Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch. Christoph Hülsmann

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Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann Orbis Romanicus

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Status von semi-aktiven Elementen ist für Chafe folgendermaßen zu erklären. Einerseits können diese Konzepte zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktiv gewesen sein, diesen Status aber verloren haben, da Konzepte grundsätzlich nicht lange im Bewusstsein aktiv bleiben. Anstatt jedoch sofort inaktiv zu werden, bleiben sie über einen gewissen Zeitraum halbaktiv. Andererseits kann es sich um Elemente handeln, die, so Chafe (1987, 29), Teil eines „set of expectations associated with a schema“ sind. Wird ein Schema evoziert, treten manche oder alle Erwartungen, die das Schema betreffen, in das semi-aktive Bewusstsein des Sprechers, wo sie zugänglicher sind als inaktive Elemente. Als Beispiel nennt Chafe das Schema class, durch dessen Nennung Elemente wie students, instructor, classroom, teaching assistants etc. halbaktiviert werden. (cf. Chafe 1987, 29) In Anlehnung an Chafe ergänzt Lambrecht (1994, 99) weitere semi-aktive Elemente. So zählen für ihn auch jene Entitäten zu dieser Kategorie, die in der textexternen Welt der Gesprächspartner präsent und dadurch leicht zugänglich sind, wie etwa Gegenstände im Raum, in dem die Äußerung realisiert wird.

      Werden inaktive Elemente aktiviert, kann von neuer Information gesprochen werden. Aus kognitiver Sicht hält Chafe (1987) diesen Prozess für relativ anspruchsvoll. Er erfordere unmittelbar vor der Äußerung seitens des Sprechers dementsprechend eine gewisse Zeit, was sich, so Chafe, in Form einer Pause manifestiert. Der Autor geht noch einen Schritt weiter und formuliert die Hypothese, dass ein Sprecher pro realisierter Intonationseinheit nur ein zuvor inaktives Element aktivieren kann. Diese Beschränkung bezeichnet er als one new concept at a time constraint.11 (cf. Chafe 1987, 31–32) Dass Sprecher als prototypisch geltende Sätze wie (8) realisieren, in denen alle Konstituenten neue Information kodieren, ist in der Tat deutlich seltener der Fall als man generell versucht ist anzunehmen. Vielmehr ist die Tendenz festzustellen, dass neue und nicht neue Information in Sätzen kombiniert wird.12 (cf. Downing 1995, 12)

(8) en. A farmer kills a duckling. (Downing 1995, 12)

      Der Grund dafür liegt sehr wahrscheinlich in der mentalen Verarbeitung des Menschen, der größere Mengen an neuer Information nicht auf einmal bewältigen kann. (cf. Downing 1995, 13) Dem schließt sich auch Molnár (1991, 4) an:

      Dadurch, dass die Hinzufügung von neuen Wissenselementen schrittweise auf dem Weg über etwas Bekanntes, bereits Etabliertes erfolgt, wird die Aufnahmefähigkeit des Adressaten nicht überstrapaziert, und der Zusammenbruch der Kommunikation wird vermieden.

      Chafe (1976, 28) spricht in diesem Zusammenhang von packaging, um hervorzuheben, dass sich Sprecher eigens – und zwar im ersten Schritt – mit dem „Wie“ einer Mitteilung befassen müssen, bevor sie sich der Mitteilung selbst, also der Inhaltsseite, widmen können. Im Idealfall sind laut Chafe die Elemente der Äußerung für den Sprecher unmittelbar vor der Realisierung der entsprechenden Intonationseinheiten aktiviert. Gleichzeitig hat der Sprecher auch eingeschätzt, welche Konzepte für den Hörer bereits aktiviert sind. Das Resultat dieses Prozesses kann in der konkreten Realisierung der Äußerung beobachtet werden. (cf. Chafe 1987, 26)

      Wie Wehr (2000, 247) zu Recht kritisch anmerkt, vernachlässigt Chafe in seinen früheren Beiträgen die Möglichkeit, dass ein Sprecher im Zuge einer Äußerung auch Konzepte versprachlichen kann, die für den Hörer nicht nur auf der Bewusstseins-, sondern auch auf der Wissensebene neu sind. Um den Unterschied zwischen dieser beiden Ebenen zu illustrieren, kann Beispielsatz (9) herangezogen werden. In diesem Satz ist der Referent von Larry beiden Gesprächspartnern insofern vertraut, als sie von der Existenz dieser (spezifischen) Person wissen und daher in der Lage sind, den konkreten, individuellen Referenten der Konstituente zu identifizieren. Im Bewusstsein des Hörers aktiviert wird der Referent jedoch erst durch die Realisierung im Diskurs. (cf. Chafe 1994, 72)

(9) en. I talked to Larry last night. (Chafe 1994, 72)

      Während Konzepte durch ihre Versprachlichung im Diskurs also ein Teil des temporären Registers von Sprechern werden, ist Wehr zufolge zusätzlich ein permanentes Register von Sprechern anzunehmen, das einerseits Weltwissen umfasst, wie etwa die Konzepte „die Sonne“, „Ludwig der XIV.“ oder „Wale“, andererseits aber auch Konzepte, die den unmittelbaren Lebensbereich der jeweiligen Personen betreffen („die Katze“, „Fritz“, etc.). Diese müsse ein Sprecher nicht explizit in den Diskurs einführen, da er davon ausgehen kann, dass der Gesprächspartner sie jederzeit präsent hat.13 (cf. Wehr 1984, 6–8) Nach der Terminologie von Ewert-Kling (2011, 81) sind diese Elemente identifizierbar [+IDENT], im Gegensatz zu nicht identifizierbaren Konzepten [-IDENT]. Prince (1992) spricht in diesem Zusammenhang von hearer-old bzw. hearer-new entities, um sich auf das Wissen zu beziehen, und von discourse-old bzw. discourse-new entities auf der Ebene des Bewusstseins. Während discourse-old hearer-old zur Folge habe („since hearers are expected to remember what they have been told“; Prince 1992, 303), können discourse-new entities entweder hearer-old oder hearer-new sein. (cf. ibid) Dem schließt sich auch Ewert-Kling an, die sich mit der Kategorie [±NEU] auf die (Nicht-)Nennung von Konzepten im Diskurs bezieht. Für sie sind die Kombinationen [+IDENT] und [±NEU] sowie [-IDENT] und [+NEU] möglich. „La combinaison des paramètres [-IDENT] et [-NOUV] est, par contre, impossible, car une entité mentionnée dans le discours précédent est toujours identifiable.“14 (Ewert-Kling 2011, 81)

      Ein Ansatz, der für die Klassifikation von Information sowohl die Ebene des Bewusstseins als auch die des Wissens berücksichtigt, ist jener von Prince (1981). In ihrem (vielzitierten) Modell differenziert die Autorin drei Arten von Gegebenheit. Erstere nennt sie predictability bzw. recoverability. Hier geht der Sprecher im Zuge seiner Äußerung davon aus, dass der Hörer vorhersagen kann (oder vorhersagen hätte können), dass ein konkretes sprachliches Element innerhalb eines Satzes in einer bestimmten Position auftauchen wird. (cf. Prince 1981, 226) In Beispiel (10) betrifft dies das deiktische Subjektpronomen you, das der Hörer kontextuell erschließen kann und das vom Sprecher nicht realisiert werden muss.

(10) en. Ø Wanna fight? (Prince 1981, 232)

      Die zweite Art von Gegebenheit, die der (ursprünglichen) Unterscheidung von Chafe in given und new entspricht, nennt Prince saliency. In diesem Fall nimmt der Sprecher an, dass der Hörer bei der Realisierung einer Konstituente eine konkrete Entität in seinem Bewusstsein hat, wie etwa beim Personalpronomen he, das in (11) auf eine sich im Umfeld der Gesprächspartner befindende Person verweist. (cf. Prince 1981, 228)

(11) en. (A to B as C walks by, in view and out of earshot) He’s going to Austria. (Prince 1981, 232)

      Die dritte Form von Gegebenheit, jene des shared knowledge, bezieht sich auf das Wissen von Sprechern. Auf dieser Ebene geht der Sprecher davon aus, dass der Hörer etwas weiß, annimmt oder inferieren kann, aber nicht notwendigerweise auch gerade daran denkt. In Satz (12), der von einer Person produziert wird, die ihre Präsenz ankündigt, betrifft dies das Personalpronomen I, anhand dessen der Hörer auf die Identität des Sprechers schließen kann. (cf. Prince 1981, 230)

(12) en. Hi, I’m home. (Prince 1981, 232)

      Prince verweist in ihrem Beitrag darauf, dass sowohl der Terminus shared knowledge als auch jener der Gegebenheit insofern problematisch sind, als es sich dabei im Grunde genommen – wie von Chafe beschrieben – lediglich um seitens des Sprechers angenommenes oder vermutetes Wissen (bzw. Gegebenheit) handelt. Als präzisere Alternative schlägt die Autorin daher den Begriff der assumed familiarity vor.15 (cf. Prince 1981, 232–233) Die drei Arten der Gegebenheit hängen für

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