Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

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Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher

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trotz fehlender EWG-Mitgliedschaft «Teil Europas» zu sein. Damit erlangte die Schweiz auch das Recht, einen Richter/eine Richterin am EGMR zu stellen.

      2.Zugang der Privaten zu einem übernationalen Gericht

      1959 wurde der EGMR in Strassburg errichtet. Er hat die Aufgabe, die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention sicherzustellen. Die Mitgliedstaaten des Europarates erklärten sich bereit, an die Urteile des EGMR gebunden zu sein. Private hatten allerdings zunächst keinen direkten Zugang zum Gerichtshof. Sie mussten sich vielmehr mit Beschwerde an die 1954 eingesetzte Kommission für Menschenrechte wenden und auch das war nur möglich wenn der betreffende Mitgliedstaat dieses Recht anerkannt hatte. Der EGMR war auch kein ständiges Gericht.

      Durch zahlreiche Änderungen ist dieses System über die Jahre und Jahrzehnte sukzessive verbessert worden. Die Kommission wurde abgeschafft und der EGMR ist seit 1998 ein ständiger Gerichtshof. Private haben nunmehr direkten Zugang. Nach Artikel 1 EMRK sichern die Vertragsparteien allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die in der Konvention genannten Rechte und Freiheiten zu. Diese Vorschrift verleiht jedem Einzelnen das Recht, sich vor den nationalen Gerichten auf die Konvention zu berufen. Nach den Artikeln 34 and 35 EMRK kann der EGMR grundsätzlich von jeder natürlichen Person, nichtstaatlichen Organisation oder Personengruppe mit einer Beschwerde befasst werden, sofern die innerstaatlichen Rechtsbehelfe erschöpft wurden.

      3.Der EMRG als Wirtschaftsrechtsgericht

      Ursprünglich zielte die EMRK darauf ab, die klassischen Menschenrechte wie das Recht auf Leben, auf Privatsphäre oder auf freie Meinungsäusserung zu schützen. In den letzten Jahrzehnten hat die Rechtsprechung des Strassburger Gerichtshofs aber ein hohes Mass an wirtschaftlicher Relevanz erreicht. Die wichtigsten Beispiele finden sich in Bereichen wie dem Kartellrecht, dem Recht des unlauteren Wettbewerbs, dem Immobilienrecht, dem Tarif- und Arbeitskampfrecht, dem Immaterialgüterrecht und dem öffentlichen Vergaberecht.

      III.Bilaterale Verträge mit der EU

      1.Überblick

      Die Schweiz hat mit der EU ein Netz von sektoriellen bilateralen Abkommen abgeschlossen. Der erste grosse und wohl bis heute wichtigste Vertrag ist angesichts des hohen wirtschaftlichen Integrationsgrades der Schweiz das Freihandelsabkommen von 1972 («FHA»). Es wurde im Hinblick auf den Übertritt des Vereinigten Königreichs und Dänemarks von der EFTA in die EWG eingegangen. Zusammen mit der Schweiz schlossen auch die übrigen Rest-EFTA-Staaten solche Verträge mit der EWG ab. (Genau genommen wurden zwei Verträge geschlossen, einer mit der EWG und einer mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl EGKS.) Damit wurden tarifäre Handelshemmnisse (Ein- und Ausführzölle und Kontingente) für industrielle Erzeugnisse abgebaut.

      Daneben kamen zahlreiche bilaterale Abkommen von weitaus geringerer Bedeutung zustande. Als eine Art Meilenstein betrachteten die Berner Verhandler das Abkommen von 1989 über die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung, das nach 16-jährigen Verhandlungen unterzeichnet wurde. Diesen Vertrag schloss die Schweiz im Alleingang. Der Mann, der ihn aushandelte, war der spätere Chefunterhändler bei den EWR-Negoziationen Franz Blankart. Wenn man sich mit Franz über das Verhältnis Schweiz-EU unterhält, so kommt das Gespräch früher oder später auf das Versicherungsabkommen.

      2.Konfliktlösung durch Gemischte Ausschüsse

      Konflikte, die aus den bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU entstehen, werden seit jeher durch die Mittel der Diplomatie und nicht durch übernationale Gerichte gelöst. Diese paritätisch besetzten Ausschüsse können aber nur mit Einstimmigkeit entscheiden. Die Schweiz hat also ein Vetorecht. Formal gesehen ist es der Bundesrat, der darüber entscheidet, ob die Schweiz einer Konfliktlösung zustimmt. Vertreten ist die Schweiz aber durch Angehörige der Verwaltung. In der Praxis sind es hohe Beamte. Das EDA spielt dabei naturgemäss eine bedeutende Rolle.

      Als Beispiel möge das FHA dienen. Basierend auf den Artikeln 29 und 30 FHA wurde ein Gemischter Ausschuss aus Vertretern der EWG und der Schweiz geschaffen, der für die ordnungsgemässe Umsetzung des Abkommens zuständig ist. Nach Artikel 31 Absatz 2 FHA tritt das Gremium mindestens einmal jährlich zusammen, um die allgemeine Funktionsweise des Abkommens zu überprüfen. Es versammelt sich ferner auf Antrag einer Partei so oft wie nötig. Der Gemischte Ausschuss handelt im Konsens. Seine Beschlüsse werden von den Vertragsparteien nach ihren eigenen Regeln umgesetzt. Kann der Ausschuss keine Lösung für ein Problem finden, so kann die geschädigte Partei Handelssanktionen verhängen (Art. 22 Abs. 2 FHA).

      Aus der Sicht der Bundesverwaltung hat ein solches Konfliktlösungsmodell erhebliche Vorteile. Da man vor allem die Fälle im Auge hat, in denen die Schweiz möglicherweise ihre Pflichten aus einem Abkommen verletzt, wird die Möglichkeit, eine Lösung mittels Veto zu blockieren, als positiv angesehen. Dass gleichzeitig zahllose Fälle der Diskriminierung von Schweizer Unternehmen unsanktioniert bleiben, bleibt bei dieser Nabelschau unberücksichtigt.

      3.Der Staat als Vormund der Privaten

      Dieses Konfliktlösungsmodell, bei dem die Bundesverwaltung alles und die betroffenen Unternehmen und Bürger nichts zu sagen haben, ist ein Ausfluss einer traditionellen völkerrechtlichen Rechtsfigur, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat: des Prinzips des diplomatischen Schutzes. Damit wird ein Verfahren bezeichnet, mit dem ein Staat einen Anspruch gegen einen anderen Staat geltend macht, weil dieser einen seiner Staatsangehörigen völkerrechtswidrig behandelt hat.

      Diplomatischer Schutz wurde zunächst hauptsächlich von kapitalexportierenden Ländern (d. h. westeuropäischen Ländern und den Vereinigten Staaten) gegen kapitalimportierende Länder (d. h. hauptsächlich Länder Lateinamerikas) ausgeübt. Das Recht des diplomatischen Schutzes und seine Entwicklung wiederspiegelt aber auch den Strukturwandel des Völkerrechts selbst. Dieses hat sich von einem Rechtsgebiet, das die Beziehungen von Staat zu Staat regelte, zu einem Feld entwickelt, das den Schutz des Einzelnen stärker in den Vordergrund stellt.

      Konzeptuell ist der diplomatische Schutz ein Recht des Staates, nicht des betroffenen Einzelnen. Er beruht allerdings auf einer Fiktion: Die Schädigung einer Person wird so behandelt, als stellte sie eine Schädigung des Staates der Person dar, was den Nationalstaat berechtigt, den Anspruch geltend zu machen. Durch die Verletzung des Rechts des Einzelnen entsteht der Anspruch des Staates auf diplomatischen Schutz. Die Fiktion ist nur ein Mittel zum Zweck, dem Einzelnen Schutz

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