G.F. Barner Classic 5 – Western. G.F. Barner
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Nein …!, dachte Hartney Shelby, großer Gott …! Nein! Und dann öffnete sich sein Mund zu einem Stöhnen, das das Grauen verriet, denn er sah nun sein Kind tief unten im ausgetrockneten Brunnen seiner Ranch liegen.
Es gab keine Shelby-Ranch am San Carlos River mehr, es gab kein fünfjähriges Mädchen mehr, das seinem Vater jauchzend entgegenlief.
»Rose – Rose«, sagte Shelby, und seine Stimme brach. »Meine Rose!«
So ist es, wenn man verrückt wird, dachte er, mein Gott, ich werde wahnsinnig, ich verliere den Verstand. Gott, hilf mir doch!
Der Himmel schwieg, der Wind sang und wisperte in den verbrannten Balken seiner Ranch, trieb Asche auf die Hände, die Shelby um den Brunnenrand gekrampft hatte. Mary, seine Frau, war tot, geschändet, zerstückelt – da lag sie und hatte keine Augen mehr. Und Abe, der Dreizehnjährige hing am Zaun, und sie hatten ein Feuer unter ihm gemacht, ehe sie ihn bestialisch ermordet hatten. Hat lag wie ein Gekreuzigter auf dem Rad des zerbrochenen Wagens – Hat, sein Ältester. Und hier war Rose, die kleine Rose. Und dort lag das Vieh – alles war tot und leer, und die Jahre waren umsonst gelebt worden, das Glück war vergangen in Schreien, blitzenden Messern, geschwungenen Kriegsbeilen und sausenden Pfeilen.
Ich war doch nur beim Nachbarn drüben, dachte Shelby, ich war doch nur einen Tag fort, um ihm zu helfen. Nachbarn müssen sich helfen, hat Mary immer gesagt, Mary …
Ich hole Rose aus dem Brunnen, dachte Shelby, ich werde hinabsteigen und mein Kind, meinen kleinen Sonnenschein, heraufschaffen. O Gott, wo bist du, warum hast du das zugelassen? Ich will hinabsteigen, ich muss sie holen!
Er nahm das Bein hoch, griff nach dem Seil, aber plötzlich hörte er eine Stimme und hielt inne.
Er redet zu mir, dachte er, ich bin schon verrückt, dass ich seine Stimme höre …
»Hartney, sieh dich erst um! Hartney, nicht in den Brunnen steigen, erst umsehen!«
»Wo, wo bist du, Murdock?«, stöhnte Hartney Shelby und blickte sich wie irr um. »Murdock – Murdock, Junge, ja, du hast recht, du hast mir abgeraten, hier meine Ranch zu bauen. Zu nahe am Indianergebiet, hast du gesagt. Tue es nicht, Hartney, auch wenn es gutes Land ist, die Apachen könnten eines Tages kommen. Dann hilft dir auch alle Tapferkeit nichts, Hartney Shelby. Du kennst die Apachen doch, du warst Quartermaster-Sergeant, der Vater des Schwadrons, mein Pflegevater, du kennst sie – siedle nicht hier!«
Es schüttelte Shelby, als hätte ihn das Mexikofieber gepackt. Murdock McCallum hatte ihn gewarnt, Murdock, der unter Indianern aufgewachsen war, der beste Sergeant der Armee, der klügste Mann, den Hartney Shelby jemals gekannt hatte, obgleich dieser Mann viel jünger als Shelby war und sein Sohn hätte sein können. Murdock war ein Genie, Murdock McCallum entging nichts, Murdock fand jede Spur und wusste alles.
Umsehen, dachte Shelby, Murdock hat wie immer recht, erst umsehen. Die sind vielleicht noch da, diese Teufel. Da liegen Ziegenlederbeutel. Sie riechen nach Tequila. Die Apachen waren betrunken. Nur betrunkene Apachen hausen so entsetzlich. Sie werden ihren Rausch ausgeschlafen haben. Bestimmt haben sie gefeiert, nachdem sie hier alles getötet hatten. Mein Gott, die Teufel sind bestimmt noch in der Nähe. Los, Hartney, nimm dein Pferd, reite an, halte die Augen auf, such sie. Und wenn du sie siehst, dann bring sie um!
Ein ehemaliger Quartermaster-Sergeant kannte keine Angst – doch nun hatte er sie in sich. Ihm grauste vor dem Anblick seiner Toten, als er aufsaß und sein Gewehr in die Hand nahm. Dann ritt er an Mary vorbei und sah nicht hin. Er kam an Abe vorüber und schloss die Augen, wie er sie fest zumachte, als er seinen Stolz, seinen Ältesten, verließ. Danach erreichte er den Steilhang am ausgetrockneten Bett des San Carlos Rivers. Und plötzlich war die Stimme wieder da – Murdock McCallums Stimme: »Pass auf, Hartney! Sie liegen verdammt gern in der Überhöhung und lassen dich vorbei, um dir einen Pfeil in den Rücken zu jagen. Reite, aber achte auf das kleinste Geräusch hinter dir. Und hörst du etwas, dann herum, Gewehr hochreißen und zur Seite kippen, aber dabei schießen!«
»Ja, Murdock, mein Junge, ja, ich weiß!«, sagte Hartney. »Schon gut.«
Reiten, lauschen, aufpassen – und dann war er fast an der Überhöhung vorbei, als das Rascheln da war.
In derselben Sekunde kippte der ehemalige Sergeant Hartney Shelby zur Seite und riss gleichzeitig das Gewehr hoch. Im Fallen sah er den Apachen breitbeinig im hohen, trockenen Gras auf dem Hang stehen, den Bogen gespannt in der linken Hand.
»Jaaa!«, brüllte Hartney voller Hass und Wut, Rachsucht und Tötungswillen. »Jaaa!«
Und dann schoss er auch schon, pflanzte die Kugel mitten in das erschreckte Gesicht des Apachen, das unter dem Schlag zerplatzte. Der nächste Apache fuhr hoch, riss sein Gewehr an die Schulter.
Hartney verwandelte sich in einen Teufel. Er jagte dem Apachen die zweite Kugel in den Bauch und sah ihn schreiend zusammenbrechen, bis er den dritten Hund aus den Büschen schnellen und den Tomahawk werfen sah. Das Pferd Shelbys flog herum, der dritte Schuss krachte, der Indianer schlug hin.
Töten, töten, töten, dachte Shelby, alle töten! Doch da kamen sie aus den Büschen, vier, fünf Krieger. Rechts wieherte ein Mustang. Staub schoss am Weg hoch, und Hartney wusste nun, dass der Weg zum Nachbarn versperrt war. Der wohnte auch fünfzehn Meilen entfernt, und nach dem Armeecamp San Carlos waren es nur fünf Meilen mehr.
Zu viele für mich, dachte Shelby, ich muss fliehen!
Der ehemalige Sergeant fiel auf den Hals des Pferdes. Zweimal schoss er noch, bis die Kugeln der Apachen nach ihm und dem Pferd griffen. Ein Schlag traf seine linke Hüfte, aber er raste im Zickzack vor der Staubwolke davon, preschte mitten durch Büsche, sah den ersten Reiter nachsetzen und knallte dem Apachen das Pferd zusammen. Danach trieb er das Pferd zum Galopp, lud das Gewehr nach und sah nach seiner Wunde. Blut lief über seine Hose, Schmerz raste durch seine Hüfte und die Rippen.
Mein Gott, dachte Hartney Shelby, die Kugel steckt in mir. Ich muss zum Armeecamp, ich muss reiten, mich verbinden lassen und versuchen, dass ich Hilfe aus dem Camp hole, damit sie begraben werden. Verflucht, das ist ja der Schwarze Falke, der wildeste Apachenchief, der dort hinten kommt. Der Hund hetzt mich, bis ich tot bin. Murdock, wo bist du? Murdock, ich werde halb tot sein, wenn ich das Camp oder die Verbindungsstraße nach Fort Defliance erreicht habe. Vielleicht finde ich einen Wagen und dort Hilfe – und vielleicht sagen sie mir, wo du bist, Murdock, denn du kannst den Schwarzen Falken finden, nur du, Junge. Murdock, wo bist du gerade mit der Armee unterwegs?
Der Verwundete jagte weiter und dachte an Murdock McCallum, den besten Sergeanten der Kavallerie.
*
Elena Pearson blickte aus der Stagecoach zum letzten Wagen der Kolonne und sah die Köpfe der vier Gefangenen im Armeetransporter im Staub verschwinden. Sie hatte nie zuvor gefesselte und angeschossene Soldaten, die von anderen bewacht wurden, zu Gesicht bekommen. Dafür sah sie jetzt, dass die sengende Sonne und der Staub die Männer umbringen musste. So ging es nun schon tagelang nach Süden, man fuhr im eskortierten Konvoi, weil die Indianerüberfälle zugenommen hatten.
»Vater, ob der Captain keine Mittagsrast machen will?«, fragte Elena beklommen. »Mein Gott, die Gefangenen müssen ja im Staub ersticken und in der Hitze verdursten.«
Charles Pearson, der größte Pferdezüchter aus Santa Cruz, ein mittelgroßer, breitschultriger Mann mit eisgrauem Haar, zuckte bei der Frage seiner Tochter die Achseln.
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Was meinen Sie, Milland?«
Roy Milland,