Familie Dr. Norden Classic 39 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Papa schläft noch, wir haben uns gestern abend lange unterhalten«, erklärte sie. »Haben Sie Zeit, daß ich Ihnen ein paar Fragen stellen kann, Daniel?«
»Die nehme ich mir. Es wird heute nicht so wild, da das Faschingsende naht. Die jungen Leute sind dann seltener krank und die alten Patienten geduldig. Das Wartezimmer ist ein beliebter Treffpunkt für sie.«
»Weil Sie ein beliebter Arzt sind.«
Er sah sie wieder nachdenklich an. »Sie haben schlechte Erfahrungen mit Kollegen gemacht, Viktoria?«
»Darüber reden wir jetzt lieber nicht. Papa ist vorrangig. Was können Sie über seinen Zustand sagen?«
»Eine Diagnose ist sehr schwierig. Eine Paranoika kann man in Betracht ziehen, aber bei ihm muß man andere Maßstäbe anlegen. Er ist Wissenschaftler und überzeugt, daß es Leben auf anderen Planeten gibt. Für ihn gilt nicht die allgemeine Vorstellung, daß die Erde der einzige bewohnte Planet ist, das Weltall ist groß und noch lange nicht erforscht. Wenn man sich zu sehr in die Vorstellung vertieft, wo die Galaxie ein Ende haben könnte, fängt man leicht zu fantasieren an, das meint auch Fee. Wir wissen ja nicht mehr, was sich in der Vergangenheit alles abgespielt hat. Immer wieder gibt es neue Erkenntnisse. Wir tun gut daran, uns an das Sichtbare und Wesentliche zu halten. Vinzenz grübelt darüber nach, wie viele geklonte Menschen schon auf der Erde weilen könnten, wieviel Versuche, von denen wir nichts wissen, mit und an Menschen durchgeführt werden. Diese Gedanken gefallen ihm nicht, verfolgen ihn im Schlaf, erwachen in den Träumen. Er denkt einfach zuviel, das ist die Ursache für seine Zerrissenheit. Ich hoffe, daß es sich jetzt wieder bessert, wenn Sie bei ihm sind, mit ihm reden und Ihre Probleme für ihn wichtiger sind, Viktoria.«
»Aber meine Probleme sind für ihn doch auch eine Belastung.«
»Nicht so, wie Sie meinen. Das Gefühl, Ihnen womöglich helfen zu können, läßt ihn vergessen, was in seinem Kopf herumspukt. Schließlich bildet er sich doch ein, daß dieser Dr. Dietrich und seine Assistenzärztin Alien sein müssen, weil er den Mitmenschen nicht soviel Böses zutraut. Seine These, daß der Mensch an sich gut sei, bedingt für ihn die Vorstellung, daß die bösen Menschen, die Kriminellen, alle von gefühllosen Wesen gezeugt wurden.«
»Es macht mir Angst, wenn er sich so hineinsteigert.«
»Er hat seinen Verstand nicht verloren, man kann mit ihm ganz vernünftig reden. Er war nur zuviel allein. Mit wem sollte er reden, außer mit Marie?«
»Ich habe mich gut mit ihm unterhalten, nur manchmal wich er ab, redete von den Meteoriten, die Vernichtung bringen. Ich mache mir Vorwürfe, ihn im Stich gelassen zu haben, weil ich zu sehr mit mir selbst beschäftigt war. Es ist nicht einfach, einen Vater zu haben, der ein Genie ist, wenn man sich selbst viel auf sein eigenes Wissen einbildet. Er hat mir einmal gesagt, daß ich lernen muß, mich nicht selbst zu überschätzen und war beleidigt. Ich mußte bald einsehen, daß ich noch viel lernen muß und es nicht für bare Münze nehmen darf, wenn ich bewundert werde. Es gibt Menschen, die können überzeugend lügen.«
Daniel wußte, daß sie dies auf Antonio Manzini bezog. Gar zu gern hätte er mehr von dieser Episode ihres Lebens erfahren und von diesem Mann, der wohl ihre Illusionen über die Liebe zerstört hatte.
Sie wechselte das Thema, fragte ihn, wie sie sich verhalten solle, wenn sich ihr Vater in Hirngespinsten verlor.
»Gehen Sie darauf ein, Viktoria, versuchen Sie, solche Gespräche auf eine wissenschaftliche Basis zu bringen. Geben Sie ihm das Gefühl, daß andere auch ernsthaft über diese unerforschten Dinge nachdenken und lenken Sie das Gespräch dann auf die Satelliten, die eingesetzt werden zum Nutzen der Menschen.«
»Ich habe mich mehr mit Menschen befaßt und wie ich ihnen zu einem normalen Weiterleben verhelfen kann. Aber jede Operation ist auch ein Eingriff in die menschliche Natur, wenn man es genau nimmt. Wir beweisen damit, daß manches im Körper überflüssig oder auch ersetzbar ist.«
»Aber das mußte auch erst bewiesen werden. Es waren kluge Ärzte, die herausfanden, daß man auch ohne Galle leben kann, daß der Blinddarm überflüssig ist, daß man Herzen, Nieren und auch die Leber ersetzen kann. Es ist bei allem aber immer auch ein Risiko dabei, auch wenn die Technik immer weiterentwickelt wurde. Mir geht es so mit der Erprobung von Medikamenten. Jeder Patient reagiert anders, und man kann nicht immer gleich auf Anhieb helfen. Ich verstehe auch, daß die Patienten dann ungeduldig werden.«
»Aber manche nehmen die Medikamente auch gar nicht und schimpfen nur«, sagte Viktoria. »Ich werde versuchen, auf Paps’ Eigenheiten einzugehen. Ich will ihn nicht noch konfuser machen, indem wir einen Psychiater hinzuziehen und vertrauen unserem guten Freund Daniel.«
Es machte ihn froh, daß sie das sagte, denn es bewies ihm, daß ihr Mißtrauen nicht gegen jeden gerichtet war, daß sie Freund und Feind noch zu unterscheiden wußte.
Viktoria ahnte nicht, was er von Degenhart und Dorte alles über sie erfahren hatte, sie hatte immer noch nicht die leiseste Ahnung, daß Dorte und Hanno Degenhart schon länger ein Paar waren. Eigentlich wußte das niemand.
Nachdem Daniel Norden seinen Patienten versorgt hatte, fühlte sich Viktoria erleichtert. Da war jemand, auf den sie sich verlassen konnte. Beim Abschied hatte er gesagt, daß Dieter und Jenny Behnisch sich freuen würden, wenn sie sich für die Behnisch-Klinik entscheiden könnte.
Sie sollte die Entscheidung bald treffen, denn schon am Nachmittag rief Jenny an und bat sie dringend um ihre Hilfe, weil Dieter Behnisch durch einen Hexenschuß außer Gefecht gesetzt worden war.
»Was meinst du, Papa, soll ich es tun?« fragte sie, obgleich ihr Entschluß schon gefaßt war. Sie wollte ihm jedoch das Gefühl geben, seine Meinung sei gefragt und außerdem konnte sie dabei feststellen, ob er egoistisch dachte.
»Ich glaube, daß es gut für dich ist, in einer solchen Atmosphäre zu arbeiten und zu vergessen, wie intrigant es unter Dietrich zugegangen ist. Ich fühle mich wirklich wohl und bin nicht so verrückt, wie manche meinen«, fügte er mit einem spöttischen Lächeln hinzu.
»Du denkst das doch nicht von Daniel und mir? Das würde ich dir sehr verübeln«, sagte sie.
»Ich weiß, was andere reden, weil ich so ungeschickt war, über meine Thesen zu sprechen. Ich hoffe, daß uns auch dann, wenn du wieder arbeitest, Zeit bleibt für Gespräche.«
»Das wird es, Papa, ich wohne ja hier.«
Und jetzt hatte sie auch wieder das Gefühl, daß sie zu Hause, daß München ihre Heimat war. Sie dachte auch wieder an frühere Jahre, als sie sich im Spiegel betrachtete. Sie war nicht der Typ, auf den Männer sofort flogen, dazu wirkte sie zu kühl und unnahbar. Das hätte sie auch bedenken müssen, als Antonio Manzini sie so umschmeichelte. Man hatte sie schon in der Schule scherzhaft Gräfin Romanus genannt, weil sie so reserviert war. Aber mit ihren Schulfreundinnen hatte sie sich trotzdem gut verstanden.
Wo mochten sie jetzt sein? Sie hatte den Kontakt zu ihnen verloren. Von Lisa und Petra hatte sie hin und wieder gehört, als sie noch studierten, aber Medizin hatte keine gewählt. Julia war zweimal geschieden und lebte allein mit ihren beiden Kindern, aber was sie machte, wußte Viktoria auch nicht mehr. Dagegen kam sie sich uralt vor. Allerdings hatte nur Julia so früh geheiratet und sollte auch wieder in München wohnen.
Ich werde jedoch keine Zeit haben, alte Bekanntschaften wieder aufzufrischen, dachte sie. Es blieb jedoch nicht aus, daß ihr auch Chris Vorbeck einfiel. Chris der Spießer, wie er verspottet worden war, weil er sich