Fiona - Gefühle. Zsolt Majsai
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„Doch, das wärst du. Ich habe gesehen, wie du mit Kindern umgehst. Kinder lieben dich.“
„Weil ich auch ein Kind bin!“
„Du bist doch kein Kind mehr!“
Ich ziehe an meiner Zigarette. „In meinem Traum schon. Ich fand mich als Zehnjährige in einem Sarg liegend.“
„Oh. – Jetzt verstehe ich. Aber es war nur ein Traum. Ein böser Traum.“
„Ja, ein böser Traum … wie auch immer. Ich sollte vielleicht erst einmal erwachsen werden, bevor ich ein Kind bekomme.“
„Dann würde die Menschheit aussterben, wenn das Bedingung wäre.“ Meine Mutter kichert. „Es ist gar nicht so gut, ganz erwachsen zu werden.“
„Du überrascht mich, Mama.“
„Wirklich?“
„Nein.“
„Ich habe mich schon fragen wollen, ob du mich wirklich so schlecht kennst.“
Ich zwinge ein Lächeln auf mein Gesicht. „Mama, im Moment kenne ich nicht einmal mich selbst.“ Seufzend nehme ich einen letzten Zug von der Zigarette, bevor ich sie ausdrücke. „Vor allem verstehe ich nicht, dass ein Traum mich so … depressiv macht.“
„Gegen Depressionen gibt es gute Mittel.“
„Wie den Psychoterroristen?“
„Wieso nennst du ihn eigentlich immer so? Das ist abwertend, und das hat er nicht verdient.“
„Weil er wie ein Terrorist in mein Innerstes eingedrungen ist und dort alles durcheinandergebracht hat.“
„Vielleicht hat er auch nur aufgeräumt.“
„Ja, natürlich. – Nein, Mama, das geht schon. Ich bin bestimmt nicht selbstmordgefährdet. Wüsste sowieso nicht, wie ich das anstellen sollte.“
„Zum Glück ...“ Sie schweigt erschrocken. „Tut mir leid, verzeih mir. So war es nicht gemeint.“
Ich nehme sie in die Arme. „Ich weiß, Mama. Ist schon gut. Ist lieb gemeint, dass du versuchst, mir zu helfen, aber ich muss mit diesem Ding, das sich mein Leben nennt, selbst fertig werden. Irgendwie. Und ich schaffe das schon. Trotzdem, danke.“
Sie streichelt mir mein Gesicht, dann gehen wir wieder hinein. Die Männer sehen uns erwartungsvoll an, aber sie werden enttäuscht. Von uns erfahren sie nichts. Außerdem hätten wir sowieso keine Gelegenheit etwas zu erzählen, denn mein Handy meldet sich lautstark. Auf dem Display steht der Name von Jack. Mein Herz verkrampft sich.
„Hallo Jack.“
„Fiona … tut mir leid, dich zu stören.“
„Hat Schneewittchen wieder zugeschlagen?“
„Ja, wahrscheinlich.“
„Scheiße. Hast du Ben schon Bescheid gesagt?“
Er zögert. „Das geht nicht“, sagt er schließlich. Dann räuspert er sich. „Sie haben ihn entführt.“
„Wen?“ Ich kapiere mal wieder nichts. „Wer hat wen entführt?“
„So wie es aussieht, hat Schneewittchen Ben entführt.“
„Was!? Jack, wo bist du?“
„In Bens Wohnung. Kannst du herkommen?“
„Ja, natürlich. Bin gleich da.“ Ich lege auf und starre James an.
„Habe ich das richtig verstanden, dass Ben entführt wurde?“, fragt er. Ich nicke. „Verdammt. Heftig. Wesen, die Polizisten persönlich angreifen, sind entweder sehr dumm oder sehr gefährlich.“
„Oder beides. Schatz, ich muss hin.“
„Ich weiß.“
Ich gebe ihm einen Kuss, verabschiede mich von meinen Eltern und laufe rüber zu unserem Haus. Kurzerhand nehme ich den Jaguar, weil ich ihn sowieso wegsetzen müsste. Vor dem Haus, in dem Ben wohnt, sehe ich schon von Weitem den üblichen Auflauf. Allerdings ist die Presse noch nicht da, also hat mich Jack ziemlich schnell, nachdem die Entführung Bens entdeckt wurde, angerufen. Ich parke neben einem Krankenwagen, und als ich aussteige, nimmt mich ein junger Polizist in Empfang.
„Der Chief möchte, dass ich Sie zu ihm bringe“, sagt er ohne jede Begrüßung. „Ich finde das unverantwortlich.“
„Wieso?“, frage ich, unwillkürlich schmunzelnd.
„Es sieht nicht schön aus in der Wohnung des Lieutenants.“
„Wieso?“ Mein Herz verkrampft sich. „Ich denke, er wurde entführt?“
„Er schon. Sein … Freund nicht.“ Mehr scheint der Polizist nicht sagen zu wollen. In der Zwischenzeit haben wir das Haus betreten und gehen zu Fuß in die zweite Etage. Ich habe dabei mehrere Déjà-vus. Bleiche Polizisten, die aussehen, als würden sie gleich kotzen. Dank der Andeutungen des jungen Polizisten ahne ich allerdings, was der Auslöser für die allgemeinen Übelkeitsanfälle sein könnte.
Jack erwartet mich vor der Wohnung. Es ist eine dieser Luxuswohnungen in einem Luxusgebäude in einer Luxusgegend. Wo waren die Luxuswachleute des privaten Schutzdienstes? Und wieso kann sich Ben das eigentlich leisten? Zumindest die letztere Frage kann ich mir selbst beantworten: Weil er zurückgezogen lebt und kaum Geld für irgendwas ausgibt, was nicht unbedingt nötig ist.
Ich nehme Jack kurz in die Arme. Dann deute ich auf die Wohnungstür. „Da drinnen muss es ja schlimm aussehen.“
„Ja. Du warst in der Bank?“
Ich nicke.
„Dann wird es für dich nichts Überraschendes in der Wohnung geben. Wusstest du, dass Ben mit einem Mann zusammengelebt hat?“
„Du?“
„Ja. Aber er machte es nie öffentlich.“
„Nun, ich habe es geahnt. Aber wir haben nie über sein Privatleben gesprochen.“
Jack mustert mich mit einem undefinierbaren Ausdruck. Schließlich öffnet er die Tür und geht vor. Bestialischer Gestank schlägt mir entgegen. Die Quelle liegt auf dem Boden zwischen Badezimmer und Küche. Es war mal ein Mann, das kann ich erkennen.
Ich schlucke. „Komisch, dass Menschen kein Problem haben, ein Huhn aus dem Supermarkt anzupacken, aber bei diesem Anblick loskotzen.“
„Du findest das komisch?“
„Nicht wirklich.“ Während ich an den Resten des Mannes, und es sind wirklich nur Reste, vorbeigehe, denke ich daran, dass es eben einen Unterschied macht, ob man ein Huhn als Huhn erkennen kann oder nicht. Nicht ohne Grund werden die Hühner meistens in Einzelteilen und mariniert oder paniert angeboten, um bloß keine Assoziationen zu wecken. Niemand