Sprachwitze. Robert Sedlaczek
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Graf Bobby steht vor der Abendkassa der Staatsoper: „Was wird denn heute gegeben?“ – „Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf der Wartburg“ – „Schlamperei“, sagt Graf Bobby, „jetzt könnte das Programm eigentlich schon feststehen.“ Verärgert geht er die Ringstraße entlang zum Burgtheater: „Was steht heute auf dem Programm?“ – „Was ihr wollt.“ – „Gut, dann spielen Sie die Klabriaspartie!“ (bei Muliar, S. 24–25, als Teil einer längeren jüdischen Anekdote; bei Böhm, S. 174, bis zur Zwischenpointe)
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Graf Bobby wird vom Heiligen Vater in Privataudienz empfangen. Er begrüßt ihn ehrfürchtig. Der Kardinalkammerherr deutet ihm hinter dem Rücken des Heiligen Vaters mit der ringbewehrten Rechten mehrmals den Handkuss. Bobby reagiert vorerst nicht. Dann aber geht es wie ein Leuchten über seine Züge: „Und fast hätt’ ich vergessen, Eure Heiligkeit – einen Handkuss an die gnädige Frau Gemahlin!“ (Bemmann, 1970, S. 130–132, 1973, S. 168–170)
In der ungarischen Reichshälfte spielte der Baron Mikosch eine vergleichbare Rolle. Da diese Figur nicht nur dumm war, sondern auch Deutsch mit ungarischem Einschlag sprach, hatten die Witze einen fremdenfeindlichen Anstrich, wenn sie in Österreich oder Deutschland erzählt wurden – wobei das Ungarische vom Deutschen so weit entfernt ist wie das Türkische. Die Sprachprobleme sind also verständlich.
Mikosch: Is sich dumme Sproch’, dos Daitsch; gibt’s do Worte, wo man konn dovor setzen jedden Artikel und haßt sich donn immer onders.
Deutscher: Lieber Baron, da werden Sie mir wohl den Beweis schuldig bleiben, das gibt es nicht.
Mikosch: Ober, bitt’ ich Ihnen, zum Baispül, sog’ ich: der Regent, is sich dos Monorch; sog’ ich ober: die Regent, is dos Monn mit Taktstock; und wenn ich soge: das Regent, werd’ ich noss und muss Regenschirm aufsponnen. (Arnheim, S. 19)
Baron-Mikosch-Witze wurden erstmals unter dem Titel Baron Mikosch, der ungarische Witzbold 1889 in Berlin publiziert. Die hier zitierten Witze sind einer Sammlung von J. C. Arnheim aus dem Jahr 1913 entnommen.
Mikosch ist angetrunken und erkundigt sich nachts um 1 Uhr auf der Straße nach der Zeit. Der Gefragte gibt ihm eine Ohrfeige und sagt: „Es hat eins geschlagen.“ „Teremtete“, sagt der Baron, sich die Wange reibend, „hob’ ich Glück gehobt in Unglück; wenn hätt’ ich ihn gefrogt vor einer Stund’, hätt’ er mir zwölf gegeben.“ (Arnheim, S. 12)
Der Baron Mikosch verwendet gerne das Fluchwort teremtete. Es ist gleichbedeutend mit „Zum Teufel!“. Morphologisch ist es ein Participium Passivum vom Verbum teremteni (= schaffen, herbeischaffen, hervorbringen), mit dem es aber den Zusammenhang schon verloren hat. Dagegen hat die ungarische Sprache von teremteni ein anderes Wort abgeleitet: teremtettezni (= fluchen). Dieser Baron-Mikosch-Witz ist die Abwandlung eines alten jüdischen Witzes mit der Pointe: „No, wenn er mich hätt’ um ä Stund früher gefragt, hätt’ ich zwölf Pätsch gekriegt.“ (Eisenbach, VI, S. 8–9)
Man spricht über Musiker und Mikosch sagt: „Geb’ ich nit viel auf olle haitige Pianisten, seit ich hob’ gehört Zweischock auf Klafünf.“ – „Sie irren sich, lieber Baron, Sie meinen wohl Dreyschock auf dem Klavier.“ – „Konn sich dos auch so sein; hob ich mir gemerkt, dass’s mocht zusommen sieben.“ (Arnheim, S. 18)
Alexander Dreyschock (1818–1869) war ein böhmischer Klaviervirtuose, der zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Pianisten galt. Im Übrigen gehört der Witz auch in die Kategorie der Mnemotechnikwitze (siehe S. 66).
Aber vielleicht war auch das ursprünglich gar kein Baron-Mikosch-Witz, sondern ein jüdischer Witz. Jan Meyerowitz hält diesen Witz sogar für „das erste große ‚Sujet‘ des jüdischen Witzes wie wir ihn kennen“. Als im 18. Jahrhundert die aufklärerische Bewegung Haskala entstand, die sich für eine kulturelle Annäherung in die christliche Mehrheitsgesellschaft einsetzte, wurde sie „von Gegnern wie auch von wohlwollend ironischen Anhängern in unzähligen Witzen lächerlich gemacht“. (Meyerowitz, S. 49)
Ein Jude kehrt von einer Reise nach Budapest, wo er den damals berühmten Pianisten Dreyschock gehört hat, in seine Kleinstadt zurück und erzählt stolz: „Ich bin gegangen ins Konzert – hab’ ich gehört Zweischock auf Klafünf.“ – „Du meinst Dreyschock auf Klavier.“ – „Ach, hab’ ich mir nur gemerkt: Macht zusammen siebene!“ (Meyerowitz, S. 49)
Weil wir gerade bei den Mnemotechnikwitzen sind, gleich noch einer mit dem Baron Mikosch als Hauptfigur:
Baron Mikosch kommt nach Wien und fragt einen Wiener: „Wo ist bittaschän Kupferplotz?“ Der Wiener überlegt: „Kupferplatz, nie gehört. Wir haben einen Stephansplatz, einen Michaelerplatz, einen Goetheplatz …“ – „Igen! Goetheplatz! Hob ich verwächselt Goethä mit Schillär, Schillär mit Lessing, Lässing mit Mässing und Mässing mit Kupfär.“ (vgl. Ott, S. 89)
Mikosch rückt ein war der Titel eines Kinofilms unter der Regie von Johann Alexander Hübler-Kahla. Die Besetzung der deutsch-ungarischen Produktion aus dem Jahr 1952 stand dem zuvor erwähnten Graf-Bobby-Kinofilm um nichts nach.
Die Graf-Bobby-Witze und die Baron-Mikosch-Witze hatten ein Pendant im deutschen Kaiserreich.
Major von Zitzewitz und Major von Bülow treffen sich im Casino.
Von Bülow: Wo waren Sie denn jestern Abend?
Von Zitzewitz: Jestern Abend … Theater jewesen!
Von Bülow: Und, was haben Sie jesehen?
Von Zitzewitz: Seltsame Sache! Stück von Schiller. Zivilist schießt auf Obst.
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Ein Offizierskollege zu Graf Zitzewitz: „Heute im Casino jewesen, Beethoven gespielt.“ Darauf Zizewitz: „Und, jewonnen?“
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Graf Zitzewitz zum Ober: „Bin heut Abend im Kasino, könnense mir nichen Witz erzählen?“ – „Sehr wohl Herr Graf.“ Der Ober nimmt drei Bohnen, legt sie auf den Tisch, nimmt dann eine Bohne und legt sie etwas zur Seite auf den Tisch. „Was ist das, Herr Graf?“ Zeigt auf die Bohne. – „Na, was solln des sein? Ne Bohne natürlich!“ – „Schauen Sie, Herr Graf …“ Er legt die Bohne zu den zwei anderen und dann wieder zur Seite: „Bohn apart, Bonapart.“ – „Famos, muss ich sofort im Casino erzählen, famos.“
Am Abend im Kasino. „Hören Se ma, Leutnant, hab’ da nen großartigen Witz jehört – Ober, nu bringense ma ne Handvoll Bohnen her.“ Der Ober bringt die Bohnen. Graf Zitzewitz legt den Großteil der Bohnen in die Tischmitte und einige wenige an den Rand. „Na, Leutnant, was is das?“ – „Das ist ein Teil der Bohnen.“ Zitzewitz: „Nee, mein Lieber, das ist Napoleon!“
Version 2
Der Ober bringt Erbsen, weil keine Bohnen vorhanden sind. (…) „Na, Leutnant, was is das?“ – „Ja, Herr Graf, würde sagen Erbsen.“ – „Aber nein, nein, is doch janz einfach: Napoleon!“
Das ist ein Zerlegungswitz, der Name Bonaparte wird zerteilt, wodurch ein annähernder Gleichklang mit „Bohne“ und „apart“ entsteht – Letzteres hier allerdings nicht mit der heute gängigen Hauptbedeutung: von eigenartigem Reiz, besonders reizvoll, geschmackvoll. Gemeint ist im Witz eine alte Bedeutung, die schon verblasst ist: einzeln, gesondert – im Wort Apartheid