Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

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Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher

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1961 führte die Schweiz aus:

      «Les divergences éventuelles touchant à l’exécution des obligations du traité d’association pourraient, en cas de besoin, être portées devant un organe arbitral statuant à la majorité, qui se prononcerait, selon les cas, soit sur le fond du problème soit sur d’éventuelles mesures de compensation

      «Allfällige Divergenzen bei der Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Assoziationsvertrag könnten erforderlichenfalls an eine mit Mehrheit entscheidende Schiedsstelle verwiesen werden, die je nach Fall entweder über den Inhalt des Problems oder über mögliche Ausgleichsmassnahmen entschiede.»

      Die Verhandlungen erreichten aber nie ein Stadium, in dem die Frage besprochen wurde. Dass die EWG das akzeptiert hätte, kann aber ausgeschlossen werden. Da die britischen EWG-Beitrittsverhandlungen am Veto des französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle scheiterten, verlief der Assoziationsversuch im Sande; zu direkten Verhandlungen mit Brüssel kam es nicht.

      IV.Freihandelsabkommen mit der EWG 197210

      Nach dem Rücktritt de Gaulles als Präsident Frankreichs am 28. April 1969 war die EWG bereit, das Vereinigte Königreich und andere Antragsteller aufzunehmen. Gleichzeitig bot die Gemeinschaft den Rest-EFTA-Staaten Verhandlungen über den Abschluss bilateraler Freihandelsabkommen ohne Rechtsharmonisierung und ohne Institutionen wie Überwachungsbehörde und Gerichtshof an. Die französische Regierung machte allerdings mit Autarkieforderungen Schwierigkeiten, die von den anderen fünf EWG-Staaten als grotesk bezeichnet wurden. Am 22. Juli 1972 unterzeichnete die Schweiz zwei Freihandelsabkommen, eines mit der EWG und eines mit der EGKS. Das Abkommen mit der EWG, das im Folgenden behandelt wird, zielte auf die Abschaffung von Zöllen und Kontingenten für gewerbliche Waren. Die übrigen Rest-EFTA-Staaten schlossen mit der EWG weitgehend inhaltsgleiche FHA’s. Obwohl es keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit gab, wurde das Freihandelsabkommen aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen Bedeutung dem obligatorischen Referendum unterstellt. Der Vertrag wurde von 72,5 % der Bevölkerung und allen Kantonen angenommen und trat am 1. Januar 1973 in Kraft.

      Kapitel 3

      EU-Begeisterung

      I.Zeitenwende am Ende der 1980er Jahre

      In den vom Kalten Krieg geprägten Jahrzehnten waren die Schweizer überzeugt, mit ihrer vorsichtigen Haltung der europäischen Integration gegenüber für die Zukunft bestens gerüstet zu sein. 1987 trat jedoch die Einheitliche Europäische Akte in Kraft, die erste umfassende Revision des EWGV, die auf die Vollendung des Binnenmarktes bis Ende 1992 abzielte. Die Schweiz beschloss daraufhin zusammen mit den anderen EFTA-Staaten, multilaterale Verhandlungen über den Abschluss eines umfassenden Assoziierungsabkommens mit der EWG, des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum EWR, aufzunehmen. Damit sollte eine Diskriminierung der Schweizer Industrie vermieden werden. 1989 endete der Kalte Krieg mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Befreiung der osteuropäischen Staaten. Die neutralen Staaten in Westeuropa begannen sich zu fragen, wozu ihr Status noch gut sei. In der Bundesverwaltung und im Bundesrat setzte sich die Auffassung durch, dass die Schweiz ihre übervorsichtige Europapolitik ändern sollte.

      II.Schlechter Verlauf der EWR-Verhandlungen

      Am 2. Mai 1992 unterzeichnete die Schweiz in Porto zusammen mit den anderen sechs damaligen EFTA-Staaten – Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen Österreich und Schweden – und der EU das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum EWRA und das Überwachungs- und Gerichtshofsübereinkommen («ÜGA»). Mit dem ÜGA wurden die EFTA-Überwachungsbehörde (EFTA Surveillance Authority, «ESA») und der EFTA-Gerichtshof geschaffen. Das EWRA fusst auf einem Zwei-Pfeiler-Modell. Im EU-Pfeiler liegt die Überwachung in den Händen der Europäischen Kommission und die gerichtliche Kontrolle beim EuGH. Im EFTA-Pfeiler sind ESA und der EFTA-Gerichtshof zuständig. Die beiden EFTA-Institutionen sind strukturell unabhängig. Neues EWR-Recht entsteht durch Übernahme von EU-Recht. Dabei haben die EFTA-Staaten ein anspruchsvolles Mitspracherecht. Ziel des EWRA ist die Erstreckung des Binnenmarktes auf die EFTA-Staaten. Im Gegenzug öffnen diese ihre Märkte für Akteure aus den EU-Staaten.

      Das EWRA ist das umfassendste multilaterale Assoziationsabkommen, das die EU je abgeschlossen hat. Der Nationalrat billigte den Vertrag mit 138 gegen 57 Stimmen, der Ständerat mit 38 gegen 2 Stimmen. Allerdings waren die Verhandlungen für die Schweiz nicht günstig verlaufen. Ihre Diplomaten waren schlecht auf ein multilaterales Unterfangen dieser Grössenordnung vorbereitet. Ich weiss nicht, wie oft ich von österreichischen und schwedischen Unterhändlern gehört habe, mit welcher Überheblichkeit gewisse Schweizer zu Beginn der Verhandlungen aufgetreten sind. Eine Aufforderung der Kommission, die Bereiche zu bennen, die für sie von vitalem Interesse sein würden, wurde von den EFTA-Staaten dahin verstanden, dass es darum ging, permanente Ausnahme von der Übernahme des EH acquis zu erreichen. Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Bemerkenswert ist, dass die Schweiz die mit Abstand längste Wunschliste vorlegte, es sollen 140 Positionen gewesen sein. Am Ende musste das alles zurückgenommen werden.

      Die Schweizer nahmen die Zusage von Kommissionspräsident Delors vom Januar 1989 zum Nennwert, dass den EFTA-Staaten ein Mitentscheidungsrecht bei der Setzung neuen, für den EWR relevanten EU-Rechts eingeräumt würde. Für sie schien damit ein Traum in Erfüllung zu gehen, den man seit langem geträumt hatte: Ein Mitentscheidungsrecht zu haben, ohne EWG-Mitglied zu sein. Die Phalanx der EFTA-Staaten war freilich brüchig. Delors konnte daher sein Versprechen ein Jahr später ohne grosses Federlesen zurückziehen. Die Schweizer beharrten trotzdem auf einem Mitentscheidungsrecht. Dass die EFTA-Staaten in einem Europäischen Wirtschaftsraum nicht nur uneingeschränkten Zugang zum EG-Binnenmarkt haben, sondern auch ihre Souveränität in den Bereichen Aussenhandel, Landwirtschaft, Fischerei und Steuern behalten würden, wurde ausgeblendet. Auch dass die EFTA-Staaten ihre eigene Überwachungsbehörde und ihren eigenen Gerichtshof haben würden, wurde als unwichtig angesehen. Teile der Schweizer Delegation hielten das EWRA für ein unwürdiges Abkommen, und da man sich mit der realen Entwcklung des EWR gar nicht erst befasst, dominiert diese Sichtweise die Einstellung des Aussenministeriums gegenüber dem Abkommen bis heute. Die anderen EFTA-Staaten massen dem fehlenden Stimmrecht weniger Bedeutung bei. Mit Ausnahme von Island und Liechtenstein waren sie entschlossen, den Aufenthalt im EWR so kurz wie möglich zu gestalten und der EU beizutreten. Irgendwann stand die Schweiz kurz davor, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Sie entschloss sich dann trotzdem, dabei zu bleiben. Aber bei gewissen Diplomaten setzte sich sukzessive die Meinung durch, wegen des fehlenden Stimmrechts könne das EWRA nur als Zwischenschritt zu einem EU-Beitritt akzeptiert werden.

      III.EU-Beitrittsgesuch aus heiterem Himmel

      Die eigentlichen EWR-Verhandlungen begannen am 1. Juli 1990. Als kein Zweifel mehr daran bestehen konnte, dass die EU den EFTA-Staaten kein Mitbestimmungsrecht gewähren würde, kontaktierten zwei Diplomaten, Jakob Kellenberger und der verstorbene Bruno Spinner, einige Bundesräte hinter dem Rücken des Chefunterhändlers Franz Blankart direkt. Sie stellten die Behauptung auf, dass das EWRA wegen des Fehlens eines Mitentscheidungsrechts der EFTA-Staaten bei der Verabschiedung neuer Rechtsvorschriften ein schlechtes Abkommen sei. Es könne dem Schweizer Volk nur dann zur Abstimmung vorgelegt werden, wenn

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