Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch. Christoph Hülsmann

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Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch - Christoph Hülsmann Orbis Romanicus

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von Lambrechts Modell den oben angeführten Satz (31), zeigt sich, dass hier zwar neue Information eingeführt wird, diese aber verankert und damit als Topik akzeptabler als die nicht verankerte Konstituente in (32) ist. Der Vergleich der beiden Sätze legt nahe, dass die Akzeptabilität von Topiks auch mit der diamesischen Variation von Sprache und den jeweiligen Textsorten in Zusammenhang steht. So ist Satz (32) der (sehr spezifischen) Textsorte Märchen entnommen, in der Lambrechts Maxime nicht zwingend Geltung hat, sodass der Satz als völlig unproblematisch und – innerhalb der Textsorte – als durchaus unmarkiert angesehen werden kann.18 In spontaner (Nähe-)Sprache kommen derartige all-new-Sätze jedoch, wie bereits in Kapitel 2.2 thematisiert wurde, deutlich seltener vor.19 (cf. Downing 1995, 12 und Féry 1993, 29) Dass im Falle einer Realisierung oft – wie auch in (34) – eine zusätzliche Topikalisierung in Form einer Linksdislokation erfolgt, könnte u.a. darin begründet liegen, dass dem Hörer so die Dekodierung erleichtert wird, da er durch die pronominale Wiederaufnahme des Topiks und durch die Pausen, die im Zuge dieser Konstruktionen auftreten können, über mehr Zeit zur kognitiven Verarbeitung des neuen Topiks verfügt.

      Neben der Referenzialität, der Belebtheit, der Identifizierbarkeit und der Gegebenheit werden in der Literatur noch weitere Kriterien als mögliche Voraussetzungen für Topiks genannt. So wurde versucht, das Topik syntaktisch-linear als das erste Element des Satzes, grammatisch als das Subjekt und phonetisch als nicht akzentuiertes Element zu definieren. (cf. Reinhart 1981, 56) Nach Hallidays Definition des Themas als „what comes first in the clause“ (Halliday 1967b, 212) müssten jedoch, wie Gundel (1988a, 27) anhand der Beispielsätze (36)–(40) zeigt, höchst diverse Elemente wie Objekt- und Interrogativpronomen, Auxiliare, Adverbien und Verben als Thema bzw. Topik interpretiert werden.

(36) en. Him I like.
(37) en. Did he call?
(38) en. Who called?
(39) en. Perhaps John won’t come.
(40) en. Close the door. (Gundel 1988a, 27)

      Adäquater wäre es, das Topik als die sich am weitesten links befindende Nominalphrase zu definieren, auch wenn selbst dies nicht immer zutrifft, da Topiks – so Gundel (1988a, 33–35) – problemlos auch postverbal sowie als Nicht-Subjekte, wie zum Beispiel in (41), auftreten können.

(41) en. What about the proposal? – Archie REJECTED it/the proposal. (Gundel 1988a, 35)

      Eine relativ einfache Erklärung für die Initialstellung von Topiks findet sich im Beitrag von Primus (1993, 886): „[T]opics are simpler to conceive of first because they are less complex than predications.“ Mit Komplexität meint Primus in erster Linie das syntaktische „Gewicht“, d.h. die Länge von Topiks, die in der Regel geringer ist als jene des Kommentars. (cf. ibid.) Für Musan (2010) hingegen hängt die Initialstellung von Topiks im Deutschen mit der Tatsache zusammen, dass in dieser Sprache auch Subjekte bevorzugt satzinitial stehen. Ebenfalls von Bedeutung seien die meist zentralen semantischen Rollen von Topiks. (cf. Musan 2010, 32) So wurde gezeigt, dass Topiks oft – wenn auch nicht zwingend – Agens oder Experiencer sind, welche ebenfalls vorzugsweise in satzinitialer Position realisiert werden. (cf. Primus 1993, 886) Auch Givón (1976) führt in seiner topicality hierarchy, in der er jene Eigenschaften auflistet, aufgrund derer eine Nominalphrase tendenziell eine topikale Rolle übernimmt, die semantischen Rollen der Konstituenten an.

      Abb. 5: Topicality hierarchy (Givón 1976, 152/160)

      Für Brunetti (2011) werden agentive Argumente meist als Subjekte kodiert. Die Verbindung zwischen Subjekt und Topik ist für sie nur eine indirekte.

      [L]a sélection du sujet comme AGENT dépend des propriétés lexicales du verbe. Par contre, la sélection du topique AGENT se produit au niveau de l’énoncé: un topique est souvent l’agent de la phrase parce que le locuteur généralement préfère parler de l’AGENT […] le chevauchement de sujet et topique est donc ‚accidentel‘, et ne se produit que quand les règles de sélection des arguments verbaux et les facteurs cognitifs qui déterminent la sélection du topique mènent au même argument. (Brunetti 2011, 11)

      Aus Sicht von Li und Thompson (1976, 484) sind Subjekte wiederum nichts anderes als grammatikalisierte Topiks.20 Und als diese werden sie für Wehr (1984, 12) auch deswegen bevorzugt initial realisiert, um an das zuvor Gesagte anzuknüpfen.

      Dass Topiks nur im konkreten Kontext zu bestimmen sind, illustriert Reinhart (1981) anhand des Beispielsatzes (42). Ohne genauere diskursive und kontextuelle Einbettung würde sich auch bei diesem für das Englische prototypischen Satz mit der Abfolge SVO die Frage stellen, welche der zwei Nominalphrasen als Topik fungiert, teilt der Satz dem Adressaten doch Informationen über beide erwähnte Personen mit. Die Schwierigkeit der Topikidentifikation führt in der Literatur oft dazu, dass versucht wird durch die Angabe eines passenden Ko(n)texts – meist in Form von vorausgehenden Fragen – das Topik der Antwort schon im Voraus festzulegen. Ist der Satz (42) die Antwort auf die Frage (43), wird nach dem aboutness-Kriterium Max zum Satztopik. Wird der Satz hingegen als Replik auf die Frage (44) realisiert, ist die Konstituente Rosa, die weder in der satzinitialen Position steht, noch die grammatische Funktion des Subjekts innehat, als Topik zu analysieren. (cf. Reinhart 1981, 56–57)

(42) en. Max saw Rosa yesterday.
(43) en. Who did Max see yesterday?
(44) en. Has anybody seen Rosa yesterday? (Reinhart 1981, 56)

      Damit scheiden die beiden Versuche, das Topik syntaktisch oder grammatisch zu definieren, endgültig aus. Zwar ist das Topik in (42) in keinen der beiden Fälle akzentuiert, jedoch ist dies vielmehr eine Beobachtung über die mögliche (Nicht-)Markierung von Topiks als ein tatsächlich valides Definitionskriterium.21

      Für die Topikdefinition bleibt somit auch weiterhin in erster Linie das oft als zu unpräzise erachtete diskurspragmatische Kriterium der aboutness relevant. Die fehlende terminologische Präzision von Topik wird auch von Klein (2012, 107) problematisiert: „I do not think, incidentally, that an aboutness definition of topic-hood is meaningless; but it is very difficult to make it so precise that it discriminates between what one feels is the topic and between other elements of a sentence.“22

      Eine weitere Konsequenz der Definitionsproblematik besteht darin, dass auch die Frage nach der Anzahl an potenziellen Topiks pro Äußerung relativ kontrovers diskutiert wird. In einem passenden Kontext, wie jenem in (45), können offensichtlich auch mehrere Topiks (Max, Moritz) auftreten. (cf. Musan 2010, 30) Andererseits werden kognitive Beschränkungen angenommen, da davon ausgegangen wird, dass Menschen ihre Aufmerksamkeit nicht auf mehrere Entitäten bündeln und gleichzeitig über diese sprechen können. Vermutet wird, dass zumindest zwei Topiks möglich sind, die nach dem Grad ihrer Salienz gegebenenfalls als primäres bzw. sekundäres Topik klassifiziert werden können. (cf. Dalrymple/Nikolaeva 2011, 53–54)

(45) dt. Ich erzähl dir was über Max und Moritz: Max hat Moritz beim Schachspielen geschlagen. (Musan 2010, 30)

      Um die problematischen

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