Antisemitismus. Achim Bühl

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Antisemitismus - Achim Bühl marixwissen

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nationalsozialistische Propaganda nutzte dabei die phonetische Ähnlichkeit zwischen dem Namen des Jünger Jesu und der Bezeichnung „Jude“ und instrumentalisierte den Sachverhalt, dass der hebräische Name Jehuda in seiner gräzisierten Form Juda lautet, womit einer der zwölf Stämme Israels sowie das in den judäischen Bergen um Jerusalem gelegene historische Südreich bezeichnet wird. Im Dezember 1939 lautete die Überschrift des Stürmer: „Das Ende Judas“.

       1.14Zusammenfassung

      In historischen wie soziologischen Werken zur Judenfeindschaft wird die Bedeutung der Antike für die Entstehung und Genese des Antisemitismus weitgehend unterschätzt, was der Sachverhalt offenbart, dass diese zumeist gänzlich ausgeklammert bleibt oder ihr nur wenige Zeilen gewidmet werden. Deutlich wird dies am verfehlten dichotomen Konstrukt eines „Antijudaismus“ versus eines „Antisemitismus“, insofern diese Dualität verkennt, dass bereits in der Antike ein Ensemble an Wirkungsfaktoren höchst dynamisch ineinandergriff und die Beweggründe der Judenfeinde keineswegs stets religiöser Natur waren. Diesen Sachverhalt verdeutlicht der Pogrom von Alexandria, der bereits „moderne Züge“ vorwegnahm, insofern es primär darum ging, die soziale Gleichstellung der Juden als vollberechtigte alexandrinische Bürger zu verhindern. Die Promotoren des antijüdischen Pogroms von Alexandria erinnern bereits an den Kreis der Gegner der jüdischen Emanzipation in der „Franzosenzeit“, die sich zu Beginn des 19. Jh.s in Preußen in der Deutschen Tischgesellschaft zusammenfanden, insofern es in beiden Fällen darum ging, den Juden ihre staatsbürgerliche Gleichberechtigung streitig zu machen.

      In der Antike spielten sowohl religiöse wie kulturelle, soziale und politische Faktoren eine relevante Rolle beim Zustandekommen der Judenfeindschaft. Zu unterscheiden ist zwischen dem vorchristlich-antiken sowie dem christlichen Antisemitismus. Die Relevanz des „heidnischen Antisemitismus“ für die Entstehung christlich-antijüdischer Stereotype wird häufig unterbewertet, zeigt sich indes bereits anhand des Judenexkurses des Historiographen Tacitus, dessen antijüdische Diffamierungen seitens der christlichen Kirchenväter weitgehend übernommen wurden. Der christliche Antisemitismus etablierte sich in dem Maße, wie sich das Christentum nicht mehr als Teil des Judentums verstand, sondern eine eigene sich abgrenzende Identität entwickelte. Dieser Prozess setzte mit Paulus von Tarsus ein, der sich als äußerst erfolgreicher Missionar auf die sog. „Heidenmission“ konzentrierte. Als einer der ersten christlichen Theologen forcierte er die Trennung des Christentums vom Judentum, indem er die jüdischen Speisegesetze sowie die Beschneidung für „Heidenchristen“ als obsolet betrachtete. Paulus von Tarsus verbreitete das kriminalisierende Pejorativum vom Gottesmord in der Variante einer Kollektivschuldaussage, welche „die Juden“ für die Kreuzigung Christi verantwortlich machte. Der Judenhass erhielt so sukzessiven Eingang u. a. in den noch jungen Gemeinden Kleinasiens. Der sich zwischen 70 und 100 n. Chr. verstetigende Prozess der Trennung, der bereits mit deutlichen antijüdischen Ressentiments versehen war, verstärkte sich noch im Kontext der Etablierung des Christentums als Staatsreligion des Römischen Reiches im 4. Jh. Das 4. Jh. n. Chr. stellt einen ersten Höhepunkt des christlichen Antisemitismus dar, was diverse Schriften der Kirchenväter des 4. Jh.s offenbaren wie bspw. Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo, Eusebius von Cesarea und Johannes Chrysostomos.

      2DER ANTISEMITISMUS IM MITTELALTER

      Das Mittelalter umfasst die Zeit vom ausgehenden 5. Jh. bis zum Ende des 15. Jh.s. Während die Position der Juden trotz des „Gottesmordvorwurfs“ anfangs weitgehend von Duldung geprägt war, verschlechterte sich ihre Lage im weiteren Verlauf zusehends. Hierfür waren fünf Gründe ausschlaggebend. Erstens: Mit der Herausbildung des feudalen Lehnswesens durften Juden keinen Grundbesitz mehr erwerben, da sie keinen christlichen Treueid auf einen Lehnsherrn ablegen konnten. Der Ausschluss vom feudalen Lehnswesen bedeutete zugleich die weitgehende Exklusion der Juden von der politischen Teilhabe an der mittelalterlichen Gesellschaft. Zweitens: Mit der Etablierung des christlichen Zunftwesens sowie der christlichen Gilden blieb den Juden, denen die Aufnahme verwehrt war, nur noch die Möglichkeit der Führung einer städtischen Randexistenz oder die Übernahme von geächteten Berufen, die christliche Konkurrenten verschmähten. Drittens: Im Kontext der Kreuzzugsbewegung wurden die Juden zur Verkörperung des innen- wie außenpolitischen Feindes und sahen sich vielfältigen pogromartigen Übergriffen ausgesetzt, die vielerorts ganze Gemeinden vernichteten. Viertens: Das 14. Jh. und die in Europa wütende Pest führte zu einer tiefen Verunsicherung der Bevölkerung, deren christlicher Teil die Juden als „Sündenbock“ für die Krisenzeit verantwortlich machte, wodurch es zu schweren Verfolgungswellen kam. Fünftens: Die religiöse Umstrukturierung des Christentums, in dem sich im Kontext der Eucharistie bzw. der Transsubstantiationslehre immer mehr mystische Elemente verankerten, veränderte die Haltung der christlichen Gesellschaft zu den Juden, die sich in einer zunehmend von Reliquienverehrung und apokalyptischer Erwartung geprägten Zeit mit der „Blutbeschuldigung“ in Gestalt der Ritualmordlegende, Vorwürfen der Hostienschändung sowie Verschwörungstheorien konfrontiert sahen, die ihnen die Absicht unterstellten, Christen ermorden bzw. vergiften zu wollen, um die Herrschaft über christliche Länder an sich zu reißen.

       2.1Die christlich-feudale Ständegesellschaft

      Die Position der Juden in der frühmittelalterlichen Gesellschaft resultierte aus der vom Kirchenlehrer Augustinus (354–430 n. Chr.) entwickelten „Judentheologie“. Die Existenzberechtigung der Juden sowie die Anerkennung des Judentums als zugelassener Religion folgte aus der Sichtweise, dass deren Anwesenheit erforderlich sei, um die Christusprophezeiungen des Alten Testaments zu beglaubigen. Bei Augustinus stellen die Juden »unfreiwillige Zeugen« von der Wahrhaftigkeit der christlichen Botschaft dar. Die Existenz der Juden galt es zu bewahren, da erst das apokalyptische Gericht darüber zu entscheiden habe, was mit ihnen geschehen solle. Diese Sichtweise ging mit der Vorstellung einher, ein Großteil der Juden werde sich in der Endzeit zu Christus bekennen, während der andere Teil sich mit dem Antichristen verbünden und gegen die Christenheit kämpfen werde, die in den Schlachten der Apokalypse obsiegt. Die Aufgabe der mit Blindheit geschlagenen Juden bestehe im Diesseits darin, den Christen zu Diensten zu sein, ihnen die heiligen Bücher zu tragen, deren Botschaft sie sträflich missachteten. Die „christliche Toleranz“ gründete so aus dem Zusammenspiel von Dienstbarkeit, Zeugenschaft zugunsten der Kirche sowie der funktionalen Rolle der Juden im chiliastischen Endzeit-Szenario. Insofern Gott die Juden für ihre Bekehrung am Jüngsten Tag vorgesehen habe, sei es folglich eine Sünde sie zu töten. Die Duldung der Juden war gekoppelt an die christliche Heilsgeschichte bzw. an die göttliche Vorherbestimmung. Die dergestalt lediglich tolerierten Juden verfügten als religiöse Minderheit über gewisse Sonderrechte seitens der politischen wie der religiösen Obrigkeit.

      Die strukturellen Elemente des Antisemitismus waren im Status der Juden als sozialer wie religiöser Randgruppe angelegt, die im Spannungsverhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit lebte und deren Position von der Stärke der politischen Zentralgewalt abhängig war, die sie ihrerseits jederzeit ausweisen konnte, wenn dies aus pekuniären Interessen dem Herrscher für opportun erschien. Die germanischen Nachfolgestaaten, die sich auf dem Boden des ehemaligen Römischen Reiches bildeten, duldeten die Juden auf Basis des weiterhin gültigen Codex Theodosianus. Unter Papst Gregor I. (540–604 n. Chr.) avancierte die augustinische „Judentheologie“ zur offiziellen Position der Kirche. Zwar betrachtete der Papst die Judenmission als eines seiner Hauptanliegen, die Ausübung der jüdischen Religion blieb jedoch nicht nur geschützt, auch Zwangstaufen sowie die Enteignung von Synagogen wurden verboten. Im Unterschied zur Gehässigkeit der Adversus-Judaeus Texte propagierte Gregor I. das bei Augustinus angelegte Konzept der Endzeiterwartung. Für Gregor I. resultierte die Behandlung der Juden aus dem Sachverhalt, dass Gott sie bereits durch die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und durch ihre Zerstreuung bestraft habe.

      Im

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