusste sie, dass Ella aus dem Wohnzimmer zu ihr kam.

      »Hey, was machst du hier draußen? Es ist nass und affenkalt.« Ella schlang ihren Arm um Jaz, ließ ihre Hand in die Tasche des Hoodies gleiten und verschränkte ihre Finger miteinander. »Ist alles okay?«

      Jaz schluckte hart und schwieg.

      »Gabe, Sky und Connor kriegen das schon hin. Und Thad kann als Polizist echt furchteinflößend sein. Gegen sie haben Topher und Emmett keine Chance und die beiden werden mit Sicherheit ganz schnell sagen, wo Cam ist.« Ella schmiegte sich an sie. »Und wenn diese Mistkerle ihm irgendwas getan haben, wird Dad ihm helfen. Er hat ja auch Gabriel wieder zusammengeflickt und die Klauenhiebe sahen echt übel aus.«

      Obwohl ihr eigentlich gar nicht danach zumute war, musste Jaz lächeln. Als Cam zum Abendessen nicht nach Hause gekommen war und niemand ihn erreichen konnte, war Ella vor Sorge völlig hibbelig gewesen. Doch kaum, dass festgestanden hatte, was passiert war, und ihre Eltern gemeinsam mit den Spuks losgezogen waren, um Cam zurückzuholen, war sie wieder der optimistische Sonnenschein, der voll und ganz auf seine Familie vertraute und schon jetzt zu wissen schien, dass alles gutausgehen würde.

      Dafür musste man sie einfach lieben, oder nicht?

      Die Gefühle, die Jaz bei der ganzen Sache gerade hegte, würden bei anderen dagegen vermutlich eher Stirnrunzeln hervorrufen – wenn nicht gar Schlimmeres.

      Da Ella merkte, dass irgendwas nicht stimmte, trat sie vor Jaz, um ihr in die Augen sehen zu können. »Hey, was ist los?« Sie musterte sie durchdringend, ohne Jaz’ Hand loszulassen. »Warum bist du so … traurig?«

      Da Jaz Ellas Blick nicht aushielt, schloss sie kurz die Augen und wich ihr dann aus. »Weil ich ein echt mieser Mensch bin«, antwortete sie leise.

      Sie wollte ihre Hand aus Ellas ziehen, doch die ließ sie nicht gehen und schaute Jaz nur verständnislos an.

      »Was? Warum?«

      Wieder spürte Jaz dieses widerliche Gefühl, als sich ihr schlechtes Gewissen wie ätzende Säure durch ihr Inneres zu fressen schien. »Weil ich erleichtert bin, dass es nicht Carlton ist, der Cam verschleppt hat.«

      Ella runzelte die Stirn. »Ja, und? Ich bin deshalb auch erleichtert. Ich freue mich zwar auch nicht darüber, dass stattdessen Topher und seine Drecksfreunde ihn geschnappt haben, aber Carlton hat die Reapers in einen Hinterhalt gelockt, bei dem sie hätten sterben können. Und wahrscheinlich hat er auch die ganzen alten Leute in der Wohnanlage umbringen lassen, auch wenn wir das nicht beweisen können. Aber er ist auf jeden Fall viel, viel gefährlicher als Topher und seine Gang. Ist doch klar, dass wir da erleichtert sind, dass es nicht Carlton ist, der Cam verschleppt hat. Warum um Himmels willen sollte dich das zu einem miesen Menschen machen?«

      Jetzt riss Jaz sich doch von Ella los. »Weil ich erleichtert bin, dass deine Eltern sich jetzt nicht zwischen mir und Cam entscheiden müssen!«, stieß sie hervor und begann auf der Terrasse hin und her zu tigern. »Wenn es eine Racheaktion gewesen wäre – wenn Carlton Cam geschnappt hätte, um ihn gegen mich einzutauschen –« Unwirsch fuhr sie sich durch die nieselfeuchten Haare. »Ich – ich hätte es nicht ertragen, wenn er Cam wegen mir irgendwas angetan hätte.« Sie kämpfte mit dem Kloß, der ihr immer mehr die Kehle zuschnürte. »Aber genauso wenig hätte ich es ertragen, zurück in die Akademie oder nach Newfield zu gehen. So glücklich wie hier bei euch war ich noch nie. Deine Familie ist unglaublich und ich hab euch alle so gern – und – und ich will hier nie wieder weg! Schon gar nicht von dir, denn du bist – ich hab – Mann, keine Ahnung! Jemanden, der mir so wichtig ist, gab es einfach noch nie in meinem Leben, und ich würde durchdrehen, wenn ich dich wieder verlieren würde. Und wenn ich zurück zu Carlton müsste, würde der mich mit Sicherheit sofort nach Newfield bringen lassen und –«

      »Hey, stopp!« Ella fasste Jaz am Oberarm und machte damit sowohl ihrem Herumgetiger als auch ihrem Gestammel ein Ende. »Du hast doch gehört, was Granny gesagt hat. Keiner hier hätte dich wieder zu Carlton geschickt. Mum, Dad und Granny hätten einen anderen Weg gefunden, Cam zurückzubekommen. Du gehörst jetzt zu unserer Familie und aus dieser Familie geben wir niemanden wieder her.«

      Sie bohrte ihren Blick in Jaz und die musste blinzeln, weil ihre Augen plötzlich ziemlich brannten.

      »Aber Cam gehört schon viel länger zu euch«, brachte sie mühsam hervor. »Er hat die älteren Rechte.«

      »Ältere Rechte?!« Ella schüttelte heftig den Kopf. »Das ist totaler Schwachsinn. Dann müsste Gabriel ja die ältesten Rechte haben, weil er zufällig der Älteste von uns ist. Und Sky und Jules haben auch keine anderen Rechte als der Rest von uns, weil sie zufällig Mums und Dads leibliche Kinder sind. So funktioniert diese Familie hier nicht. Hier sind alle gleich wichtig, deshalb würde dich garantiert niemand einfach gegen Cam eintauschen und zu einem machtgierigen Vermutlich-Mörder zurückschicken. Klar?«

      Jetzt war es Jaz, die den Kopf schüttelte. »Du verstehst mich nicht. Wenn Carlton Cam geschnappt hätte, um mich zurückzubekommen, wäre ich freiwillig zu ihm zurückgegangen. Cam hat schließlich überhaupt nichts mit Carlton zu tun. Er wäre einfach nur zwischen die Fronten geraten, weil eure Mum sich für mich eingesetzt hat. Das hätte ich nicht ertragen, weil es einfach falsch gewesen wäre und ich mir im Spiegel niemals wieder in die Augen hätte sehen können.«

      Einen Moment lang sah Ella sie nur still an und in ihrem Blick lag so viel Wärme, dass Jaz keine Chance hatte, sich davon loszureißen.

      »Wow. Und da denkst du echt, du wärst ein mieser Mensch?«, fragte Ella leise und schenkte ihr ein alles sagendes Lächeln. Sie schlang ihre Arme um Jaz’ Nacken, zog sie zu sich herab und sah ihr fest in die Augen. »Du gehörst so was von zu uns, viel mehr geht überhaupt gar nicht. Und egal, was passiert, ich lass dich nie wieder gehen.« Zärtlich lehnte sie ihre Stirn an Jaz’. »Aber zum Glück müssen wir uns darüber sowieso keine Gedanken machen. Carlton hat Cam ja nicht geschnappt.« Sie grub ihre Finger ihn Jaz’ Haare und sah ihr wieder fest in die Augen. »Also hör auf mit diesem fiesen Was-wäre-wenn und denk vor allen Dingen nie wieder, dass du ein schlechter Mensch bist, klar? Das ist nämlich der größte Bullshit aller Zeiten.«

      Wieder hatte Jaz mit dem verdammten Kloß in ihrem Hals zu kämpfen und brachte bloß ein Nicken zustande.

      Ella grinste zufrieden. »Gut. Dann küss mich jetzt. Ich wette, das vertreibt dunkle Gedanken. Außerdem können deine Lippen keinen Blödsinn mehr reden, wenn sie auf meinen liegen, also schlagen wir damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.«

      Ein freches Funkeln trat in Ellas Augen und aus Jaz brach ein seltsamer Laut heraus, der irgendwo zwischen einem Lachen und einem Schnauben lag, aber auf jeden Fall völlige Kapitulation bedeutete. Sie zog Ella fest in ihre Arme und küsste sie, völlig überwältig davon, dass dieses unglaubliche Mädchen zu ihr gehörte. Ella schaffte es nur durch ihre Worte, ihre Nähe – und ihre vorwitzige Zunge –, die düstergraue Last, die Jaz bis gerade schwer auf die Seele gedrückt hatte, so so viel leichter zu machen.

      Gab es irgendwas Besseres auf der Welt, als solch einen Menschen an seiner Seite zu haben?

      Jaz’

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