.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу - страница 70
»Gerne, Maria. Sie wollten mich besuchen?«
Auf ihrem Gesicht lag ein düsterer Schatten, als sie antwortete.
»Ja. Es gibt da etwas, das ich Ihnen sagen wollte…, verstehen Sie, ich brauche einen Menschen zum Reden…«
Sebastian nahm ihren Arm.
»Kommen Sie. Wir gehen ins Pfarrhaus hinüber. Frau Tappert wird uns einen Kaffee oder Tee kochen.«
Er sah an sich hinunter.
»Es wird nur einen Moment dauern«, meinte er schmunzelnd. »Ich muß mich erst einmal umziehen.«
*
»Zehn Jahre! Himmel, wie die Zeit vergeht«, sinnierte Pfarrer Trenker. »Aber ich erinnere mich gut. Sie waren erst achtzehn geworden, als Sie fortgegangen sind. Ich hab’ mich in diesen Jahren oft gefragt, was aus Ihnen geworden ist.«
Sie saßen im Arbeitszimmer des Geistlichen. Sophie Tappert hatte Kaffee und Kuchen hereingebracht. Zuvor hatten sich die beiden Frauen herzlich begrüßt.
»Ja. Damals hielt mich einfach nichts mehr in dieser, wie ich meinte, kleinen und altmodischen Welt«, sagte Maria. »Ich wollte hinaus in die große, weite Welt. Wollte fremde Länder sehen, wunderbare Reisen machen.«
»Nun, das ist Ihnen ja auch gelungen. Ich hatte wirklich keine Ahnung, daß Sie Maria Großmayr, identisch sind mit der bekannten Sängerin Maria Devei. Natürlich hab’ ich Bilder von Ihnen gesehen, Auftritte im Fernsehen. Aber Sie haben sich ja auch verändert in all den Jahren.
So sind Sie also das geworden, was man einen großen Star nennt.«
Ein wehmütiges Lächeln glitt über das aparte Gesicht der Frau.
»Ja, aber zu welchem Preis«, sagte sie leise, mit tiefer Resignation in der Stimme.
Sebastian Trenker horchte auf.
»So, wie Sie es sagen, könnt’ man meinen, es ist ein sehr hoher Preis.«
Maria Devei schaute ihn an. In ihrem Gesicht zuckte es.
»Ja, Hochwürden. Der Preis ist – mein Leben.«
Der Geistliche sah sie fassungslos an.
»Was sagen Sie da, Maria?«
Die Sängerin richtete sich auf und wischte eine Träne aus dem Gesicht. Es schien, als wolle sie Stärke beweisen.
»Ich bin nach Sankt Johan zurückgekehrt, um hier zu sterben«, sagte sie leise.
Einen Moment herrschte Stille im Zimmer, die nur durch das Ticken der alten Wanduhr gestört wurde. Sebastian Trenker schluckte.
»Was ist geschehen?« fragte er sanft.
Maria Devei erzählte es. In nüchternen, sachlichen Worten schilderte sie immer wiederkehrende Erschöpfungszustände, die Zusammenbrüche nach ihren Auftritten, einmal sogar unmittelbar vor einem Konzert. Schließlich sprach sie von der Untersuchung durch Professor Bernhard, einer Kapazität auf dem Gebiet der inneren Medizin, und dem vernichtenden Urteil.
»Ich habe nur noch ein paar Wochen zu leben«, schloß die Sängerin.
Pfarrer Trenker war erschüttert.
»Und es gibt wirklich keine Rettung?« forschte er nach.
Maria Devai schüttelte stumm den Kopf.
»Professor Bernhard hat es mir nicht gesagt«, antwortete sie nach einer Weile. »Aber ich bin dem Schicksal dankbar, daß es mich zufällig mit anhören ließ, als der Arzt mit seinem Assistenten darüber sprach.«
»Ja – aber was hat er Ihnen denn gesagt? Er muß doch irgend etwas…«
»Nichts«, erwiderte die Frau. »Es war bei der zweiten Untersuchung. Ich war gerade in der Umkleidekabine, als ich die beiden sprechen hörte. Ich war so durcheinander, daß ich nur noch fortlaufen wollte. Ich habe dann sämtliche Termine absagen lassen und bin hierher gefahren, weil ich mich an etwas erinnerte…«
»Woran haben Sie sich erinnert, Maria?«
Die Sängerin lächelte still.
»An ein Gedicht, über das wir bei Ihnen im Kommunionsunterricht gesprochen haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch daran. Die erste Zeile lautet: Wohin das Schicksal dich auch trägt…«
»… so kehrst du doch zurück, nur hier in deiner Heimat liegt das wahre Glück.«
Natürlich erinnerte Sebastian Trenker sich daran. Er hatte es nicht nur mit Generationen von Kommunionskindern eingeübt und darüber gesprochen, welche Bedeutung das Wort ›Heimat‹ heute noch hat, die Verse stammten von ihm selbst.
»Sie sprachen mit uns über den Begriff Heimat, und darüber, welche Bedeutung die Heimat für einen Menschen hat. Damals waren es nicht wenige, die darüber gelacht und gespottet haben. Ich selber gehörte auch dazu. Heimat – was für ein großes Wort für Enge und Kleingeistigkeit, die um uns herum zu bestehen schienen. Heute weiß ich, wie wahr Ihre Worte von damals auch heute noch sind. Ich ging fort und machte Karriere. An das kleine Dorf in den Bergen dachte ich selten. Eigentlich nur dann, wenn meine Buchhaltung die Rechnungen für die Pflege des Grabes meiner Eltern überweisen mußte.« Maria Devei hielt kurz inne, wie von Erinnerungen angeweht.
»Gewiß, es quälte mich schon, daß ich net hier war, um es selber zu pflegen. Aber da waren Termine und Verträge, die es galt, einzuhalten, und irgendwie beruhigte ich mein schlechtes Gewissen dadurch, daß ich ja dafür bezahlte, damit sich jemand um das Grab kümmert. Inzwischen weiß ich, daß man mit Geld net alles kaufen kann. Gesundheit schon gar net.«
Pfarrer Trenker hatte wortlos zugehört. Das Geständnis seines einstigen Pfarrkindes erschütterte ihn.
»Maria, was immer ich für Sie tun kann, soll geschehen«, sagte er. »Aber, ich bitt’ Sie von Herzen, geben S’ sich net auf. Für alle Probleme gibt’s eine Lösung.«
Maria Devei seufzte.
»Net für mein’s, Hochwürden, dafür net.«
*
So ganz hatte es sich doch nicht vermeiden lassen, daß die Ankunft der Sängerin in St. Johann bekannt wurde. Sepp Reisinger hatte zwar gehörig mit seinem Personal geschimpft, nachdem er mehrfach auf Maria Devei angesprochen wurde, aber insgeheim war es ihm schon recht, daß man darüber sprach. So kam er doch noch zu seiner Reklame.
Auch beim abendlichen Stammtisch kam die Sprache auf den prominenten Gast. Man spekulierte über die Gründe der Sängerin, ausgerechnet in St. Johann Urlaub zu machen. Sebastian enthielt sich dabei jeglichen Kommentars. Er wußte es ja besser als jeder andere.
Das Gespräch nahm erst einen anderen Verlauf, als Max Trenker eintraf. Der Gendarm war noch dienstlich unterwegs gewesen.
»Sagt mal, weiß einer von euch, wo der alte Valentin