Sophienlust Classic 48 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Classic 48 – Familienroman - Patricia Vandenberg Sophienlust Classic

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mit seinem Vater ihren Urenkel erkannt hatte, den sie zu ihrem Erben eingesetzt hatte, war in ihrem Leben und dem ihres Sohnes eine Änderung eingetreten. Doch auch die erste Zeit auf Sophienlust war für sie schwer gewesen. Sie hatte sie nur ertragen, weil der Gutsnachbar Alexander von Schoen­ecker ihr zur Seite gestanden war. Alexanders Kinder aus erster Ehe, Sascha und Andrea, hatten damals in einem Internat gelebt. Aus der Freundschaft zwischen ihr und Alexander war bald Liebe geworden. Sie hatten geheiratet. Heute lebt auf Schoeneich eine glückliche Familie. Sascha und seine jüngere Schwester Andrea hatten in Denise eine liebevolle Mutter gefunden, und Alexander von Schoenecker war für Nick ein Vater geworden, zu dem der Junge aufblicken konnte. Als später der kleine Henrik geboren wurde, war das Glück der Schoeneckers vollkommen geworden.

      Über allem aber hatte Denise nie die einstmals übernommene Aufgabe vergessen. Dr. Brachmann hatte recht. Sophienlust kannte nur fröhliche und glückliche Kinder. Das Gut war zu einer Heimstatt für elternlose und verlassene Waisen geworden. Natürlich konnte niemand den Kindern die Eltern voll ersetzen, doch auf Sophienlust lernten viele von ihnen zum ersten Mal das Gefühl der Geborgenheit kennen. Wie viel menschliches Leid und Elend war an Denise in den verflossenen Jahren herangetragen worden! Doch wie oft war es ihr auch gelungen, Not und Kummer abzuwenden. Auch die Zahl derer, die trauernd und verzweifelt nach Sophienlust gekommen waren und nach einiger Zeit als heitere und dem Leben positiv gegenüberstehende Menschen wieder gegangen waren, ließ sich kaum noch überblicken. Denise wusste, dass ihr dies nur gelungen war, weil sie Mitarbeiter gefunden hatte, die, selbst durch trübe Erfahrungen geläutert, echtes Verstehen für andere aufbringen konnten.

      Denise schrak aus ihren Grübeleien auf. In der untergehenden Sonne zeichnete sich am Straßenrand eine kleine Gestalt silhouettenhaft ab, die dem herankommenden Auto entgegenwinkte. Denise bremste und hielt. Schon häufig war sie Anhaltern und Anhalterinnen begegnet, doch nicht immer hatte sie ihnen Aufmerksamkeit geschenkt. Es war in mancher Beziehung gefährlich, wildfremde Menschen mitzunehmen. Auch Alexander hatte sie schon des öfteren davor gewarnt. Doch dieses schmale, kindlich wirkende Geschöpf erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie öffnete das Wagenfenster.

      Das kleine Mädchen raffte ein Bündel vom Boden auf, lief hinter dem Wagen her und trat bescheiden an das Fenster. In den verwaschenen Bluejeans, der abgetragenen Bluse und dem dünnen Mäntelchen machte die Kleine einen erbarmungswürdigen Eindruck.

      Denise betrachtete die schmale Figur, das feingeschnittene Gesichtchen mit den großen blauen Augen und die strähnig herunterhängenden blonden Haare.

      Sie konnte nicht verhindern, dass Mitleid mit dem Mädchen in ihr aufkeimte, dessen Alter sie auf etwa dreizehn bis vierzehn Jahre schätzte.

      »Können Sie mich vielleicht ein Stück mitnehmen?«, fragte die Streunerin bescheiden.

      Unwillkürlich horchte Denise auf. Der Ton der Stimme und die Sprechweise des Mädchens wirkten kultiviert.

      »Wohin willst du denn?«, fragte Denise. Es war ihr unerklärlich, wie ein solches Mädchen auf die Landstraße kam.

      Das Mädchen zuckte gleichgültig mit der Schulter und meinte, es wolle in die nächste Großstadt.

      »Aber dahin fahre ich nicht.« Denise antwortete in einem freundlichen Ton, um das Kind nicht abzuschrecken.

      »Das macht nichts«, erwiderte die Kleine. »Wenn ich nur ein Stück weiterkomme. Sie müssen nämlich wissen, ich halte nur Autos an, in denen Frauen sitzen.«

      »Steig ein!«, forderte Denise das Mädchen auf.

      Die Kleine öffnete die Tür und saß im nächsten Augenblick neben Denise. »Danke schön«, sagte sie leise. Ihr scheuer Blick streifte Denise und musterte sie vom Kopf bis zu dem Fuß, der auf das Gaspedal trat. Erst dann ließ sie sich in das Polster zurücksinken.

      »Es wird bald Nacht«, begann Denise ein Gespräch mit dem Mädchen. »Du kannst heute dein Ziel nicht mehr erreichen. Wo willst du dann bleiben?«

      »Das ist nicht so schlimm.« Das Mädchen verzog das Gesicht zu einem Lächeln, doch seine Augen blieben ernst. »Ich finde schon irgendwo einen Heuschober, in dem ich unterkriechen kann. Es wäre nicht das erste Mal.«

      »Hast du denn keine Angst?«, fragte Denise, auf die Antwort des Mädchens gespannt.

      »Doch«, antwortete das Mädchen ehrlich. »Manchmal habe ich sogar mächtige Angst. Eigentlich jedesmal, wenn ich in einen fremden Wagen steige. Aber meistens sind die Damen recht freundlich zu mir.«

      »Erzähl mir etwas von dir«, bat Denise. »Wie heißt du, wo kommst du her, wo willst du hin, und warum reist du als Anhalterin auf der Landstraße?«

      »Oje!« Das Kind erschrak. »Muss ich all diese Fragen beantworten? Dann lassen Sie mich lieber wieder aussteigen. Ich könnte Ihnen einen Haufen von Lügen auftischen, aber das will ich nicht. Ich fahre per Anhalter, weil ich kein Geld habe. Ich heiße Vilena. Genügt Ihnen das?«

      Denise gefiel die Ehrlichkeit des Mädchens. Sie erwiderte: »Vorerst ja. Vilena heißt du? Das ist einer schöner und seltener Name. Also schön, wenn du nicht mehr sagen möchtest, wollen wir es dabei bewenden lassen. Ich mache dir einen Vorschlag, Vilena. Ich nehme dich mit. Wir haben ein großes Haus, in dem viele Kinder wohnen. Auch Mädchen in deinem Alter. Ich schätze, du bist etwa dreizehn Jahre alt.«

      Misstrauisch fragte das Mädchen: »Ist das etwa ein Heim? Welche Bedingungen sind daran geknüpft?«

      »Gar keine«, antwortete Denise sachlich. »Wenn du willst, kannst du es ein Heim nennen. Aber wahrscheinlich machst du dir dabei falsche Vorstellungen. Ein Heim im üblichen Sinne ist es nicht.«

      »Dann komme ich gern mit. Ich hatte nur gedacht, es handle sich um ein Heim für gefallene Mädchen oder so. In solch ein Heim möchte ich nämlich nicht. Da gehöre ich nicht hin.«

      Da Vilena jetzt eher bereit schien, Fragen zu beantworten, entschloss sich Denise, sie noch etwas auszuforschen. Doch während sie noch überlegte, wie sie die nächste Frage formulieren sollte, begann das Mädchen von selbst zu sprechen.

      »Ich treibe mich schon drei Wochen herum«, bekannte Vilena offen, »aber bisher hat mich noch nie jemand nach Hause eingeladen. Ich hatte im Gegenteil den Eindruck, dass alle heilfroh waren, wenn sie mich wieder loswurden. Ich kann es ja verstehen und nehme es den Leuten auch nicht übel. Alle nehmen an, sie könnten Ärger bekommen. Sicherlich glauben alle, wenn ein vierzehnjähriges Mädchen sich herumtreibt, dann würde es gesucht. Das schreckt ab. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Mich sucht niemand.«

      Denise ließ sich ihr Erstaunen nicht anmerken, denn natürlich hatte sie angenommen, Vilena sei aus irgendeinem Grund von zu Hause ausgerissen und werde schon lange gesucht. Weitere Fragen unterließ sie jedoch im Moment, da sie in die Abzweigung nach Sophienlust einbog.

      Vilenas Stirn legte sich in Falten, als sie in die verhältnismäßig schmale Straße einfuhren. Ihr schienen erneut Bedenken zu kommen. »Das ist aber sehr abgelegen«, meinte sie.

      »Ja, es ist etwas abgelegen«, erwiderte Denise ruhig. »Dafür ist es aber auch still. Warte nur ab. Wenn ich still sage, meine ich damit den Verkehrslärm. Unsere Kinder machen Krach genug.«

      Als sie aus dem Wald herausfuhren und die Dächer von Sophienlust rot in der Abendsonne glänzten, deutete Vilena nach vorn. »Das ist ja ein Schloss!«, stellte sie mit Erstaunen fest. »Wollen wir dorthin?«

      Denise nickte stumm und fuhr kurz darauf in den weiten Gutshof ein.

      Vilenas

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