Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

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Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher

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kann leicht gekündigt werden (Artikel 57 EFTA-Konvention). In der Botschaft des Bundesrates vom 5. Februar 1960 wurde das Fehlen von Supranationalität besonders hervorgehoben. Dass die EFTA-Konvention keine Freizügigkeit vorsah und eine Ausnahme für die Landwirtschaft enthielt, erleichterte die Mitgliedschaft weiter. Der Beitritt zur EFTA war nicht Gegenstand des fakultativen Referendums. Die Freihandelsassoziation war ein sofortiger wirtschaftlicher Erfolg.

      Die EFTA hat eine wechselvolle Geschichte und der Mitgliederbestand hat sich relativ häufig geändert. Eine grundlegende Neuausrichtung wurde nach 1995 notwendig, als die Assoziation als Folge des EU-Beitritts von Finnland, Österreich und Schweden von sieben auf vier Mitgliedstaaten verkleinert wurde. Drei von ihnen, nämlich Island, Liechtenstein und Norwegen, waren (und sind) über das multilaterale EWR-Abkommen («EWRA») mit der Europäischen Union verbunden und nehmen am Binnenmarkt teil. Der vierte EFTA-Staat, die Schweiz, hat zahlreiche sektorielle bilaterale Abkommen mit der EU abgeschlossen, die ihrer Industrie weitgehenden Zugang zum Binnenmarkt verschaffen. Andere Sektoren, vor allem die Banken und Versicherungen, besitzen diesen Zugang aber nicht.

      Ein neues EFTA-Übereinkommen wurde am 21. Juni 2001 in Vaduz unterzeichnet und trat am 1. Juni 2002 in Kraft. Die wichtigste Neuerung war die Integration von Regeln und Grundsätzen des EWRA und der bilateralen Abkommen zwischen der EU und der Schweiz in die EFTA-Konvention. Die Vorteile der privilegierten Beziehungen, welche die drei EWR/EFTA-Staaten einerseits und die Schweiz andererseits gegenüber der Europäischen Union erlangt hatten, wurden damit auf ihre eigenen internen Beziehungen übertragen. Gleichzeitig hat die revidierte Konvention eine verbesserte Plattform für den Ausbau der Handelsbeziehungen der EFTA mit Nicht-EU-Staaten geschaffen. Der EFTA-Rat aktualisiert die Vaduzer Konvention regelmässig, um neue Entwicklungen im Rahmen des EWRA und der EU-Verträge umzusetzen.

      Die Schweiz ist heute als EFTA-Staat Teil eines weltweiten Systems bilateraler Freihandelsabkommen. Vielfach konnte die EFTA solche Abkommen vor der Europäischen Union abschliessen. In bestimmten Fällen, in denen die vier EFTA-Staaten Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein unterschiedliche Interessen hatten, hat die Schweiz solche Abkommen ausserhalb der EFTA geschlossen. Die wichtigsten Beispiele sind die Freihandelsabkommen mit Japan und mit China.

      2.Konfliktlösung

      Die ursprüngliche EFTA-Konvention sah in ihrem Artikel 31 lediglich ein allgemeines Konsultations- und Beschwerdeverfahren beim EFTA-Rat vor. Nur sechs Fragen wurden dem Rat im Rahmen dieses Verfahrens vorgelegt, die letzte im Jahre 1967. Der Lausanner Professor Andreas R. Ziegler hat dazu bemerkt:

      «While the EC had already a fully fledged court in place for the settlement of disputes among its members, the EFTA relied on a very traditional GATT-oriented model not even including classical arbitration

      «Während die EG bereits über ein vollwertiges Gericht für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen ihren Mitgliedern verfügte, stützte sich die EFTA auf ein sehr traditionelles GATT-orientiertes Modell, das nicht einmal die klassische Schiedsgerichtsbarkeit umfasste.»

      Das trifft zwar zu, aber es beschreibt nur die halbe Wahrheit. Wichtiger als die Möglichkeit der Mitgliedstaaten der EWG gegeneinander Klage zu erheben, waren die Vertragsverletzungsklage der Kommission gegen einen Mitgliedstaat und das Vorabentscheidungsverfahren, bei dem nationale Gerichte der Mitgliedstaaten direkt an den EuGH gelangen konnten. Damit hatten auch Private und Unternehmen von Anfang an Zugang zur europäischen Justiz.

      Die Vaduzer Konvention enthält neue Vorschriften zur Konfliktlösung. An erster Stelle stehen nach Artikel 47 Kooperation und Konsultation. Der EFTA-Rat, in welchem die Mitgliedstaaten durch Minister oder Beamte vertreten sind, hat die Aufgabe, eine gütliche Lösung zu suchen. Wenn die Sache nicht bereinigt werden kann, so kann sie an ein Dreier-Schiedsgericht verwiesen werden. Die Parteien ernennen je einen Schiedsrichter und die Parteischiedsrichter ernennen einen Präsidenten. Das Schiedsgericht entscheidet endgültig und mit verbindlicher Wirkung. Ein Mitgliedstaat, der nicht Konfliktspartei ist, hat das Recht, sich am Verfahren zu beteiligen. Wenn der unterliegende EFTA-Staat den Spruch des Schiedsgerichts nicht umsetzt, so können Ausgleichsmassnahmen ergriffen werden. Angesichts der Vorliebe der Schweiz für Schiedsgerichte darf man davon ausgehen, dass diese Neuerung auf ihr Drängen hin geschaffen wurde. Das ändert aber nichts daran, dass Private und Unternehmen keinen Zugang zur Konfliktlösung haben. Es sind im-Übrigen keine Fälle bekannt, in denen ein Schiedsverfahren eingeleitet wurde.

      3.Rechtsprechung des Bundesgerichts

      Einen gemeinsamen supranationalen Gerichtshof gibt es in der EFTA, wie gesagt, nicht. Das schliesst aber nicht aus, dass sich Bürger und Unternehmen vor den nationalen Gerichten der EFTA-Staaten auf die Konvention berufen. Das Bundesgericht hat dazu eine sehr fortschrittliche Rechtsprechung entwickelt. In der Rechtssache Banque de Crédit international entschied die Zweite öffentlichrechtliche Abteilung am 13. Oktober 1972, dass das in Artikel 16 Absatz 1 EFTA-Konvention enthaltene Diskriminierungsverbot unmittelbar anwendbar ist (BGE 98 Ib 385, Erw. 2 b.). Die Vorschrift garantiert das Niederlassungsrecht. Einem britischen Staatsangehörigen, der für eine Bank in Genf arbeiten sollte, war eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert worden. In Übereinstimmung mit seiner ständigen Rechtsprechung stellte das Bundesgericht fest, dass die von der Bundesversammlung genehmigten internationalen Verträge Teil des Bundesrechts werden und dass die mit ihnen geschaffenen Rechtsnormen für die Behörden verbindlich sind. Eine Person kann sich daher gegenüber der Verwaltung und den Gerichten auf einen Vertrag berufen, wenn dieser hinreichend genaue Rechtsnormen enthält. Obwohl das Diskriminierungsverbot in Artikel 16 Absatz 1 der EFTA-Konvention nur ein bedingtes Recht auf Arbeit einräumte, stellte das Bundesgericht fest, dass es jedem Mitgliedstaat eine Verpflichtung auferlegte, Personen aus anderen Mitgliedstaaten ein Recht auf Nichtdiskriminierung zu gewähren.

      II.Europäische Menschenrechtskonvention

      1.Grundzüge

      Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten wurde 1950 vom Europarat ins Leben gerufen und trat 1953 in Kraft. Der 1949 gegründete Europarat fördert die Menschenrechte, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit. Gründungsstaaten waren Belgien, Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Schweden. Der Europarat war der erste politische Zusammenschluss in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Konvention war durch die UNO-Menschenrechtserklärung von 1948 inspiriert. Sie sieht die Einrichtung eines gemeinsamen Gerichtshofs der Mitgliedstaaten, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte («EGMR»), vor. Die Schweiz war kein Gründungsmitglied des Europarates. Obwohl es die Werte der Vertragsstaaten im Wesentlichen teilte, zögerte das Land, die mit dem Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention einhergehende internationale Verrechtlichung des Menschenrechtsschutzes zu akzeptieren. Erst als sich herausstellte, dass die Aktivitäten des Rates eher unpolitisch und seine Konventionen für die Mitgliedstaaten nicht bindend sind, beschloss die Schweiz 1963, 14 Jahre nach der Gründung, den Beitritt. Der Bundesrat nutzte ein klassisches Argument, um die Mitgliedschaft im Europarat für die Öffentlichkeit verständlich zu machen: Er betonte, dass der Rat über keine supranationalen Entscheidungsstrukturen verfüge, so dass die Souveränität der Mitgliedstaaten unberührt bleibe. Ebenso hätten die Beschlüsse des Rates nur den Charakter von unverbindlichen Empfehlungen.

      Bis die Schweiz der Europäischen Menschenrechtskonvention beitrat, dauerte es noch einmal zehn Jahre. Das Übereinkommen ist für die Schweiz seit dem 28. November 1974 verbindlich. Mit diesem Schritt ging ein eher peinlicher Alleingang zu Ende. Der Politologe Dieter Freiburghaus von der Universität Lausanne hat eine weitere Funktion der

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