Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch. Christoph Hülsmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann страница 22

Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann Orbis Romanicus

Скачать книгу

wird vor allem in Beispielen von Typ (33) deutlich, in denen der Fokus als auf die W-Frage antwortendes Element auch dann den Akzent trägt, wenn er auf eine bereits aktivierte Entität verweist. Zulässig ist an dieser Stelle die Frage, ob die Konstituente Mary in (33) den Akzent tatsächlich aufgrund ihres fokalen Status erhält oder ob die Kontrastivität, die durch die zuvor erfolgte explizite Nennung der Alternative Anne bedingt ist, dafür verantwortlich ist. Denn auch in den weiteren Beispielsätzen, die in der Literatur zu finden sind, weisen die akzentuierten gegebenen Fokuskonstituenten in der Regel einen kontrastiven Wert auf, wie etwa jene in (34).35

(33) en. Did you call Mary or Anne? – I called MAry. (Baumann 2006b, 89)
(34) en. John called Mary a Republican and then SHE insulted HIM. (cf. Baumann 2006a, 164)

      Festgehalten werden kann an dieser Stelle, dass offensichtlich folgende zwei Prinzipien hinsichtlich der Akzentuierung von Konstituenten konkurrieren:

      1 Fokus wird akzentuiert

      2 Gegebenes wird deakzentuiert36

      Bei Äußerungen mit weitem Fokus ergibt sich meist insofern keine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Prinzipien, als der Satz entweder ausschließlich aus neuen Konstituenten (all new-Satz) oder aus einer Kombination aus gegebenen und neuen Elementen besteht, sodass in letzterem Fall (eine) jene(r) Konstituente(n) akzentuiert werden kann, die nicht gegeben ist (sind). Sätze mit engem Fokus, in denen nur eine Fokuskonstituente zur Verfügung steht, sind dann „problematisch“, wenn diese Konstituente gleichzeitig gegeben ist. Dies ist offensichtlich vor allem in kontrastiven Kontexten zutreffend. Dass in diesen Fällen die Fokuskonstituente akzentuiert wird, kann durch die höhere Wertigkeit von Prinzip (i) gegenüber Prinzip (ii) erklärt werden.37 Andere Akzentuierungen in Äußerungen mit engem Fokus, wie etwa die Akzentuierung einer gegebenen Konstituente des Hintergrunds, würden nicht nur eines der Prinzipien, sondern beide verletzen. Dieser Ansicht ist auch Baumann (2006), dessen Erklärung für die Akzentuierung von Fokus wie folgt lautet:

      The main property of focus accents is that they can be assigned to virtually every constituent in an utterance irrespective of its degree of activation, since their assignment only depends on the intentions of the speaker. In other words, focus prosody ‚overrides‘ activation prosody. (Baumann 2006a, 164)

      Ungeachtet der Auswirkungen der (Nicht-)Gegebenheit auf die Akzentuierung von Konstituenten wird dementsprechend heutzutage bei Sprachen mit Pitch-Akzenten davon ausgegangen, dass diese tatsächlich auch zur Markierung von Topiks und Foki genutzt werden. (cf. Féry/Krifka 2008, 10) Vor allem die Verbindung zwischen Fokus und Nuklearakzent ist für viele Autoren, wie etwa für Dahl (1974, 2), eindeutig: „[…] I have so far not seen any language which would be an exception to the rule that the focus of a sentence is normally the carrier of the main sentential stress.“38

      Manche Autoren sprechen sich jedoch gegen die Annahme eines stabilen Zusammenhangs zwischen Fokus und (Satz-)Akzent aus.39 Féry und Krifka (2008) führen Beispielsätze an, in denen Fokus und Akzent nicht gemeinsam auftreten. Den Autoren zufolge betrifft das zum einen Sätze von Typ (35), in denen ein eigentlich obligatorisch akzentuierter (und fokaler) intensifier (herself) nicht akzentuiert wird, um die unmittelbare Abfolge zweier Akzente (en. stress clash) zu vermeiden. Eine fehlende Korrelation zwischen Akzent und Fokus postulieren die Autoren auch bei einem bereits vorerwähnten Fokus (en. second occurrence focus, SOF) wie jenem in (36). (cf. Féry/Krifka 2008, 9–10)

(35) en. Marie-Louise even grows RICE herself.
(36) en. (Everyone already knew that Mary only eats [vegetables]F.) If even [Paul]F knew that Mary only eats [vegetables]SOF, then he should have suggested a different restaurant. (Féry/Krifka 2008, 10)

      Beaver und Velleman (2011) hingegen stellen sehr wohl einen Akzent auf dem SOF fest. Die Nuklearakzente in (36) befinden sich ihnen zufolge auf Paul bzw. auf restaurant. Als bereits gegebener Fokus weist vegetables im Vergleich dazu einen sekundären Akzent auf. Diese Akzentuierung erklären die Autoren mit einem Punktesystem. Paul ist nicht nur neue, unvorhersehbare Information (1 Punkt), sondern auch kontrastiv (1 Punkt), während vegetables als alte und vorhersehbare Information „nur“ aufgrund der Präsenz der fokussensitiven Partikel only von Relevanz für eine prosodische Markierung ist (1 Punkt). Da sich beide Konstituenten innerhalb ein- und derselben Intonationsphrase befinden, konkurrieren sie um die Akzentuierung. Paul setzt sich mit 2 Punkten gegen vegetables (1 Punkt) durch. (cf. Beaver/Velleman 2011, 1675) Auch beim SOF kann demnach die Nicht-Realisierung des Satzakzents unter anderem durch den Einfluss der Gegebenheit erklärt werden.40

      Zweifellos sind die beiden Beispiele (35) und (36) wegen der Präsenz von fokussensitiven Operatoren (even, only) bzw. eines intensifier (herself) als Spezialfälle zu werten, die einer eigenen, eingehenderen Analyse bedürfen. Für Féry (2010a, 12) liefern die Sätze dennoch ausreichende Evidenz gegen eine „enge und notwendige Verbindung zwischen Fokus und Akzent oder Topik und Akzent“. Die Autorin sieht andere, vor allem syntaktische Kriterien als ausschlaggebend für die Akzentuierung an.

      Die Frage, inwieweit tatsächlich von einer (direkten) Verbindung zwischen der Prosodie und der Syntax ausgegangen werden kann, soll im nächsten Kapitel diskutiert werden.

      3.3 Prosodie und Syntax

      Die Ansicht, dass Syntax und Prosodie interagieren, wird nicht von allen geteilt. Für eine generelle Separation der beiden Ebenen tritt etwa Bolinger (1972, 644) ein: „Whether one tries to set up prosodic rules for syntax or syntactic rules for prosody, the result is the same: two domains are confused which should be kept apart.“ Explizit verneint der Autor einen möglichen Einfluss der Syntax auf die Akzentuierung: „The distribution of sentence accents is not determined by syntactic structure but by semantic and emotional highlighting.“ (Bolinger 1972, 644)

      Die Annahme einer direkten Interaktion zwischen der Syntax und der Prosodie ist unter anderem auf die Wortstellungstypologie zurückzuführen, die Sprachen je nach Abfolge des Subjekts und des Verbs in zwei Gruppen einteilt (cf. Harlig/Bardovi-Harlig 1988, 129):

       Typ A: S vor V, mit den Subtypen A1: SVO und A2: SOV

       Typ B: V vor S

      Das grundlegende Kriterium, auf dem diese Klassifikation basiert, ist in der Regel die Frequenz der syntaktischen Muster.1 (cf. Dryer 1995, 105) Als syntaktisch unmarkierter Satztyp gilt dementsprechend ein aktiver affirmativer Deklarativsatz.2 (cf. Givón 1979, 87) In weiterer Folge wurde versucht, einen Zusammenhang zwischen der Abfolge der Konstituenten im Satz und den jeweiligen Akzentuierungsmustern der Sprachen herzustellen. (cf. Harlig/Bardovi-Harlig 1988, 130) Dezső (1978, 6) etwa brachte SVO-Sprachen mit postverbalem stress und SOV-Sprachen mit präverbalem stress in Verbindung. Daraus resultierte schnell die Einschätzung, es handle sich weniger um reine Korrelationen als vielmehr um einen kausalen Zusammenhang, wonach die Position des Akzents durch die Wortstellung bedingt sei. Das kann jedoch alleine schon deshalb nicht der Fall sein, da Sprachen existieren, die zwei verschiedene unmarkierte Abfolgen (en. split word order), aber nur ein Akzentuierungsmuster aufweisen. So zeichnet sich etwa das Ungarische durch präverbalen stress bei beiden Basisabfolgen SOV und SVO aus.3 (cf. Harlig/Bardovi-Harlig 1988, 142)

      Ein Durchbruch in der Analyse des Zusammenspiels der beiden Ebenen ist für viele durch die Erkenntnis gelungen, auf welche

Скачать книгу