Der Glöckner von Notre Dame. Victor Hugo

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Der Glöckner von Notre Dame - Victor Hugo Große verfilmte Geschichten

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sich mehr und mehr in die alte Stadt hineinzöge, so sehr rückt draußen schon eine neue Stadt zusammen. Seit dem fünfzehnten Jahrhunderte also, um hier zu verweilen, hatte Paris schon die drei concentrischen Mauerkreise verbraucht, welche seit der Zeit Julians des Apostaten, so zu sagen, als Keime in Groß- und Klein-Châtelet enthalten waren. Die mächtige Stadt hatte, ähnlich einem Kinde, welches wächst und die vorjährigen Kleidungsstücke zerplatzt, seine vier Mauergürtel bersten lassen. Unter Ludwig dem Elften sah man stellenweise in diesem Häusermeere einige Gruppen von Thurmruinen der alten Umfassungsmauern, die wie Hügelspitzen bei einer Ueberschwemmung, wie Inselgruppen des alten Paris, das im neuen versinkt, hervorragten.

      Seitdem hat Paris zum Unglück für unsere Augen sich noch verändert; aber es hat nur eine Ringmauer mehr überschritten: diejenige Ludwigs des Fünfzehnten, jene Schmutz- und Kothmauer, die würdig des Königs, der sie gebaut, und werth des Dichters ist, der sie besungen hat:

       Le mur murant Paris rend Paris murmurant.

      Im fünfzehnten Jahrhunderte war Paris noch in drei ganz unterschiedene und abgesonderte Städte getheilt, jede mit ihrer Physiognomie und Eigentümlichkeit, mit ihren Sitten, ihren Gewohnheiten, ihren Privilegien und mit ihrer Geschichte: die Altstadt (la Cité), Südstadt (l'Université) und Nordstadt (la Ville). Die Altstadt, welche die Insel bedeckte, war die älteste, die kleinste, die Mutter der beiden andern und eingepreßt zwischen ihnen – man möge den Vergleich gestatten – wie eine kleine Alte zwischen zwei großen, schönen Mädchen. Die Südstadt oder das Universitätsviertel bedeckte das linke Ufer der Seine von La Tournelle bis zum Nesle-Thurme, zwei Punkte, von denen der eine der Weinhalle, der andere der Münzstätte im heutigen Paris entsprechen. Ihre Ringmauer schweifte bogenförmig ziemlich weit in die Gegend hinaus, wo Julian seine Thermen erbaut hatte. Der Hügel der heiligen Genoveva war mit eingeschlossen. Der äußerste Punkt dieser Mauerkrümmung war das Papstthor, d.h. ohngefähr die jetzige Baustelle des Panthéons. Die Nordstadt, welche den größten der drei Stadttheile von Paris ausmachte, nahm das rechte Ufer ein. Ihr Flußdamm, der jedoch buchtig oder an mehreren Stellen unterbrochen war, lief längs der Seine hin vom Thurm Billy bis zum Holzthurme, d.h. von der Stelle, wo heute der Vorrathsspeicher steht, bis zum Platze, wo die Tuilerien sich befinden. Diese vier Punkte, wo die Seine die Ringmauer der Hauptstadt durchschnitt: La Tournelle und der Nesle-Thurm zur Linken, der Thurm Billy und der Holzthurm zur Rechten, hießen vorzugsweise »die vier Thürme von Paris.« Die Nordstadt erstreckte sich noch tiefer in die Ländereien hinein, als die Südstadt. Der äußerste Punkt der Ringmauer der Nordstadt (derjenigen Karls des Fünften) lag bei den Thoren Saint-Denis und Saint-Martin, die heute noch an derselben Stelle sind.

      Wie wir soeben bemerkt haben, war jede dieser drei großen Abtheilungen von Paris eine Stadt, aber eine zu besondere Stadt, um als vollständig gelten zu können; eine Stadt, welche jeder der beiden andern nicht entrathen konnte. Auch gewährten die drei jede für sich ein völlig gesondertes Aussehen. In der Altstadt waren die Kirchen im Ueberflusse, in der Nordstadt die Paläste, in der Südstadt die Lehranstalten. Um die untergeordneten Eigenthümlichkeiten des alten Paris, z.B. die Scherereien des Wegeamtsrechtes hier zu übergehen, wollen wir im allgemeinen und nur durch Herausgreifen des Ganzen und Gewichtigen aus dem Chaos der städtischen Rechtspflege erzählen, daß die Insel dem Bischofe, das rechte Seineufer dem Vorsteher der Kaufmannsgilde oder dem Stadtvogte, das linke dem Universitätsrector unterstellt war. Der Oberrichter von Paris, ein königlicher, nicht Municipal-Beamter, wachte über das Ganze. In der Altstadt lag Notre-Dame, in der Nordstadt der Louvre und das Rathhaus die Sorbonne in der Südstadt. In der Nordstadt lagen die Kaufhallen, das Krankenhaus (Hôtel Dieu) war in der Altstadt, die Studentenwiese in der Südstadt. Jedes Verbrechen, das die Studenten am linken Ufer begingen, wurde auf der Insel im Justizpalaste abgeurtheilt und am linken Ufer, in Monfaucon, gesühnt, im Falle der Rector, sofern sich die Universität stark und der König schwach fühlte, nicht Einsprache erhob; denn es war ein Vorrecht der Studenten, in ihrem Bezirke gehangen zu werden. (Die meisten dieser Privilegien – um das im Vorbeigehen zu bemerken – und von denen es werthvollere giebt, als das eben genannte, waren den Königen durch Aufstände und Meutereien abgenöthigt worden. Es ist der uralte Hergang: der König giebt nur das zu, was das Volk ihm abpreßt. Es existirt eine alte Urkunde, welche, in Betreff der Treue, dies naiv so ausspricht: »Civibus fidelitas in reges, quae tamen aliquoties seditionibus interrupta, multa peperit privilegia.«

      Im fünfzehnten Jahrhunderte bespülte die Seine fünf Inseln im Stadtgebiete von Paris: die Insel Louviers, wo damals Bäume standen und heute sich nichts weiter als Gehölz befindet; die Kuhinsel und die Insel Notre-Dame, beide wüst bis auf eine elende Hütte, beide Lehen des Bischofs von Paris (im siebzehnten Jahrhunderte hat man aus diesen beiden Inseln eine einzige gemacht und bebaut, die nun Insel des heiligen Ludwig heißt); endlich diejenige der Altstadt, und an ihrer Spitze die kleine Insel des Kuhfährmannes, die seitdem unter dem Fundamente des Pont-Neuf verschwunden ist. Die Altstadt besaß damals fünf Brücken, drei auf der rechten Seite: die Notre-Dame-Brücke und die Wechslerbrücke, beide von Stein, die Müllerbrücke aus Holz; zwei auf der linken Seite: die Kleine Brücke von Stein, die Sanct-Michaelbrücke aus Holz, sämmtliche mit Häusern besetzt. Die Südstadt hatte sechs, von Philipp August erbaute Thore, nämlich vom Parlamentsgericht angefangen: das Thor Sanct-Victor, das Frauenhausthor, das Papstthor, das Sanct-Jacobsthor, das Sanct-Michaelthor, das Thor Saint-Germain. Die Nordstadt hatte gleichfalls sechs von Karl dem Fünften erbaute Thore, nämlich vom Billy-Thurme begonnen: das Thor Saint-Antoine, das Templerthor, das Thor Saint-Merlin, das Thor Saint-Denis, das Monmartrethor und das Thor Saint-Honoré. Alle diese Thore waren stark und schön dabei, ohne durch letzteres die Festigkeit zu beeinträchtigen. Ein breiter und tiefer, bei winterlichem Hochwasser stark flutender Graben, den die Seine mit Wasser versorgte, bespülte den Fuß der Mauern rings um ganz Paris herum. Nachts wurden die Thore geschlossen, der Fluß an beiden Außenpunkten der Stadt mit mächtigen eisernen Ketten gesperrt, und Paris schlief ruhig.

      Aus der Vogelschau gesehen boten diese drei Stadttheile: Altstadt, Universitätsviertel und Nordstadt, jeder für sich dem Auge ein unentwirrbares Netz von sonderbar durch einander geschlungenen Straßen dar. Doch erkannte man auf den ersten Blick, daß diese drei Bruchstücke von Stadt ein einziges Ganze bildeten. Man sah sofort drei lange, parallele Straßen, die ohne Unterbrechung und Störung, fast in gerader Linie, auf einmal die drei Stadttheile von einem Ende bis zum andern durchschnitten, sie vom Süden zum Norden und die Seine entlang laufend verbanden, vereinigten, ineinanderzogen und -gossen, und ohne Aufenthalt die Bevölkerung von dieser in die Mauern von jener hinüberfluteten und dadurch aus den dreien eine einzige herstellten. Die erste dieser beiden Straßen lief vom Thore Sanct-Jacob bis zum Thore Sanct-Martin; sie hieß Sanct-Jacobsstraße in der Südstadt, Judenstraße in der Altstadt und Sanct- in der Nordstadt; sie überschritt den Fluß zweimal: als Kleine Brücke und als Notre-Damebrücke. Die zweite dieser Straßen, welche La-Harpestraße auf dem linken Ufer, Faßbinderstraße auf der Insel, Sanct-Denisstraße auf dem rechten Ufer hieß, und als Sanct-Michelsbrücke über einen Arm der Seine, als Wechslerbrücke über den andern lief, zog sich vom Sanct-Michaelthore im Universitätsviertel bis zur Sanct-Denisbrücke in der Nordstadt hin. Beide Straßen waren, trotz so vieler verschiedenartiger Namen, doch immer nur zwei Straßen, aber die Haupt- und Stammstraßen, die zwei Pulsadern von Paris. Sämmtliche übrigen Verkehrsadern der dreitheiligen Stadt mündeten hier aus oder ein.

      Unabhängig von diesen zwei diametralen Hauptstraßen, die ganz Paris in seiner Breite durchschnitten und der Hauptstadt völlig gemeinsam waren, hatten die Nord- und Südstadt jede ihre besondere Hauptstraße, welche in der Richtung ihrer Länge parallel mit der Seine liefen und gelegentlich die zwei »Hauptverkehrsadern« im rechten Winkel kreuzten. Demzufolge ging man in der Nordstadt vom Thore Saint-Antoine in gerader Linie bis zum Thore Saint-Honoré hinab; in der Südstadt vom Sanct-Victorthore bis zum Thore Saint-Germain. Diese zwei großen Straßen, die sich mit den beiden ersten kreuzten, bildeten die Unterlage, über welche das nach allen Seiten hin verschlungene, dichte und labyrinthische Straßennetz von Paris sich erstreckte. In dem unentwirrbaren Umrisse dieses Straßennetzes unterschied man übrigens bei aufmerksamer Betrachtung zwei Bündel breiter Straßen,

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