Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden. Selma Lagerlöf

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Читать онлайн книгу Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden - Selma Lagerlöf страница 20

Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden - Selma Lagerlöf Reclam Taschenbuch

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Junge betrachtete ihn mit so viel Vergnügen, dass er den anderen, vor dem er weglaufen wollte, vollkommen vergaß. Doch jetzt hörte er, dass dieser von der Straße abbog und den Kirchhof betrat. Der Kerl kam also auch hierher! Wohin sollte sich der Junge nun wenden?

      Im gleichen Augenblick sah er, dass sich der Holzmann zu ihm herunterbeugte und ihm seine große, breite Hand entgegenstreckte. Man konnte ihm ganz einfach nichts Böses zutrauen, und mit einem Satz sprang der Junge in seine Hand. Der Holzmann hob ihn empor und steckte ihn unter seinen Hut.

      Kaum war der Junge in Sicherheit, kaum hatte der Holzmann seinen Arm wieder am rechten Platz, da blieb der Bronzemann vor ihm stehen und stieß den Stock so hart auf den Boden, dass der Hölzerne auf seinem Schemel erbebte. Dann fragte der Bronzemann mit lauter, klingender Stimme: »Wer ist Er denn?«

      Der Arm des Holzmanns flog so schnell in die Höhe, dass es in dem alten Holzwerk knackte, und als er antwortete, legte er die Hand an die Hutkrempe: »Rosenbom, mit Verlaub, Euer Majestät. Weiland Oberbootsmann auf dem Linienschiff ›Kühnheit‹, nach beendigtem Kriegsdienst Kirchenwächter der Admiralitätskirche, schließlich in Holz geschnitzt und auf dem Kirchhof als Armenbüchse aufgestellt.«

      Als der Junge den Holzmann »Euer Majestät« sagen hörte, schrak er zusammen. Wenn er recht überlegte, wusste er auch, dass die Statue auf dem Marktplatz den Gründer der Stadt darstellte. Er war an keinen Geringeren als König Karl XI. leibhaftig geraten.

      »Er versteht es, über sich Auskunft zu geben«, sagte der Bronzemann. »Kann Er mir nun auch sagen, ob Er einen kleinen Knaben gesehen hat, der heute Nacht in der Stadt herumläuft? Das ist eine naseweise Kanaille, und wenn ich ihn zu packen bekomme, dann will ich ihn schon Mores lehren.« Dabei stieß er den Stock noch einmal auf den Boden und sah entsetzlich böse aus.

      »Mit Verlaub, Euer Majestät, ich habe ihn gesehen«, sagte der Holzmann, und der Junge, der zusammengekrümmt unter dem Hut saß und den Bronzemann durch einen Riss im Holz wahrnehmen konnte, begann vor Angst zu zittern. Doch er beruhigte sich, als der Holzmann fortfuhr: »Euer Majestät sind auf der falschen Spur. Dieser Knabe hatte gewiss die Absicht, sich in der Werft zu verstecken.«

      »Meint Er das, Rosenbom? Ja, dann soll Er nicht länger auf seinem Schemel stehen, sondern mitkommen und mir bei der Suche nach ihm helfen! Vier Augen sehen mehr als zwei, Rosenbom.«

      Doch der Holzmann entgegnete mit kläglicher Stimme: »Ich möchte untertänigst darum bitten, stehen bleiben zu dürfen, wo ich stehe. Die Bemalung lässt mich zwar frisch und glänzend erscheinen, doch ich bin alt und morsch, und Bewegung bekommt mir nicht.«

      Der Bronzemann gehörte wohl nicht zu jenen, die Widerspruch gut vertragen. »Was sind denn das für Manieren? Komm Er nur, Rosenbom!« Und er hob seinen langen Stock und versetzte dem anderen einen Schlag auf die Schulter, dass es dröhnte. »Da sieht Er mal, wie Er hält, Rosenbom!«

      Nun brachen sie auf und schritten groß und gewaltig durch die Straßen von Karlskrona, bis sie ein hohes Tor erreichten, das zur Werft führte. Ein Matrose der Marine hielt davor Wache, doch der Bronzemann ging einfach an ihm vorbei und öffnete das Tor mit einem Fußtritt, ohne dass es der Matrose zu bemerken schien.

      Als sie auf dem Gelände der Werft angelangt waren, sahen sie vor sich einen großen Hafen, der mit Pfahlbrücken abgeteilt war. In den verschiedenen Hafenbecken lagen die Kriegsschiffe und wirkten aus der Nähe größer und furchterregender als von oben, wie der Junge sie zuerst gesehen hatte. »Da war es doch nicht so verkehrt, dass ich sie für Meerestrolle gehalten habe«, dachte er.

      »Was meint Er, Rosenbom, wo sollen wir mit der Suche beginnen?«, fragte der Bronzemann.

      »So einer wie der könnte sich wohl am leichtesten im Modellsaal verstecken«, antwortete der Holzmann.

      Auf einem schmalen Streifen Land, der sich rechts vom Tor am ganzen Hafen entlangzog, standen altertümliche Gebäude. Der Bronzemann näherte sich einem Haus mit niedrigen Wänden, kleinen Fenstern und einem stattlichen Dach. Er stieß mit seinem Stock gegen die Tür, dass sie aufsprang, und stapfte eine Treppe mit ausgetretenen Stufen hinauf. Dann kamen sie in einen großen Saal, in dem lauter kleine aufgetakelte Schiffe standen. Ohne dass es ihm jemand sagte, begriff der Junge, dass es sich um die Modelle jener Schiffe handelte, die für die schwedische Flotte gebaut worden waren.

      Da gab es viele verschiedene Arten von Schiffen. Es gab alte Linienschiffe mit kanonengespickten Seiten, hohen Aufbauten vorn und achtern und einem Wirrwarr von Segeln und Tauwerk an den Masten. Es gab kleine Küstenschiffe mit Ruderbänken an den Seiten, unbedeckte Kanonenschaluppen und reich vergoldete Fregatten, Modelle von jenen, die die Könige auf ihren Reisen benutzt hatten. Endlich gab es auch die schweren, breiten Panzerschiffe mit Türmen und Kanonen auf dem Deck, wie man sie heutzutage benutzt, und schmale, glänzende Torpedoboote, die Ähnlichkeit mit langen, schlanken Fischen hatten.

      Der Junge, der von dem Holzmann zwischen alledem herumgetragen wurde, staunte nicht schlecht. »Dass man so große und prächtige Schiffe in Schweden gebaut hat!«, dachte er.

      Er hatte genug Zeit, um sich anzusehen, was es hier gab, denn als der Bronzemann die Modelle entdeckte, vergaß er darüber alles andere. Er nahm sie alle in Augenschein, vom ersten bis zum letzten, und stellte viele Fragen. Und Rosenbom, der Oberbootsmann von der »Kühnheit«, erzählte ihm, was er von den Baumeistern der Schiffe, von ihren Befehlshabern und von ihren Schicksalen wusste. Er berichtete von Chapman und Puke und Trolle, von Hogland und Svensksund, bis zum Jahre 1809, denn länger war er nicht dabei gewesen.

      Beide Männer sprachen vor allem über die prächtigen alten Schiffe aus Holz. Auf die neuen Panzerschiffe schienen sie sich nicht recht zu verstehen.

      »Wie ich höre, weiß Er nichts von diesen neuen, Rosenbom«, sagte der Bronzemann. »Deshalb wollen wir weitergehen und etwas anderes besichtigen. Denn dieses macht mir Vergnügen, Rosenbom.«

      Die Suche nach dem Jungen hatte er nun wohl ganz und gar aufgegeben, und der fühlte sich auf seinem Platz unter dem Holzhut sicher und geborgen.

      Darauf wanderten die beiden Männer durch die großen Werkhallen: die Segelmacherwerkstatt und die Ankerschmiede, Maschinen- und Tischlerwerkstätten. Sie sahen die hohen Kräne und die Docks, die großen Vorratshäuser, den Artilleriehof, das Zeughaus, die lange Seilerbahn und das große, verlassene Dock, das man in den Felsen gesprengt hatte. Sie gingen auf die Pfahlbrücken, wo die Kriegsschiffe vertäut lagen, stiegen an Bord und besichtigten sie – alte Seebären, die sie waren –, bewunderten und bemängelten, lobten und tadelten.

      Der Junge, der sicher unter dem Holzhut saß, hörte sie davon erzählen, wie man gearbeitet und sich abgemüht hatte, um all jene Flotten auszurüsten, die hier ausgelaufen waren. Leben und Blut hatte man gewagt und das letzte Scherflein geopfert, um die Kriegsschiffe zu bauen. Begabte Männer hatten alle ihre Kräfte angestrengt, um diese Schiffe, die der Schutz des Vaterlands gewesen waren, zu verbessern und zu vervollkommnen. Als der Junge all das hörte, traten ihm ein paarmal fast die Tränen in die Augen, und er war froh, dass es ihm so gut erklärt wurde.

      Zuletzt gingen sie auf einen offenen Hof, wo die Galionsfiguren der alten Linienschiffe aufgestellt waren. So etwas Merkwürdiges hatte der Junge noch nie gesehen, denn diese Figuren hatten ungeheure, furchterregende Gesichter. Sie waren groß, kühn und wild, erfüllt von demselben stolzen Geist, der die großen Schiffe ausgerüstet hatte. Sie stammten aus einer anderen Zeit als der seinen, und er glaubte vor ihnen zusammenzuschrumpfen.

      Hier aber sagte der Bronzemann zum Holzmann: »Zieh Er den Hut vor denen, die hier stehen, Rosenbom! Sie haben alle für das Vaterland gekämpft.«

      Und

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