Heidi. Johanna Spyri

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Heidi - Johanna Spyri

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Schläge am Haus, dass die Großmutter vor Schrecken zusammenfuhr und zitternd ausrief: „Ach, du mein Gott, jetzt fällt alles zusammen!“ Aber Heidi sagte tröstend: „Nein, nein, Großmutter, erschrick du nur nicht, das ist der Großvater mit dem Hammer; jetzt macht er alles fest, dass es dir nicht mehr angst und bang wird.“

      „Ach, ist so etwas möglich!“ rief die Großmutter aus. „Hast du’s gehört, Brigitte? Geh hinaus, und wenn es der Alm-Öhi ist, so sag’ ihm, er soll doch dann einen Augenblick hereinkommen, dass ich ihm danken kann.“

      Die Brigitte ging hinaus. Eben schlug der Alm-Öhi mit großer Gewalt neue Kloben in die Mauer ein; Brigitte trat an ihn heran und sagte: „Ich wünsche Euch guten Abend, Öhi, und die Mutter auch, und wir haben zu danken, dass du uns einen solchen Dienst erweist…“ „Mach’s kurz“, unterbrach sie der Alte; „was ihr vom Alm-Öhi haltet, weiß ich schon. Geh nur wieder hinein: wo’s fehlt, find’ ich selber.“

      Brigitte gehorchte sogleich, denn der Öhi hatte eine Art, der man sich nicht leicht widersetzte. Er klopfte weiter, bis er auch den letzten Nagel angeschlagen, den er mitgebracht hatte. Unterdessen war auch schon die Dunkelheit hereingebrochen und kaum hatte er seinen Schlitten hinter dem Geißenstall hervorgezogen, als auch das Heidi aus der Tür trat.

      So ging der Winter dahin. In das freudlose Leben der blinden Großmutter war nach langen Jahren eine Freude gefallen, und ihre Tage waren nicht mehr lang und dunkel, einer wie der andere. Vom frühen Morgen an lauschte sie auf den trippelnden Schritt, und ging die Tür auf und das Kind kam wirklich dahergesprungen, dann rief sie jedes Mal in lauter Freude: „Gottlob, da kommt’s wieder!“ Und Heidi setzte sich zu ihr und plauderte und erzählte so lustig von allem, was es wusste, dass der Großmutter die Stunden dahingingen, ohne dass sie es merkte.

      Der Großvater hatte, ohne weitere Worte, jedes Mal den Hammer und allerlei andere Sachen mit aufgeladen und manchen Nachmittag hindurch an dem Geißenpeterhäuschen herumklopft. Es krachte und klapperte nun nicht mehr die ganzen Nächte durch, und die Großmutter sagte, so habe sie manchen Winter lang nicht mehr schlafen können. Das wolle sie auch dem Öhi nie vergessen.

      Schnell war der Winter und noch schneller der fröhliche Sommer darauf vergangen, und ein neuer Winter neigte sich schon wieder dem Ende zu. Heidi war glücklich und froh und freute sich jeden Tag mehr auf die herannahenden Frühlingstage.

      Als Heidi an einem sonnigen Märzmorgen hin- und herrannte und jetzt wohl zum zehnten Mal über die Türschwelle sprang, wäre es vor Schrecken fast rückwärts wieder hineingefallen, denn auf einmal stand es vor einem alten schwarzen Herrn, der es ganz ernsthaft anblickte. Er aber sagte freundlich: „Du musst nicht erschrecken vor mir, die Kinder sind mir lieb. Gib mir die Hand! Du wirst das Heidi sein; wo ist der Großvater?“

      „Er sitzt am Tisch und schnitzt“, berichtete Heidi und machte nun die Tür wieder auf.

      Es war der alte Herr Pfarrer aus dem Dörfli, der den Öhi vor Jahren gut gekannt hatte, als er noch unten wohnte und sein Nachbar war. Er trat in die Hütte ein, ging auf den Alten zu, der sich über sein Schnitzwerk hinbeugte, und sagte: „Guten Morgen, Nachbar!“

      Verwundert schaute dieser in die Höhe, stand auf und entgegnete: „Guten Morgen dem Herrn Pfarrer!“ Dann stellte er seinen Stuhl vor den Herrn hin und fuhr fort: „Wenn der Herr Pfarrer einen Holzsitz nicht scheut, hier ist einer.“

      Der Herr Pfarrer setzte sich.

      „Ich komme heut’, um etwas mit dir zu besprechen“, fing er an. Der Herr Pfarrer schwieg und schaute auf das Kind, das an der Tür stand.

      „Heidi, geh zu den Geißen“, sagte der Großvater. Heidi verschwand sofort.

      „Das Kind hätte schon vor einem Jahr, aber bestimmt in diesem Winter die Schule besuchen sollen“, sagte nun der Herr Pfarrer.

      „Ich habe im Sinn, es nicht in die Schule zu schicken“, war die Antwort.

      Verwundert schaute der Pfarrer auf den Alten, der mit gekreuzten Armen auf seiner Bank saß und gar nicht nachgiebig aussah. „Was willst du aus dem Kinde machen?“, fragte jetzt der Herr Pfarrer.

      „Nichts, es wächst und gedeiht mit den Geißen und den Vögeln; bei denen ist es ihm wohl, und es lernt nichts Böses von ihnen.“ „Aber das Kind ist keine Geiß und kein Vogel. Wenn es nichts Böses lernt von diesen seinen Kameraden, so lernt es auch sonst nichts von ihnen; es soll aber etwas lernen, und die Zeit dazu ist da. Dieses war der letzte Winter, den das Kind so ohne allen Unterricht zugebracht hat; nächsten Winter kommt es zur Schule, und zwar jeden Tag.“

      „Ich tu’s nicht, Herr Pfarrer“, sagte der Alte unentwegt.

      „Meinst du denn wirklich, es gebe kein Mittel, dich zur Vernunft zu bringen, wenn du so eigensinnig bei deinem unvernünftigen Tun beharren willst?“, sagte der Herr Pfarrer jetzt ein wenig eifrig. „Du bist weit in der Welt herumgekommen und hast viel gesehen und vieles lernen können; ich hätte dir mehr Einsicht zugetraut, Öhi.“ „So“, sagte jetzt der Alte, und seine Stimme verriet, dass es auch in seinem Innern nicht mehr so ganz ruhig war, „und meint denn der Herr Pfarrer, ich werde wirklich im nächsten Winter am eisigen Morgen durch Sturm und Schnee ein zartgliedriges Kind den Berg hinunterschicken, zwei Stunden weit, und zur Nacht wieder heraufkommen lassen, wenn’s manchmal tobt und tut, dass unsereiner fast in Wind und Schnee ersticken müsste, und dann ein Kind wie dieses? Und vielleicht kann sich der Herr Pfarrer auch noch der Mutter erinnern, der Adelheid; sie war auch so zart. Es soll mir keiner kommen und mich zwingen wollen! Ich gehe vor alle Gerichte mit ihm, und dann wollen wir sehen, wer mich zwingt!“

      „Du hast ganz recht, Nachbar“, sagte der Herr Pfarrer freundlich; „es wäre nicht möglich, das Kind von hier aus zur Schule zu schicken. Aber ich kann sehen, das Kind ist dir lieb, tu um seinetwillen etwas, komm wieder ins Dörfli herunter, und leb wieder mit den Menschen! Was ist das für ein Leben hier oben allein und verbittert gegen Gott und Menschen!“

      Der Alm-Öhi entgegnete fest und bestimmt: „Der Herr Pfarrer meint es echt mit mir; aber was er erwartet, das tu’ ich nicht, das Kind schick’ ich nicht, und herunter komm’ ich auch nicht.“

      „So helf dir Gott!“ sagte der Herr Pfarrer und ging traurig zur Tür hinaus und den Berg hinunter.

      Noch bevor die Schüsselchen vom Mittagessen weggestellt waren, trat schon wieder ein Besuch zur Tür herein: Es war die Dete. Sie hatte einen schönen Hut auf dem Kopf mit einer Feder darauf, und ein sehr modernes Kleid an. Der Öhi schaute sie an von oben bis unten und sagte kein Wort. Aber die Dete wollte ein sehr freundliches Gespräch führen und sagte, auf einmal habe sie etwas vernommen, da könne das Heidi zu einem solchen Glück kommen, dass sie es gar nicht habe glauben wollen. Dann sei sie aber auf der Stelle der Sache nachgegangen. Furchtbar reiche Leute in Frankfurt hätten ein einziges Töchterchen, das müsse immer im Rollstuhl sitzen und hätte gern eine Gespielin im Haus. Die Dame des Hauses habe nun gesagt, sie wolle so ein recht unverdorbenes Kind, das nicht sei wie alle. Da habe sie, die Dete, auf der Stelle an das Heidi gedacht und sei gleich hingelaufen und habe alles beschrieben vom Heidi und von seinem Charakter, und die Dame habe sogleich zugesagt. Nun könne gar kein Mensch wissen, was dem Heidi an Glück bevorstehe.

      „Bist du bald fertig?“, unterbrach hier der Öhi, der bis dahin kein Wort dazwischengeredet hatte.

      „Pah“, gab die Dete zurück und warf den Kopf auf, „du tust gerade, als wenn ich das ordinärste Zeug gesagt hätte, und weit und breit ist doch

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