Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch. Christoph Hülsmann

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Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann Orbis Romanicus

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entspricht dem hinsichtlich des common ground von Gesprächspartnern relevanten Teil des Satzes, der die Antwort auf explizite oder implizite Fragen darstellt. Den bzw. die komplementäre(n) Teil(e) zum Fokus wiederum bildet der Hintergrund.

      Alle weiteren Eigenschaften, die die informationsstrukturellen Einheiten darüber hinaus auf syntaktischer, semantischer sowie prosodischer Ebene aufweisen, werden – und das gilt auch für die empirische Analyse in Kapitel 5 – als reine Korrelate behandelt. Das folgende Kapitel 3 soll einen Überblick über das allgemeine Zusammenspiel zwischen der Informationsstruktur, der Prosodie und der Syntax geben, bevor in Kapitel 4 die einzelsprachlichen Eigenschaften zur Schnittstelle für das gesprochene Französische, Spanische und Italienische präsentiert werden.

      3 Das Zusammenspiel von Informationsstruktur, Syntax und Prosodie

      Heute herrscht in der Linguistik eine grundsätzliche Übereinstimmung darin, dass die Informationsstruktur mit der Syntax interagiert. Hartmann und Winkler (2013, 1) unterscheiden drei mögliche Zugänge zur Analyse der Schnittstelle:

      1 Theorien, in denen die informationsstrukturellen Kategorien als formale Features gesehen werden, die in der narrow syntax präsent sind und syntaktische Operationen triggern.1

      2 Theorien, in denen die Informationsstruktur einem eigenen Modul entspricht und Äußerungen als das Resultat eines Mapping zwischen verschiedenen Modulen verstanden werden.2

      3 Kognitive Theorien, nach denen die Informationsstruktur ein universales kognitives Mittel für die allgemeine Sprachproduktion und -verarbeitung darstellt.

      In der gesprochenen Sprache wird mittlerweile auch der Prosodie eine zentrale Rolle im Zusammenspiel der Ebenen zugesprochen. Ihre Relevanz hat bereits Weil (1844, 91–92) erkannt:

      L’ordre des mots, nous l’avons vu, est déterminé par la naissance et la liaison naturelle des idées; la dépendance grammaticale des parties de la proposition exerce sur cet ordre une grande influence; mais on ne parviendra pas, en partant de ces deux points de vue, à expliquer d’une manière suffisante tous les phénomènes qui, sous ce rapport, se présentent dans les langues […]. Il y a une autre cause déterminante […], l’accentuation.

      Zwei gegensätzliche Positionen werden von den Anhängern der funktionalen Grammatik und jenen der generativen Grammatik vertreten. Die Funktionalisten, die wie Chafe (1987) und Tomlin (1987) immer wieder Erkenntnisse aus der kognitiven Psychologie berücksichtigen, postulierten von Beginn an das Primat pragmatischer Aspekte. So teilen sie in ihren Ansätzen die Ansicht, dass die Syntax nicht nur mit anderen Domänen interagiert, sondern diesen zum Teil untergeordnet und damit nicht autonom ist. (cf. Bolkestein 1993, 341) Für Beneš (1968) etwa, einem Anhänger der Prager Schule, sind sowohl die syntaktischen als auch die prosodischen Eigenschaften von Sätzen in einer Äußerungssituation pragmatisch zu erklären:

      Contextual modification of word-order (plus other devices, such as intonation etc.) is a result of factors due to the process of communication itself, i.e., to the intention of the speaker, his relationship to the hearer, the regard to the situation and context and consequently also to the inclusion of individual sentences into utterances and complete discourses. (Beneš 1968, 270)

      Den Gegenpol zu dieser funktionalen Perspektive bildet die generative Grammatik, in der informationsstrukturelle und prosodische Aspekte lange Zeit als Störfaktoren gesehen und folglich weitestgehend ignoriert wurden. Nach und nach jedoch setzte sich auch in generativen Ansätzen die Vorstellung einer systematischen Interaktion zwischen der Syntax, der Informationsstruktur und der lautlichen Form von Sätzen durch. (cf. Jacobs 1992, 8–9) Die Kategorien Fokus und Topik werden heute als Bestandteil der Universalgrammatik (UG) und damit als Teil der genetischen Ausstattung von Menschen angesehen: „The linguistic level of F-structure in which both topic and focus are identified is […] a fundamental part of Universal Grammar […].“ (Erteschik-Shir 1999, 145) Der größte Unterschied zwischen den beiden Zugängen besteht für Szendrői (2010, 319) in der Methode zur Identifizierung von Fokus. Während in der generativen Grammatik eine automatisierte grammatische Regel angenommen wird, leitet man Fokus in pragmatischen Ansätzen von der Sprecherabsicht ab.3

      Die Fragen, wie die Interaktion der einzelnen sprachlichen Ebenen konkret stattfindet und welche Ebenen direkt oder nur indirekt miteinander in Verbindung stehen, werden weiterhin – auch innerhalb der jeweiligen theoretischen Ausrichtungen – kontrovers diskutiert. Dies illustrieren etwa die Beiträge des generativ orientierten Sammelbandes zum Interface zwischen Phonologie und Syntax von Erteschik-Shir und Rochman (2010): „Some of the papers position information structure strictly in the syntax […] whereas others view it as playing an instrumental role in the process of phonological linearization […] while others yet view it as having purely phonological effects.“ (Erteschik-Shir/Rochman 2010, 2)

      Eine definitive Klärung der Frage der Interaktion zwischen den verschiedenen Teilbereichen von Sprache kann angesichts dessen nicht der Anspruch des folgenden Kapitels sein. Vielmehr sollen die grundlegenden Positionen und damit verbundene problematische Aspekte skizziert werden. Kapitel 3.1 widmet sich zunächst der Schnittstelle zwischen der Informationsstruktur und der Syntax. In Kapitel 3.2 wird das Zusammenspiel von Informationsstruktur und Prosodie näher betrachtet.4 Kapitel 3.3 schließlich untersucht die Interaktion zwischen der Prosodie und der Syntax.

      3.1 Informationsstruktur und Syntax

      Die – in generativen Ansätzen auch heute noch gültige – Annahme, dass jede Sprache eine syntaktisch festgelegte Basiswortfolge aufweist, blieb in der Sprachwissenschaft lange Zeit unwidersprochen. Dieser syntaxzentrierte Ansatz wurde jedoch nur bedingt der Feststellung gerecht, dass es offensichtlich Sprachen gibt, in denen auch die Grundwortfolge1 in erster Linie pragmatische Aspekte wie die „relative newsworthiness within the discourse“ (Mithun 1987, 325) reflektiert.2 Li und Thompson (1976, 460) schlugen in diesem Zusammenhang eine Klassifikation von Sprachen in vier Basistypen vor.

      1 subjektprominente Sprachen (indoeuropäische Sprachen)

      2 topikprominente Sprachen (Chinesisch)

      3 sowohl subjekt- als auch topikprominente Sprachen (Japanisch)

      4 weder subjekt- noch topikprominente Sprachen (Tagalog)

      Während das Topik in topikprominenten Sprachen als eineindeutige ausdrucksseitige Entsprechung für die pragmatische topikale Relation angesehen wird und nicht von der Valenz des Verbs oder von semantischen Rollen abhängt, ist das Subjekt in subjektprominenten Sprachen „viel deutlicher in die Syntax eingebunden […] als das Topik“. (Sasse 1982, 268) Das initial auftretende Topik wurde in vielen Sprachen grammatikalisiert, das postprädikative Topik hingegen nur in wenigen. (cf. Primus 1993, 881) Syntaktisch basierte Sprachen weisen folglich eine relativ fixierte Wortstellung auf, wohingegen die Wortfolge pragmatisch basierter Sprachen eher flexibel ist.3 Dieser Umstand impliziert, dass nur in ersteren pragmatisch motivierte Verfahren der Umstellung stark markiert sind. (cf. Mithun 1987, 325)

      Aus der Beobachtung, dass es auch in vielen als syntaxorientiert geltenden Sprachen möglich ist, Konstituenten mit einem gewissen informationsstrukturellen Status in einer bestimmten syntaktischen Position zu realisieren, in der sie ansonsten in der Regel nicht vorkommen, wurde in der Folge geschlossen, dass die Strukturierung von Information einen Sprecher dazu bringen kann (oder ihn gar dazu zwingt), von der kanonischen Wortfolge abzuweichen.4 Wie weit verbreitet heute die Annahme eines Einflusses der Informationsstruktur auf die Syntax ist, zeigt die hohe Zahl an Beiträgen zu Phänomenen wie Topikalisierungen, Fokusbewegungen und scrambling.5 (cf. Fanselow 2008, 398)

      Die

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