Das Schweizer EU-Komplott. Carl Baudenbacher

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher страница 10

Das Schweizer EU-Komplott - Carl Baudenbacher

Скачать книгу

an die EG-Kommission mit Informationen, die es der Kommission ermöglichten, das Unternehmen wegen Verstosses gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu sanktionieren. Das Verbot war in Artikel 82 EWGV niedergelegt (jetzt Artikel 102 AEUV). Die Kommission schützte ihren Whistleblower freilich nicht; sein Name wurde dem Unternehmen bekanntgegeben. 1974 wurde Adams an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien von den Schweizer Behörden verhaftet und 1975 von den Basler Gerichten wegen Wirtschaftsspionage zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und fünf Jahren Landesverweisung verurteilt. Seine Ehefrau, die man ebenfalls in Haft genommen und offenbar streng verhört hatte, beging in ihrer Zelle Suizid.

      Die strafrechtliche Abteilung des Bundesgerichts, der sog. Kassationshof, wies mit Urteil vom 3. Mai 1978 Adams‘ Argument zurück, dass die Wettbewerbsbestimmungen des FHA EWG-Schweiz die Anwendung des schweizerischen Strafrechts hinderten und stellte fest, diese Vorschriften könnten von einem Einzelnen nicht angerufen werden. Das Bundesgericht führte aus:

      «Das Freihandelsabkommen ist ein reines Handelsabkommen, das sich im wesentlichen auf die Regelung des industriellen Freihandels beschränkt […. Bei seiner Aushandlung wurde nicht nur eine Pflicht zur gegenseitigen Angleichung der gemeinschaftlichen und der schweizerischen Rechtsnormen bewusst ausgeschlossen […, sondern es wurden vielmehr die bestehenden Rechtsordnungen gegenseitig anerkannt und deren uneingeschränkte autonome Durchsetzung gutgeheissen […. Art. 23 FHA schafft sodann kein Verhaltensrecht für Private […; er stellt lediglich fest, welche Praktiken mit dem guten Funktionieren des Freihandelsabkommens unvereinbar seien, verbietet diese aber nicht, bezeichnet sie auch nicht als rechtswidrig und erklärt sie im Gegensatz zu [… [den Wettbewerbsvorschriften] des EG-Vertrages weder als nichtig noch sieht er Sanktionen vor; er ermächtigt die Vertragsparteien lediglich, gemäss den in Art. 27 FHA festgelegten Voraussetzungen und Verfahren geeignete Massnahmen zu treffen. Die Anwendung innerstaatlicher Rechtsnormen hat demnach nicht zurückzustehen, wenn die Wettbewerbsgrundsätze des Freihandelsabkommens beeinträchtigt werden. Ist Art. 23 FHA keine Verbotsnorm, so kann er auch nicht verletzt werden [….» (BGE 104 IV 175, Erw. 2. c.)

      Adams war damit der Zugang zur Justiz verwehrt. Mit diesem illiberalen Ansatz folgte das Bundesgericht der Meinung des Bundesrates, der kurz zuvor die unmittelbare Anwendbarkeit von Artikel 23 FHA abgelehnt hatte. Die Auffassung der EWG wurden nicht berücksichtigt. Stanley Adams ist einer der Fälle, in denen sich die Nähe des Bundesgerichts zur Politik fatal ausgewirkt hat.

      Im zweiten Fall, Omo, ging es um die Anwendung der Bestimmungen des FHA über den freien Warenverkehr (Artikel 13 und 20) im Zusammenhang mit Parallelimporten. Diesmal war die Erste Zivilabteilung des Bundesgerichts am Zug. Sunlight, eine Tochtergesellschaft der niederländischen Unilever-Gruppe, produzierte ein Waschmittel, das sie in der Schweiz unter der im Schweizer Markenregister eingetragen Marke «Omo» verkaufte. Im Juli 1976 stellte Sunlight fest, dass die Firma Bosshard Waschmittel mit der Marke «Omo» anbot, die sie von der deutschen Tochtergesellschaft von Unilever zu einem sehr niedrigen Preis erworben hatte. Sunlight klagte gegen Bosshard vor dem Handelsgericht Zürich mit dem Begehren, den Verkauf von Waschmittel aus Deutschland unter der Marke «Omo» zu verbieten. Das Handelsgericht entschied zugunsten der Klägerin. Bosshard rief das Bundesgericht an.

      Nach Artikel 24 litera c des (alten) Markenschutzgesetzes konnte zivilrechtlich belangt werden, wer Erzeugnisse oder Waren, von denen er wusste, dass sie mit einer nachgemachten, nachgeahmten oder rechtswidrig angebrachten Marke versehen waren, verkaufte, feilhielt oder in Verkehr brachte. Gemäss der geltenden Rechtsprechung konnte ein Schweizer Markeninhaber die Einfuhr von Waren, die in ein und demselben Unternehmen hergestellt wurden, allerdings nicht verbieten. Unter diesen Umständen konnte es keine Verwechslung geben, wenn Schweizer Konsumenten die Marke nicht nur mit der Schweizer Tochtergesellschaft, sondern auch mit einem Unternehmen desselben Konzerns identifizierten. Wenn wesentliche Unterschiede zu einer Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Herkunft der Waren führten, war der Markeninhaber jedoch berechtigt, die Einfuhr zu untersagen. Im vorliegenden Fall stellte das Bundesgericht in seinem Urteil vom 25. Januar 1979 solche Unterschiede fest. Die entsprechende Passage verdient es, wörtlich wiedergegeben zu werden.

      «Das OMO-Waschmittel der Klägerin unterscheidet sich zudem durch die beigemischten blauen Nadeln, das Parfum und seine textilschonende Wirkung namentlich von demjenigen der deutschen Firma. Bei solchen Unterschieden ist es den schweizerischen Abnehmern, wie die Vorinstanz insbesondere gestützt auf ein EMPA-Gutachten feststellt, nicht gleichgültig, ob sie OMO-Ware irgendeines Betriebes kaufen. Hausfrauen laufen beim Kauf von OMO-Packungen deutscher Herkunft vielmehr Gefahr, über die schonende Behandlung der Wäsche oder andere Eigenschaften des schweizerischen Erzeugnisses getäuscht zu werden.» (Erw. 2.b.)

      Woher das ausschliesslich mit Männern besetzte Gericht wusste, dass sich Schweizer Hausfrauen tatsächlich um solche Unterschiede kümmerten, blieb offen.

      Nach Artikel 13 FHA waren mengenmässige Einfuhrbeschränkungen bis zum 1. Januar 1973 und alle Massnahmen gleicher Wirkung bis zum 1. Januar 1975 aufzuheben. Nach Artikel 20 FHA sind Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen aber nicht ausgeschlossen, die unter anderem aus Gründen des Schutzes des «gewerblichen und kommerziellen Eigentums» gerechtfertigt sind. Der Ausdruck «gewerbliches und kommerzielles Eigentum» meint das geistige Eigentum, d. h. auch das Markenrecht. Solche Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen.

      Bosshard beantragte aufgrund dieser Bestimmungen Klageabweisung. Die Erste Zivilabteilung verwies jedoch auf den Präzedenzfall des Kassationshofs Stanley Adams und entschied am 25. Januar 1979:

      «Aus der Entstehungsgeschichte des FHA ist festzuhalten, dass dieses ein reines Handelsabkommen ist, das nicht wie der EWG-Vertrag einen einheitlichen Binnenmarkt mit überstaatlicher Wettbewerbsordnung, sondern bloss eine Freihandelszone schaffen will. Es beschränkt sich zudem im wesentlichen auf den industriellen Freihandel. Bei seiner Aushandlung wurde nicht nur eine Pflicht zur gegenseitigen Angleichung der gemeinschaftlichen und schweizerischen Rechtsnormen bewusst ausgeschlossen; die bestehenden Rechtsordnungen und deren uneingeschränkte autonome Durchsetzung wurden vielmehr gegenseitig vorbehalten […. Das Abkommen sieht auch kein Organ vor, das wie der Europäische Gerichtshof als Institution der EWG die unmittelbare Anwendbarkeit einzelner Normen für die Vertragsparteien verbindlich festlegen könnte. Es begnügt sich mit einem Gemischten Ausschuss, der für die ordnungsgemässe Erfüllung des Abkommens zu sorgen hat, aber nur Empfehlungen aussprechen kann (Art. 29 FHA).

      Diese Unterschiede sind auch bei der Auslegung einzelner Bestimmungen zu beachten, weshalb es entgegen den Einwänden der Beklagten nicht angeht, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zu analogen Bestimmungen des EWGV unbesehen zu übernehmen. Die Schweiz wird durch das Abkommen nicht gezwungen, ihre Wirtschaftspolitik und innere Gesetzgebung mit derjenigen der EWG zu harmonisieren, mag es auch nahe liegen, in konkreten Fällen für gleichartige Probleme ähnliche Lösungen wie die Nachbarstaaten anzustreben […; dies ändert jedoch nichts daran, dass der schweizerische Richter das Abkommen seinem handelspolitischen Charakter und Zweck entsprechend autonom auszulegen und anzuwenden hat. Staatsverträge sind zudem in erster Linie nach ihrem Text auszulegen. Ist dieser klar und seine Bedeutung, wie sie sich aus dem gewöhnlichen Sprachgebrauch sowie aus dem Gegenstand und Zweck des Vertrages ergibt, nicht offensichtlich sinnwidrig, so kommt eine andere Auslegung nur in Frage, wenn aus dem Zusammenhang oder aus der Entstehungsgeschichte mit Sicherheit auf eine vom Wortlaut abweichende Willenseinigung der Vertragsstaaten zu schliessen ist […].

      Art. 13 FHA ist nach seinem Wortlaut klar, und für eine davon abweichende Auslegung liegen keine Anhalte vor. Mit ‹Massnahmen gleicher Wirkung› können nur solche gemeint sein, welche die Wareneinfuhr unmittelbar betreffen. Einfuhrverbote oder -beschränkungen, die zum Schutze des gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind, werden in Art. 20 FHA ausdrücklich vorbehalten. Solche Vorbehalte

Скачать книгу