Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher страница 13

Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher

Скачать книгу

sie allenfalls in der EU nicht zugelassen werden. Es habe aber keine Bedeutung für ihre Tätigkeit innerhalb der Schweiz. Das Bundesgericht setzt sich nicht explizit mit dem Thema der direkten Wirkung des Versicherungsabkommens auseinander. Man darf aber davon ausgehen, dass es sie implizit anerkennt. Auch hier fällt allerdings auf, dass die Richter des Bundesgerichts wenig Präjudizienbewusstsein haben.

      (3)Freizügigkeitsabkommen

      Artikel 16 Absatz 2 Satz 3 FZA besagt, dass der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen der neuen Rechtsprechung des EuGH bestimmt, um das ordnungsgemässe Funktionieren des Abkommens zu gewährleisten. Eine solche Entscheidung macht die betreffende EuGH Rechtsprechung für das Bundesgericht verbindlich (BGE 132 V 423 Erw. 9.2.). Es liegt eine vereinfachte Form eines internationalen Abkommens zwischen der EU und der Schweiz vor. Insoweit besteht eine Parallele zur Rechtslage im EWR. Der EFTA-Gerichtshof hat in der Rechtssache CIBA festgestellt, dass eine Entscheidung des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, der wie der Gemischte Ausschuss nach dem FZA ein diplomatisches Organ darstellt, eine solche Vereinbarung zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der EWR/EFTA andererseits darstellt (E-6/01, CIBA / Norwegen).

      Wie das EWRA enthält das FZA besondere Homogenitätsregeln, die auf eine einheitliche Auslegung abzielen. Artikel 16 FZA bestimmt unter der Überschrift «Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht»:

      «(1) Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Massnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden.

      (2)Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt. Über die Rechtsprechung nach dem Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Abkommens wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemässe Funktionieren dieses Abkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest.»

      Hingegen fühlt sich das Bundesgericht nicht an die neue Rechtsprechung des EuGH gebunden. Es ist jedoch bereit, neuer Rechtsprechung auch ohne Entscheidung des Gemischten Ausschusses fallweise zu folgen, um eine parallele Rechtslage und einen einheitlichen Raum der Freizügigkeit zu schaffen. Dass die Bestimmungen des FZA direkte Wirkung entfalten können, wurde nie bezweifelt. Private können sich grundsätzlich auf sie berufen.

      In einem wichtigen Urteil vom 29. September 2009 änderte die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts seine bisherige Rechtsprechung zum Aufenthaltsrecht eines Nicht-EU-Bürgers im Lichte des EuGH-Urteils vom 11. Mai 2009 in der Rechtssache Metock (BGE 136 II 5; C-127/08 Metock). Ein Palästinenser, dessen Asylantrag abgelehnt und der zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt worden war, heiratete eine spanische Staatsbürgerin mit einer Schweizer Niederlassungsbewilligung. Insgesamt hatte der Mann fast 13 Jahre in der Schweiz verbracht. In Metock hatte der EuGH die damals neue Unionsbürgerschaftsrichtlinie (RL 2004/38/EG) auf alle Familienangehörigen angewandt, die ihren Ehegatten mit Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Es wurde festgestellt, dass das Recht auf Familiennachzug nicht mehr von einem vorherigen rechtmässigen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat abhängt. Eine solche Voraussetzung wurde als Verletzung der EU-rechtlichen Regelung der Familienvereinigung gewertet. Die Praxisänderung des Bundesgerichts ist besonders pikant, weil die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung auch ihren bisherigen Ansatz auf die Rechtsprechung des EuGH gestützt hatte, nämlich auf dessen Urteil in der Rechtssache Akrich vom 23. September 2003 (BGE 130 II 1 und BGE 134 II 10, mit Verweis auf Rs. C-109/01, Akrich). Dort hatte der EuGH festgestellt, dass das Recht auf Nachzug nur für Drittstaatsangehörige gilt, die sich bereits rechtmässig in einem EU-Staat aufgehalten haben. Zu beachten ist, dass auch das Akrich-Urteil eine neue Rechtsprechung darstellte.

      In einem weiteren Grundsatzurteil vom 5. Januar 2010 entschied die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung, dass die ausländischen Kinder des Drittstaatsangehörigen eines französischen Staatsbürgers ein Recht auf Familiennachzug nach Artikel 3 Absatz 2 litera a FZA haben. Die Abteilung betonte, dass sie nicht verpflichtet sei, die neue Rechtsprechung des EuGH zu übernehmen. Aber um eine parallele Rechtslage zwischen den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz herzustellen, folgte sie dem Ansatz des EuGH in seinem Urteil vom 17. September 2002 in der Rechtssache Baumbast (C-413/99 Baumbast). Die Abteilung vertrat die Auffassung, dass das Urteil Baumbast, das nach dem Datum der Unterzeichnung des FZA erlassen wurde, auf der alten Rechtsprechung des EuGH beruhte, nämlich auf dem Urteil Echternach und Moritz vom 15. März 1989 (Rs. 389/87, Echternach und Moritz). Sie fügte hinzu, der gewählte Ansatz entspreche auch dem Zweck der Familienzusammenführung und der vorherrschenden Auffassung in der Schweizer Literatur (Urteil 2C_269/2009 vom 5. Januar 2010, Erw. 4.3 ff.). Insgesamt wird die Bestimmung, wonach die nach dem Datum der Unterzeichnung ergangene Rechtsprechung des EuGH gebührend zu berücksichtigen ist, in diesen Fällen faktische als Pflicht verstanden, dieser Rechtsprechung Rechnung zu tragen, also sie zu befolgen. Die Literatur spricht denn auch von der Relativität der Frist für die Übernahme der Rechtsprechung des EuGH.

      Es ist offensichtlich, dass das Bundesgericht grosse Anstrengungen unternimmt, um im Bereich der Personenfreizügigkeit einen einheitlichen Rechtsraum zwischen der Schweiz und der EU zu gewährleisten. Trotzdem gibt es keine Rechtssicherheit. Insbesondere in politisch sensiblen Fällen ist es denkbar, dass sich das Bundesgericht weigert, der neuen Rechtsprechung des EuGH zu folgen. Ein wichtiges Beispiel ist die Frage der Exportierbarkeit von Hilflosenentschädigung. In dem bereits genannten Urteil vom 24. Juli 2006 vertrat das Eidgenössische Versicherungsgericht die Auffassung, dass die Rechtsprechung des EuGH zum EU-Recht, die in diesem Bereich eine Pflicht zur Ausfuhr statuiert hat, aus der Zeit nach der Unterzeichnung des FZA stammt. Eine Übernahme dieser Rechtsprechung wurde daher als nicht gerechtfertigt angesehen (BGE 132 V 423). Dabei sind zwei Dinge zu beachten: Erstens gab es in diesem konkreten Fall gute Argumente dafür, dass die neue Rechtsprechung des EuGH auf der alten (verbindlichen) Rechtsprechung des EuGH beruht. Zweitens entschied der EFTA-Gerichtshof kurz darauf in einem Fall betreffend Liechtenstein,

Скачать книгу