Antisemitismus. Achim Bühl

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Antisemitismus - Achim Bühl marixwissen

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Alexandria (295–373 n. Chr.) erweiterte den Topos des Christusmordes, insofern diejenigen, die Christus schmähten, auch gegen Gottvater kämpften. Die »Leugnung Christi« stelle eine Form von Gottlosigkeit der Juden dar. Für Athanasius waren die Juden die »schlimmsten Kirchenschänder« gleich hinter den die Trinitätslehre ablehnenden Arianern. Der Erzbischof von Caesarea, Basilius der Große (330–379 n. Chr.), bezeichnete die Juden als »Fürsten Sodoms«, deren Hände durch die Ermordung des Gottmenschen befleckt seien. Ihre Schuld sei untilgbar und werde auf die kommenden Generationen vererbt. Das Judentum sei ein Feind des Christentums, ihre Synagogen seien »Orte der Verlassenheit«. In den Schriften von Johannes Chrysostomos (349/344–407 n. Chr.) finden sich noch aggressivere Passagen, welche für das vierte Jahrhundert indes als durchaus typisch gelten können. So heißt es bspw.:

      »Weil ihr Christus getötet habt, weil ihr gegen den Herrn die Hand erhoben habt, weil ihr sein kostbares Blut vergossen habt, deshalb gibt es für euch keine Besserung mehr, keine Verzeihung und auch keine Entschuldigung. Denn damals ging der Angriff auf Knechte, auf Mose, Jesaja und Jeremia. Wenn auch damals gottlos gehandelt wurde, so war das, was verübt wurde, noch kein todeswürdiges. Nun aber habt ihr alle alten Untaten in den Schatten gestellt durch die Raserei gegen Christus. Deshalb werdet ihr auch jetzt mehr gestraft. Denn, wenn dies nicht die Ursache eurer gegenwärtigen Ehrlosigkeit ist, weshalb hat euch Gott damals ertragen, als ihr Kindesmord begangen habt, wohingegen er sich jetzt, da ihr nichts derartiges verübt, von euch abwendet? Also ist klar, dass ihr mit dem Mord an Christus ein viel schlimmeres und größeres Verbrechen begangen habt als Kindesmord und jegliche Gesetzesübertretung.« (www.amertin.de/aufsatz/1988/eccehomo2.htm)

      Das Motiv des Kindesmords bei Chrysostomos, welches sich auf die Exodus-Erzählung bezieht, stellt bereits ein Vorläuferstereotyp der Ritualmordlegende dar. Die Relevanz der Schriften von Chrysostomos ergibt sich aus dem vergleichsweise hohen Grad ihrer Verbreitung wie Rezeption.

      Für den Kirchenvater Sophronius Eusebius Hieronymus (347–420 n. Chr.) haben sich die Juden als Gottesmörder versündigt und müssen dafür in der ganzen Welt umherirren. Die Synagoge ist für den spätantiken Kirchenlehrer ein »Ort des Satans«. Nicht nur Judas, sondern die Juden insgesamt seien Verräter, Feinde und Verfolger der Christen. Die Bedeutung von Hieronymus im Kontext der Judenfeindschaft folgt aus dem Sachverhalt, dass er den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354–430 n. Chr.) stark beeinflusste. An der Schnittstelle von Antike und Mittelalter stehend bilanzierte Augustinus die frühchristliche Judenfeindschaft in scharfen Worten und legte so das antijüdische Fundament der mittelalterlich-christlichen Kirche. Neben dem bekannten Stereotyp des Gottesmords ist die negative Charakterisierung der Juden auffallend. Juden seien krank, bösartig, grausam, gefährlich, schmutzig, feindselig und wild. Die Juden waren für Augustinus nicht nur ein verbrecherisches Volk sowie die Feinde der Christen, sondern zugleich deren Sklaven. Als Strafe für ihre Sünde, so Augustinus, sollten die Juden den Fürsten als tributpflichtige Sklaven dienen und hätten von Ämtern und Herrschaft ausgeschlossen zu sein und im Elend zu leben.

      Die antijüdische Praxis bestand im Kontext des Frühchristentums nicht nur aus den literarischen Schriften der Kirchenlehrer, sondern ebenso aus zahllosen Erlassen der frühen christlichen Synoden. Bereits die Synode von Elvira (zwischen 295–314 n. Chr.) verbot die Eheschließung von Christen und Juden und untersagte die Speisegemeinschaft mit Juden. Die synodalen Beschlüsse zielten auf die alltägliche Trennung zwischen Juden und Christen wie auf die umfassende Verdrängung des Judentums aus der Öffentlichkeit.

      1.12Mel Gibson und Die Passion Christi

      Von Oktober 1962 bis Dezember 1965 tagte das Zweite Vatikanische Konzil, welches im Auftrag des Papstes Johannes XIII. darum bemüht war, die römisch-katholische Kirche zu modernisieren sowie ihr Verhältnis zu den anderen Weltreligionen wie insbesondere zum Judentum neu zu regeln. Das Abstandnehmen des Konzils vom traditionellen Gottesmordvorwurf im verabschiedeten Dokument Nostra Aetate markierte einen fundamentalen Wandel, zumal diese Haltung nicht nur mit der Distanzierung vom Antisemitismus sowie der Judenmission einherging, sondern ebenso mit einer textlichen Veränderung der traditionellen Karfreitagsliturgie. Während es bislang hieß: »Oremus et pro perfidis Judaeis« (»lasset uns auch für die perfiden [ungläubigen, treulosen, wortbrüchigen, d. Verf.] Juden beten«) lautet die liturgische Fassung nunmehr: »Lasst uns auch beten für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gesprochen hat. Er bewahre sie in der Treue zu seinem Bund und in der Liebe zu seinem Namen.«

      Die veränderte Textfassung verdeutlicht den grundlegenden Charakter der Zäsur, insofern die Erwählung des Judentums hier nicht nur von bleibendem Charakter ist, sondern gleichfalls der Anspruch des römischen Katholizismus ad acta gelegt wird, es könne außerhalb der Kirche kein Heil geben. Der durch das Konzil initiierte Wandel ging seiner Zeit etlichen Kirchenvertretern wie Gläubigen entschieden zu weit, gegen den Geist und die Beschlüsse des Konzils wird bis auf den heutigen Tag innerhalb wie außerhalb der Kirche Roms opponiert. Diverse Strömungen und Richtungen erkennen die eingeleiteten Reformen nicht an und beharren auf der traditionellen Liturgie. Als Angehöriger der fundamentalistischen „Catholic Church“ ist der US-amerikanische Schauspieler, Regisseur und Produzent Mel Gibson ein Gegner des Zweiten Vatikanischen Konzils und lässt in seiner Privatkapelle die Heilige Messe in der „alten Form“ zelebrieren.

      Ein Film ist als antisemitisch zu werten, so sei an dieser Stelle kurz erläutert, wenn er diskursive Rassifizierungstechniken (Kollektivierung, Generalisierung, Physiognomisierung, Kriminalisierung etc.) reproduziert, wenn judenfeindliche Narrative („Gottesmord“, „jüdischer Wucher“) sowie Stereotype („die verschworenen Juden“, „die geldgierigen Juden“) nicht mit der Intention in Szene gesetzt werden, diese zu dekonstruieren bzw. antisemitische Tendenzen historischer Zeitabschnitte in kritischer Absicht offenzulegen, sondern um vielmehr Abwertungen vorzunehmen, welche die Opfergruppe erneut diskriminieren und die soziale Ausschließung ein weiteres Mal in Gang setzen. Antisemitisch ist ein Film, wenn er die dargestellten Juden in kollektivierender Weise („die Juden“) adressiert, Personen in essentialisierender Weise auf ihr „Jüdischsein“ reduziert und somit entpersonalisiert oder diese in generalisierender Weise adjektiviert („alle Juden sind geldgeil“) und dabei althergebrachte Stereotype zum Einsatz gelangen. Antisemitisch ist ein Film, der das fremdheitsproduzierende Gerede vom „Wir“ und „Ihr“ im Sinne einer Exklusionspraxis reproduziert, wenn in der filmischen Handlung jüdische Personen nicht aufgrund konkreter individueller, politischer, psychologischer oder sozialer Interessenlagen handeln, sondern auf Basis eines „ewig jüdischen Kollektivcharakters“.

      Im innerkirchlichen Kräfteverhältnis sowohl des Protestantismus wie des Katholizismus ist ein Wiedererstarken fundamentalistischer wie klerikalistischer Kräfte zu attestieren, deren wachsender Einfluss sich nicht zuletzt im Jahr 2007 zeigte, als Papst Benedikt XVI. die alte Form des katholischen Gottesdienstes wieder zuließ („Summorum pontificum“) und so verdeutlichte, wie hochgradig die Resultate des Zweiten Vatikanischen Konzils auch fünfzig Jahre danach noch immer umkämpft sind. Für die wieder zugelassene lateinische Messe formulierte der Papst im Jahr 2008 eine Neufassung der „Juden-Fürbitte“ des Karfreitagsgebets. Zwar entschärfte diese Fassung den traditionellen Text insofern das lateinische Wort „perfid“, vermieden wurde, indes darf nunmehr wieder auf Lateinisch gebetet werden, die Juden mögen Jesus Christus als ihren Heiland anerkennen, was der „Judenmission“ erneut Tür und Tor öffnet.

      Die Aktualität christlicher Passionsfestspiele in vielen europäischen Ländern, die Verbrennung von Puppen zu den Osterfeierlichkeiten in Spanien, die Judas als eine Art Prototyp „des Juden“ symbolisieren, die Kontinuitätslinie antisemitischer Jesusfilme von Norman Jewisons Jesus Christ Superstar (1973), der die Mitglieder des Hohen Rates auf physiognomische Weise rassifiziert, Martin Scorseses Die Letzte Versuchung (1988), der u. a. antisemitische Stereotype wie das des „geldgierigen Juden“ bemüht, bis hin zu Mel Gibsons The Passion of Christ

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