Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden. Selma Lagerlöf
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Diese Treppe wurde auch schon vor langer Zeit erbaut. Tage und Jahre sind vergangen, seitdem die ersten Stufen aus dem grauen Fels geschlagen wurden, so gleichmäßig und eben, dass ein bequemer Fahrweg zwischen Småland und der Ostsee entstand.
Wenn die Treppe so alt ist, dann ist es natürlich, dass sie nicht mehr so aussieht wie damals, als sie noch neu war. Ich weiß nicht, wie viel Mühe man sich zu jener Zeit mit dergleichen machte, aber mit einem Besen war sie jedenfalls nicht sauberzuhalten, dazu war sie zu groß. Nach ein paar Jahren wuchsen darauf Moose und Flechten, im Herbst wehte trockenes Gras und trockenes Laub darüber, und im Frühling wurde sie mit Kies und Steinen überschüttet. Da alles ungestört liegenblieb, sammelte sich schließlich so viel Erde auf der Treppe an, dass nicht nur Gräser und Kräuter, sondern auch Büsche und große Bäume Wurzeln schlagen konnten.
Doch gleichzeitig bildeten sich zwischen den drei Treppenstufen große Unterschiede heraus. Die höchste, die Småland am nächsten liegt, wird fast überall von magerem Erdreich und kleinen Steinen bedeckt. Darauf wollen eben nur solche Bäume wachsen, die genügsam sind und die Kälte in dieser Höhe vertragen, also Weißbirke und Faulbaum und Fichte. Wie karg und ärmlich es dort ist, erkennt man am besten an den kleinen Hütten, die sich die Leute hier errichten, an den winzigen Ackerstückchen und an den großen Entfernungen zwischen den Kirchen.
Auf der mittleren Stufe ist der Boden wieder besser und leidet auch nicht so unter strenger Kälte. Das sieht man sofort an den Bäumen, die höher und von vornehmerer Art sind. Da wachsen Ahorn und Eiche und Linde, Hängebirke und Haselnuss, jedoch kaum Nadelbäume. Noch deutlicher erkennt man es an den vielen Äckern und schönen, großen Wohnhäusern der Menschen. Diese mittlere Stufe, auf der es zahlreiche Kirchen gibt, nimmt sich in jeder Weise besser und prächtiger als die darüber aus.
Doch am besten ist die unterste Treppenstufe. Sie ist reichlich mit guter Erde bedeckt, und wo sie im Meer badet, ist von der Småland-Kälte überhaupt nichts zu spüren. Hier unten gedeihen Buchen und echte Kastanien und Walnussbäume, und sie erreichen eine solche Höhe, dass sie die Kirchendächer überragen. Hier liegen auch die größten Äcker, aber die Leute ernähren sich nicht nur von Forstwirtschaft und Landwirtschaft, sondern beschäftigen sich auch mit Fischerei, Handel und Seefahrt. Deshalb sieht man hier die prächtigsten Wohnhäuser und die schönsten Kirchen, und die Kirchdörfer haben sich zu kleinen und größeren Städten ausgewachsen.
Damit ist aber noch nicht alles über die drei Stufen gesagt. Man muss nämlich auch an das Wasser denken, das irgendwohin fließen muss, wenn es auf das Dach des großen Småland-Hauses regnet, und ein Teil stürzt natürlich die große Treppe hinunter. In der ersten Zeit strömte es wohl über die ganze Breite, dann aber entstanden Risse, und allmählich gewöhnte sich das Wasser daran, in einigen gut ausgearbeiteten Rinnen zu fließen. Und Wasser ist Wasser, was man auch damit anstellt – es hat niemals Ruhe. An einer Stelle gräbt und feilt und trägt es ab, und an einer anderen spült es an. Es erweiterte die Rinnen zu Tälern, bedeckte die Talhänge mit Erdreich, und später klammerten sich Büsche und Ranken und Bäume daran fest, so dicht und üppig, dass sie den Wasserlauf, der in der Tiefe strömt, jetzt fast verdecken. Doch wenn die Flüsse zu den Absätzen zwischen den Treppenstufen kommen, müssen sie sich kopfüber hinunterstürzen. Dabei gerät das schäumende Wasser so in Fahrt, dass es mit seiner Kraft Mühlräder und Maschinen antreiben kann, und Mühlen und Fabriken wurden auch an jedem Wasserfall errichtet.
Doch damit ist noch immer nicht alles über das Land mit den drei Treppenstufen gesagt. Man muss nämlich auch erwähnen, dass dort oben, im großen Haus von Småland, einst ein ergrauter Riese wohnte. Den verdross es, dass er auf seine alten Tage die lange Treppe hinuntersteigen musste, um Lachse im Meer zu fangen. Viel besser hätte es ihm gefallen, wenn der Lachs zu ihm in seine Wohnung gekommen wäre.
Darum stellte er sich auf das Dach seines großen Hauses und schleuderte riesige Steine in die Ostsee. Er warf sie mit einer solchen Kraft, dass sie über ganz Blekinge flogen, bevor sie ins Wasser fielen. Da bekam es der Lachs so mit der Angst, dass er das Meer verließ, in die Flüsse von Blekinge schwamm, die Fluten durcheilte, mit hohen Sprüngen die Wasserfälle überwand und erst tief in Småland, bei dem alten Riesen, haltmachte.
Dass diese Geschichte wahr ist, kann man an den zahlreichen Inseln und Schären sehen, die vor der Küste von Blekinge liegen und nichts anderes sind als die vielen großen Steine, die der Riese dorthin geschleudert hat.
Man merkt es auch daran, dass der Lachs noch immer die Flüsse von Blekinge hinaufsteigt und sich durch Wasserfälle und ruhiges Gewässer bis nach Småland arbeitet.
Darum verdient dieser Riese von den Leuten in Blekinge nur Dank und Ehre, denn noch heute können sich viele von der Lachsfischerei in den Flüssen und der Arbeit in den Steinbrüchen der Schären ernähren.«
Am Ronneby-Fluss
Freitag, den 1. April
Weder die Wildgänse noch Fuchs Smirre hatten geglaubt, dass sie sich je wieder begegnen sollten, nachdem sie Schonen verlassen hatten. Doch nun hatten die Wildgänse ihre Flugroute ja über Blekinge verlegt, und dorthin war auch Smirre gewandert.
Als er eines Nachmittags ein einsames Waldgebiet im mittleren Blekinge durchstreifte, sah er in der Luft eine Schar Wildgänse fliegen. Sogleich bemerkte er, dass eine von ihnen weiß war, und da wusste er ja, mit wem er es zu tun hatte.
Smirre nahm unverzüglich die Verfolgung auf, nicht nur weil er Appetit auf eine gute Mahlzeit hatte, sondern auch um sich für all den Verdruss zu rächen, den ihm die Wildgänse bereitet hatten. Er sah, dass sie ostwärts zum Ronneby-Fluss flogen, dann die Richtung änderten und dem Flussbett nach Süden folgten. Da wurde ihm klar, dass sie sich am Ufer einen Schlafplatz suchen wollten, und er dachte sich, er könnte dort ziemlich leicht ein paar erwischen.
Doch als der Fuchs endlich den Ort fand, an dem sich die Gänse niedergelassen hatten, da war dieser Platz so gut geschützt, dass er nicht an sie herankam.
Zwar ist der Ronneby-Fluss kein besonders großer oder mächtiger Wasserlauf, doch er wird seiner schönen Ufer wegen viel gerühmt. An mehreren Stellen zwängt er sich zwischen steilen Bergwänden hindurch, die senkrecht aus dem Wasser ragen und über und über mit Geißblatt und Faulbaum, Weißdorn und Erle, Eberesche und Weide bewachsen sind. Es gibt kaum etwas Angenehmeres, als an einem schönen Sommertag auf dem schmalen, dunklen Fluss zu rudern und all das sanfte Grün zu betrachten, das sich an den schroffen Hängen festklammert.
Jetzt aber, als sich die Wildgänse und Smirre am Fluss aufhielten, war es kalter, ungemütlicher Vorfrühling. Alle Bäume waren nackt, und niemand hätte sich wohl darüber Gedanken gemacht, ob diese Ufer schön oder hässlich wären. Die Wildgänse priesen sich glücklich, dass sie unter einer so steilen Bergwand einen Streifen Sand entdeckt hatten, groß genug, um ihnen allen Platz zu bieten. Vor ihnen brauste der Fluss, der jetzt durch die Schneeschmelze reißend und mächtig war, hinter sich hatten sie eine unüberwindliche Felsenwand, und die herabhängenden Zweige waren ein gutes Versteck. Besser konnten sie es gar nicht haben.
Die Gänse schliefen sofort ein, doch der Junge konnte kein Auge zutun. Von allen Seiten glaubte er Rascheln und Prasseln zu hören, und seine Unruhe wurde so groß, dass er unter dem Flügel hervorkroch und sich auf den Boden neben die Gänse setzte.
Smirre stand mit langem Gesicht auf dem Berg und schaute zu den Wildgänsen hinunter. »Du kannst die Jagd genauso gut gleich aufgeben«, sagte er zu sich selbst. »Diese Gänse sind dir zu klug. Schlag dir eine solche Beute ein für allemal aus dem Kopf!«
Doch für alle Fälle legte er sich auf den äußersten Rand des