Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz. Ödön von Horváth
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Glaube Liebe Hoffnung. Ein kleiner Totentanz - Ödön von Horváth страница 5
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Mein Gott, unsereins hat halt so seine bestimmten gesellschaftlichen Bekanntenkreise, die wo einer Frau Amtsgerichtsrat kaum einen Korb geben wollen ---
DIE PRANTL. Zu bescheiden, zu bescheiden! Das Verkaufen ist heutzutage kein Kinderspiel, die Leut schlagen einem die Tür vor der Nase zu!
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Aber es bleibt doch dabei: Wenn jemand fragen sollte, dann sagen Sie selbstredend, ich verkaufe das nur von wegen persönlicher Zerstreuung und so --
DIE PRANTL. Ist doch sonnenklar, wollte sagen: bleibt unter uns!
FRAU AMTSGERICHTSRAT. Bei diesen schweren Zeiten muss man auch dem eigenen Manne unter die Arme greifen, der verdient jetzt noch ganze sechshundert Mark. Da wird abgebaut und abgebaut, aber die Herren Landgerichtsdirektoren und Ministerialräte -- (sie stockt, da das Telefon klingelt).
DIE PRANTL (am Telefon). Ja. Soll nur gleich herein! -- Nur eine Sekunde, Frau Amtsgerichtsrat, wir sind gleich quitt!
[21]Szene Nummer 2
ELISABETH (tritt ein).
DIE PRANTL. Grüss Gott, tritt ein zeigens her - habens Ihr Pensum hinter sich?
ELISABETH. Hier -- (sie überreicht der Prantl ihr Bestellbuch).
DIE PRANTL (blättert). Was? Zwei Paar Straps, einen Hüfthalter und ein Korsett, das ist doch radikal nichts!
ELISABETH. Das Verkaufen ist heutzutage kein Kinderspiel, die Leut schlagen einem die Tür vor der Nase zu.
DIE PRANTL. Also nur keine Gemeinplätze! Sie als Vertreterin müssen bei der Kundschaft den Schönheitssinn entwickeln! Jetzt wo das ganze Volk Gymnastik treibt und wo man überall nackerte Weiber sieht, das ist doch für unsere Branche die beste Reklame! Sie müssen Ihnen halt mehr an die Herren der Schöpfung halten, mir ist noch kein Mannsbild begegnet, das wo keinen Sinn für Strapsgürtel gehabt hätte! Wie war es denn in Kaufbeuren?
ELISABETH. In Kaufbeuren war nichts.
DIE PRANTL. Wieso hernach nichts? Kaufbeuren war doch immer phänomenal!
ELISABETH. Ich war aber nicht in Kaufbeuren.
DIE PRANTL. Sondern?
ELISABETH. Ich wollte nämlich Zeit sparen und bin mit einem Auto gefahren und zwar direkt in der Luftlinie - aber plötzlich hat die Ölzufuhr ausgesetzt und ich habe in einer Scheune im Walde übernachtet.
DIE PRANTL (fährt sie an). Im Wald? Meinens ich zahl umsonst?! Wenn Sie da mit derartigen Luftlinien weitermachen, haben Sie bis zum jüngsten Gericht die hundertfünfzig Mark noch nicht hereingearbeitet, die wo ich Ihnen für Ihren Wandergewerbeschein vorgestreckt habe!
ELISABETH. Aber das war doch eine höhere Gewalt.
[22]DIE PRANTL. Wenn die Angestellten jetzt auch noch mit der höheren Gewalt anfangen, dann höre ich auf! Dann bring ich mich um! Eine Blutvergiftung oder von der Trambahn herausfallen und einen Haxen brechen, das lass ich mir noch gefallen, aber den Luxus von einer höheren Gewalt habe ich Irene Prantl mir noch nicht geleistet!
ELISABETH. Ich kann doch schliesslich nichts dafür.
DIE PRANTL. Schauns nur nicht gar so geschmerzt, Sie Fräulein höhere Gewalt! Schauns doch nur die Frau Amtsgerichtsrat an! Frau Amtsgerichtsrat hätten es gar nicht so notwendig und machen es aus purer Zerstreuung und haben den vierfachen Umsatz.
Szene Nummer 3
Der Präparator stürzt herein und fährt sogleich auf Elisabeth los. Er ist ausser Rand und Band.
PRÄPARATOR. Da sind Sie ja, Sie Betrügerin Sie! Sie Hochstaplerin Sie! Ihr Vater ist ja gar kein Zollinspektor. Wenn Sie mir das gleich gesagt hätten, dass der kein Zollinspektor ist, sondern bloss so ein Versicherungsinspektor, ja glaubens denn, ich hätte Ihnen hernach eine Existenz verschafft?
ELISABETH. Aber das hab ich doch niemals behauptet -
PRÄPARATOR (unterbricht sie). Jawohl haben Sie das behauptet!
ELISABETH. Nein! Nie!
PRÄPARATOR (schlägt mit seinem Spazierstock auf der Prantl ihren Schreibtisch, dass die Geschäftspapiere nur so herumflattern und brüllt). Zollinspektor! Zollinspektor! Zollinspektor!
DIE PRANTL (rettet ihre Geschäftspapiere und kreischt). Halt! Halt!!
(Stille.)
[23]PRÄPARATOR (verbeugt sich chevaleresk zur Prantl und zur Frau Amtsgerichtsrat hin). Entschuldigens meine Herrschaften, dass ich so aus heiterem Himmel, aber neben einem Versicherungsinspektor ist ja sogar noch ein lumpiger Oberpräparator eine Kapazität und diese gefährliche Person dort hat mir mein gutes bares Geld herausgelockt --
ELISABETH (unterbricht ihn). Ist ja gar nicht wahr!
DIE PRANTL. Ruhe!
PRÄPARATOR. Ruhe!
DIE PRANTL (droht mit dem Zeigefinger). Fräulein, Fräulein -- wer schreit hat Unrecht.
PRÄPARATOR (schreit). Unrecht! Jawohl!!
(Stille.)
ELISABETH. Jetzt sage ich kein Wort mehr.
PRÄPARATOR (gehässig). Tät Ihnen so passen --
DIE PRANTL (zum Präparator). Nehmen Sie Platz bitte!
PRÄPARATOR. Danke -- (er setzt sich). Ich bin nämlich ein herzensguter Mensch, aber ich vertrag es halt nicht, dass man mich belügen tut.
ELISABETH. Ich habe nicht gelogen.
DIE PRANTL. Geh so haltens doch endlich den Mund, Fräulein --