Mami Bestseller 55 – Familienroman. Myra Myrenburg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mami Bestseller 55 – Familienroman - Myra Myrenburg страница 3

Mami Bestseller 55 – Familienroman - Myra Myrenburg Mami Bestseller

Скачать книгу

Sache langsam mehr Spaß als am Anfang?«

      Wendi kaute auf ihrem Toast herum und senkte den Blick. Aber lange hielt sie das nicht aus.

      »Nein«, gestand sie zerknirscht, »noch weniger als am Anfang. Ich tauge zu nichts, Tante Nora, glaub’s nur ruhig. Am besten ist es, ich such’ mir einen Job, irgendeinen, dann liege ich wenigstens dir nicht mehr auf der Tasche.«

      »Solange meine Tasche nicht leer ist«, erwiderte Nora Lippit gelassen, »mach du dir darum mal lieber keine Sorgen. Sieh dich um, überall, in der Universität, in der Stadt, in den Häusern, wo du eingeladen wirst. Sprich mit den jungen Leuten über das, was sie tun, was sie gern tun, was ihnen als Zukunftstraum vorschwebt.

      Meinst du, ich hätte in deinem Alter gewußt, was ich will, was für mich richtig ist? Meinst du, ich hätte auch nur eine Ahnung vom Beruf gehabt, von dem Beruf, den ich heute immerhin sehr erfolgreich ausübe? Keinen blassen Dunst hatte ich. Jeder hat irgendwelche Qualitäten, irgendwelche Stärken, man muß nur herausfinden, wo sie liegen. Und wo die Interessen sind. Das findet sich alles, Wendi, alles.«

      Sie waren miteinander allein in dem kleinen Speisezimmer mit Blick auf den Kurpark, mit rundem Biedermeiertisch und blau bezogenen Kirschbaumstühlen. Lisette aß abends nicht mit ihnen, und auch mittags nur noch dann, wenn das Essen weich war und leicht zu kauen. Lisette hatte Schwierigkeiten mit ihren Zähnen, und kein Mensch der Welt hätte sie zum Zahnarzt gebracht.

      »Tante Nora«, sagte Wendi in die Stille, die zwischen ihnen herrschte, »warum soll ich verreisen?«

      »Um deinen Horizont zu erweitern!« war die ruhige logische Antwort. »Wir sprechen ja gerade davon, nicht wahr? Darüber, daß du noch viel zuwenig kennst und weißt, um dich selbst richtig einschätzen zu können. Das ist der eine Grund. Der zweite ist der, daß ich nicht sehr gern allein reise.«

      »Nanu? Du bist doch aber immer gern allein gereist – zumindest bist du sozusagen immer auf Reisen gewesen, so lange ich denken kann.

      »In diesem Fall«, sagte Nora Lippit sehr bestimmt, »würde ich nicht gern allein reisen. Ich hätte dich lieber bei mir, Wendi. Alles klar?«

      »Alles!« seufzte Wendi und schob ihren Teller weg. »Es ist zwar jammerschade, aber wenn’s denn sein muß…«

      Sie stand auf, warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und lächelte Nora unbefangen an.

      »Ich geh’ jetzt«, sagte sie leichthin, »kann sein, daß wir nach der Vorstellung noch ein bißchen bummeln gehn. Weißt ja Bescheid, gelt?«

      »Weiß ich«, entgegnete Nora Lippit gelassen und stand ebenfalls auf, »viel Spaß, mein Kind!«

      *

      Die Trapezkünstler begannen ihren Akt, es roch nach Staub und Pferden, die Kapelle auf ihrem hölzernen Podium spielte eine der unverkennbaren Zirkusmelodien.

      Dunkelgrau wölbte sich das Zelt über den vielen Köpfen. Das Schlagzeug begann tingelnd sein Solo und steigerte sich ins Crescendo, als die beiden Artisten in ihren dunkelroten Trikots die Spitze der Stange erreichten.

      Nora Lippit setzte sich in die letzte Reihe, obwohl sie Logenplätze für alle Vorstellungen in der Tasche hatte. Aber hier hinten war man schön ungestört, niemand würde einen entdecken, weder der Direktor noch Wendi.

      Hoffentlich, dachte Nora Lippit und wedelte den Staub rechts und links von der roh gezimmerten Bank ohne Lehne, hoffentlich lassen sie mich alle in Ruhe. Gut, die beiden am Trapez, nicht mehr taufrisch, zumindest die Dame, aber solides artistisches Können ist immer noch die Hauptsache. Ein schwerer Beruf ist das geworden, wenn man nicht ganz oben ist, nicht an der Spitze der Stars, keine Fernsehverträge hat und keine Chance, welche zu bekommen. Ein Mittelklasse-Zirkus mit ordentlichen Künstlern, einer seriösen Leitung und annehmbaren Leistungen – was ist das heute? Man möchte fast sagen, dachte Nora Lippit in der ihr eigenen Sachlichkeit, es ist ein Idealistenberuf. Krasser ausgedrückt – ein hoffnungsloser Fall.

      Sie hatten den ganzen Winter über nicht gastiert, hatten in dieser Stadt ihr Winterquartier bezogen und würden jetzt wieder hinausziehen – drei Stationen hatte sie ihnen besorgen können, aber selbst das war nicht einfach gewesen. Der Zirkus Stargast gehörte nicht zu den renommiertesten.

      Warum eigentlich nicht, dachte Nora Lippit und bemühte sich um ein kritisches Auge. Aber alles, was sie sah, war künstlerisch einwandfreie Leistung, nicht besser, nicht schlechter als manches andere, was man in einer großen Show zu sehen bekam.

      Aber all das wußte Nora Lippit längst. Sie kannte ihre Klienten jahrelang, sie interessierte sich für jede Einzelheit, für jede Neuerung, für jede Kündigung, für jeden Krankheitsfall, für alles, und deshalb war sie die beste und beliebteste Künstleragentin geworden, die es im europäischen Raum geben mochte.

      Ein Zirkus fiel eigentlich nicht in ihr Ressort. Aber sie hatte eine Schwäche für diese Art von Kunst, die einstmals verlorengehen würde, weil der Sinn für das echt Komödiantenhafte sich in einer hektischen, kommerziell betonten Zeit nicht halten konnte.

      Auch das wußte Nora Lippit. Sie war nicht gekommen, um sich über den artistischen Stand des Unternehmens Stargast zu informieren. Sie war auch nicht gekommen, um die verwirrende, aufregende Zirkusluft zu atmen.

      Sie war gekommen, um einen Clown zu sehen, einen Nachwuchsclown mit Namen Alexis. Einen jungen Mann, von dem Wendi seit Weihnachten täglich erzählte.

      Und wenn Wendi von einem Menschen täglich sprach, dann bedeutete das ihr spezielles Interesse an diesem Menschen.

      Höchste Zeit, dachte Nora Lippit, daß ich zumindest sein Können unter die Lupe nehme. Er arbeitet mit Jonas, dem alten Clown zusammen, hatte Wendi eifrig erzählt, aber manchmal hat er auch schon eigene Solonummern. Dann arbeitet er mit Pferden.

      Nora stützte das Kinn in die Hand und beugte sich vor, weil sie keine Lehne hatte, um ihren Rücken auszuruhen.

      Sie war eine Frau mittleren Alters, sehr groß, breitschultrig, imposant. Sie hatte starkes, dunkles krauses Haar, das nur mit Mühe einmal wöchentlich so gebändigt wurde, daß es gepflegt und weich am Kopf anlag. Ebenso dicht und schwarz waren ihre Augenbrauen, was ihrem Gesicht einen intensiven Ausdruck gab, der nur durch die Gelassenheit gemildert wurde, mit der sie sich bewegte.

      Kein Zweifel, sie war eine bekannte und berühmte Persönlichkeit im weltweiten Schaugeschäft, sie vermittelte Spitzenstars und Anfänger, sie kümmerte sich um komplette Ensembles ebenso wie um Einzelgänger.

      Sie hatte nicht nur einen brillanten Verstand, sie hatte auch ein weites starkes Herz.

      Jeder, der jemals mit ihr zu tun hatte, spürte das. Und jeder dankte es ihr mit unerschütterlicher Treue.

      Es gab verworrene Schicksale unter den Künstlern, tragische Lebensläufe und schwierige Situationen. Und es gab eine Menge heikler Charaktere unter ihnen, aber es gab keinen, mit dem Nora nicht irgendwie fertiggeworden war.

      Und das lag allein an der Tatsache, daß auch der komplizierteste Mensch merkte, daß Nora unerschöpfliches Verständnis hatte. Daß sie alles und jedes respektierte, alles ernst nahm, alles tolerierte.

      Und wer tiefer zu sehen vermochte, der ahnte, daß Noras Leben nicht einfach gewesen war, daß sie ihre dunklen Punkte in der Vergangenheit hatte wie viele andere auch.

      Die Artisten kletterten behende von ihrem Seil und

Скачать книгу