Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle страница 7
»Hat der bedauernswerte Herr sich arg weh getan?«, erkundigte sie sich.
»Er ist tot«, riefen mehrere Stimmen.
»Nein, nein, es ist noch Leben in ihm«, schrie jemand anderes. »Aber es wird aus sein mit ihm, bevor man ihn ins Hospital schaffen kann.«
»Er ist ein tapferer Kerl«, sagte eine Frau. »Sie hätten die Uhr und die Börse der Dame ergattert, wenn er nicht gewesen wäre. Es war eine Gaunerbande, und eine rohe obendrein. Ah, er atmet wieder.«
»Er darf nicht auf der Straße liegen bleiben. Dürfen wir ihn hineinbringen, Madam?«
»Gewiss doch. Bringen Sie ihn in den Salon. Dort steht eine bequeme Chaiselongue. Hier entlang, bitte.«
Langsam und feierlich wurde er ins Haus getragen und im großen Zimmer hingebettet, während ich weiterhin die Vorgänge von meinem Posten vor dem Fenster beobachtete. Die Lichter waren angegangen, aber die Jalousien waren noch nicht heruntergelassen, so dass ich Holmes ausgestreckt auf der Couch liegen sah. Ich weiß nicht, ob er in diesem Augenblick der Rolle wegen, die er spielte, von Gewissensbissen geplagt wurde, aber ich weiß, dass ich niemals zuvor in meinem Leben mich meiner selbst aufrichtiger geschämt hatte als jetzt, da ich das wunderschöne Geschöpf sah, gegen das ich mich verschworen hatte, und die Anmut und Freundlichkeit, mit der sie sich um den verletzten Mann kümmerte. Und doch wäre es schwärzester Verrat an Holmes gewesen, sich des Parts zu entledigen, den er mir anvertraut hatte. Ich verhärtete mein Herz und holte die Rauchbombe unter meinem Ulster hervor. Schließlich, dachte ich, tun wir ihr ja nichts zuleide. Wir halten sie lediglich davon ab, einen Dritten zu kränken.
Holmes hatte sich auf der Couch aufgerichtet, und ich sah ihn eine Handbewegung machen wie jemanden, dem die Luft ausgeht. Ein Stubenmädchen stürzte durch den Raum und riss das Fenster auf. Im nämlichen Augenblick sah ich, wie er die Hand hob, und auf dieses Signal hin schleuderte ich meine Bombe in das Zimmer und schlug Alarm. Kaum war das Wort über meine Lippen gekommen, als die gesamte Zuschauermenge, ob gut oder schlecht gekleidet, ob feine Herren, Pferdeknechte oder Dienstmädchen, in den allgemeinen gellenden Aufschrei »Feuer!« einfielen. Dichte Rauchwolken zogen quer durch den Raum und zum offenen Fenster hinaus. Ich sah flüchtig Gestalten umherhasten, und einen Moment später ertönte von drinnen Holmes’ Stimme, der versicherte, es handele sich um blinden Alarm. Durch die kreischende Menge mir einen Weg bahnend, entschlüpfte ich zur Straßenecke und war hocherfreut, als ich zehn Minuten danach meines Freundes Arm in dem meinen fand und wir vom Schauplatz des Aufruhrs fortgelangten. Er schritt einige Minuten lang rasch und schweigend aus, bis wir in eine der ruhigen Straßen gebogen waren, die zur Edgware Road führen.
»Sie haben gute Arbeit geleistet, Doktor«, bemerkte er. »Es hätte nicht besser kommen können. Es ist gelungen.«
»Sie haben die Fotografie?«
»Ich weiß, wo sie steckt.«
»Und wie haben Sie es herausgefunden?«
»Sie zeigte sie mir, wie ich es Ihnen vorhergesagt hatte.«
»Ich tappe immer noch im Dunkeln.«
»Ich will kein Geheimnis daraus machen«, sagte er lachend. »Die Sache war ganz simpel. Sie haben natürlich bemerkt, dass jedermann auf der Straße ein Komplize war. Sie waren alle für den Abend engagiert.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Dann, als der Streit entbrannte, hatte ich etwas feuchte rote Farbe auf meiner Handfläche. Ich stürzte nach vorne, schlug hin, klatschte mir mit der Hand ins Gesicht und wurde zu einem bemitleidenswerten Anblick. Das ist ein alter Kniff.«
»Auch das habe ich ergründen können.«
»Daraufhin trug man mich hinein. Sie musste mich einfach hineinlassen. Was hätte sie anderes tun können? Und in ihren Salon, welches genau der Raum war, den ich unter Verdacht hatte. Das Bild war entweder darin oder in ihrem Schlafgemach, und ich war entschlossen herauszufinden, in welchem der Räume. Man legte mich auf eine Couch, ich fächelte mir Luft zu, man war genötigt, das Fenster zu öffnen, und Sie hatten Ihre Chance.«
»Und wie half Ihnen das?«
»Es war von entscheidender Bedeutung. Wenn eine Frau glaubt, dass ihr Haus in Flammen steht, befiehlt ihr der Instinkt, auf der Stelle zu dem Gegenstand zu stürzen, den sie am höchsten schätzt. Es ist ein restlos überwältigender Impuls, und mehr als einmal habe ich meinen Nutzen daraus gezogen. Im Falle des Darlingtoner Unterschiebungsskandals kam er mir zupass und ebenso in der Angelegenheit von Arnsworth Castle. Eine verheiratete Frau reißt ihren Säugling an sich – eine unverheiratete langt nach ihrem Schmuckkästchen. Nun war mir klar, dass unsere Dame heute nichts im Haus hatte, was ihr wertvoller war als das, wonach wir auf der Suche sind. Sie würde hinstürzen, um es in Sicherheit zu bringen. Ihr Feueralarm war wunderbar. Der Rauch und das Geschrei reichten hin, an Nerven von Stahl zu rütteln. Sie ging wunderschön darauf ein. Die Fotografie befindet sich in einer Nische hinter einer verschiebbaren Tafel genau oberhalb des rechten Klingelzugs. Sie war im Nu dort, und ich bekam sie flüchtig zu sehen, als sie sie halb herauszog. Als ich ausrief, es handele sich um blinden Alarm, legte sie sie wieder zurück, blickte auf die Rauchbombe, stürzte aus dem Zimmer, und seitdem habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich erhob mich und entwischte unter Entschuldigungen aus dem Haus. Ich hatte gezögert, ob ich versuchen sollte, das Foto auf der Stelle in meinen Gewahrsam zu bringen, aber der Kutscher war hereingekommen, und da er mich nicht aus den Augen ließ, schien es sicherer, abzuwarten. Auch nur die geringste Überstürzung kann alles verderben.«
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Unser Auftrag ist praktisch erledigt. Ich werde ihr morgen zusammen mit dem König einen Besuch abstatten – und mit Ihnen, wenn Ihnen daran gelegen ist, mitzukommen. Wir werden in den Salon geführt werden, um auf die Dame zu warten, aber vermutlich wird sie, wenn sie erscheint, weder uns noch die Fotografie antreffen. Es mag Seiner Majestät Befriedigung verschaffen, sie mit eigener Hand wiederzuerlangen.«
»Und wann werden Sie sie besuchen?«
»Morgens um acht. Sie wird noch nicht auf sein, so dass wir freies Feld haben werden. Außerdem müssen wir uns beeilen, denn diese Heirat könnte eine völlige Veränderung in ihrem Leben und in ihren Gewohnheiten bedeuten. Ich muss dem König unverzüglich telegrafieren.«
Wir hatten die Baker Street erreicht und vor der Haustür angehalten. Er fischte in seinen Taschen nach dem Schlüssel, als ein Passant sagte:
»Eine gute Nacht, Mr. Sherlock Holmes!«
Zu der Zeit befanden sich mehrere Leute auf dem Gehsteig, doch der Gruß schien von einem schlanken jungen Mann im Ulster zu stammen, der vorübereilte.
»Die Stimme habe ich doch schon einmal gehört«, sagte Holmes und starrte die schwach erleuchtete Straße hinunter. »Ich möchte doch zu gerne wissen, wer zum Teufel das gewesen sein könnte.«