Berühmte Kriminalfälle   8. Band. Alexandre Dumas

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Berühmte Kriminalfälle   8. Band - Alexandre Dumas

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schauten sie ihre jungen Gefährtinnen erstaunt an, und als sie ebenfalls hingingen, und nichts fanden, sagten sie, dass die Feen der Johanna diese Kronen schon geflochten geben. Noch seltsamer endlich war der Umstand, dass die scheuesten Thiere sie durchaus nicht fürchteten, und die kleinen Rehe und jungen Pfaue zu ihren Füßen spielten und hüpften, und oft irgend eine Grasmücke oder irgend ein Stieglitz kam und sich auf ihre Schulter setzte, und da sein melodisches Lied sang, wie wenn er auf dem höchsten Zweige eines Baumes gesessen wäre.

      Während dieser drei Jahre ging es mit den Angelegenheiten des Königs und Frankreichs immer schlimmer; das Königreich war bis an die Loire einer großen Wüste gleich geworden, die Felder lagen öde, die Dörfer in Ruinen, und die einzigen bewohnten Orte waren die Wälder und Städte; die Wälder, wegen ihrer Dicke, welche eine Zuflucht bot; die Städte, wegen ihrer Mauern, welche Sicherheit verhießen; es gab keinen Anbau, und folglich keine Ernten mehr, mit Ausnahme eines Bogenschusses im Umkreis der Mauern; eine Schildwache stand immer auf dem Kirchturm, und läutete Sturm, sobald sie den Feind bemerkte. Bei diesem Dröhnen kehrten die Feldarbeiter eilig zurück, ohne sich um ihre Heerden zu kümmern; denn auch die Heerden hatten diesen Schall erkennen gelernt, und rannten hastig heimwärts, sobald sie die Glocke ertönen hörten, brüllend und blökend mit kläglicher Stimme, und an den Toren um den Vortritt sich drängend und kämpfend, um sich unter dem Schutz der Menschen in Sicherheit zu bringen.

      Um diese Zeit, nämlich gegen den Anfang des Jahres 1428, wurde Monseigneur Thomas von Montaigu, Ritter, Graf von Salisbury, von den drei Ständen Englands beauftragt und entsendet, Frankreich zu bekriegen. Da nun die Kunde von diesem Feldzuge dem Herzog von Orleans zukam,der seit der Schlacht von Azincourt Gefangener in der Stadt London war, ohne dass die Engländer ihm gestatteten, sich loszukaufen, ging er zu dem Grafen von Salisbury, und bat ihn, als guter und loyaler Feind, nicht Güter und Domainen mit Krieg zu überziehen, die er, als abwesend, nicht mehr vertheidigen könne; der Graf versprach es ihm eidlich, landete, nach Ueberschiffung des Meeres, mit einer großen Macht zu Calais, und schlug sogleich den Weg nach jenem Theile Frankreichs ein, der noch nicht erobert war.

      Auf diese Art wurde die Gefahr dringender, als sie jemals gewesen war; daher erschienen Johanna's Visionen wieder. Das erste mal, da sie den heiligen Michael wieder sah, war er, wie er es dem jungen Mädchen versprochen hatte, von der heiligen Katharina und der heiligen Margareth begleitet; die beiden Heiligen nannten sich selbst der Johanna, und dankten ihr für ihre Andacht zu ihnen, und sagten ihr, dass, weil sie fromm, gut und sittsam geblieben, Gott sie noch immer für jene halte, welche Frankreich befreien sollte: sie befahlen ihr folglich, zu dem Könige Karl VII. zu gehen, und ihm zu sagen, dass sie aus Auftrag Gottes komme, um Kriegsanführer zu werden, und mit den Franzosen gegen die Engländer und Burgunder zu marschieren.

      Johanna blieb stumm bei diesem Befehle: denn sie war schwach und furchtsam wie ein junges Mädchen, konnte nicht leiden sehen, ohne gerührt zu werden, kein Blut stießen sehen, ohne zu weinen; wie kam es also, dass man ihr, einem Herzen voll Mitleiden, befahl, das harte Werk eines Kriegsmeisters zu vollbringen? Daher bebte sie, das arme Kind von sechzehn Jahren, vor der schrecklichen Zukunft zurück, die ihr beschieden war, Gott bittend, sie in ihrer Niedrigkeit zu lassen, und irgend einer Andern, Würdigeren, als sie, das Gewicht dieser blutigen Erwählung aufzuladen.

      Aber Johanna war gewählt; weder stumme Herzensaufschwünge, noch Bitten mit lauter Stimme, sollten den Beschluss der Vorsehung ändern. Eines Tages, da sie bei einer kleinen, der Jungfrau Maria geweihten, und an einem Kreuzwege des Waldes Chenu erbauten Kapelle kniete, schwebte die Wolke wieder zwischen ihren Augen und dem Himmel herab, aber diesmal noch leuchtender, als gewöhnlich; sie öffnete sich dann, und enthüllte die drei Abgesandten des Herrn; nur waren diesmal die beiden Heiligen, die bei ihrer ersten Erscheinung nur eine Armlänge hatten, in natürlicher Größe. Nun schlug Johanna die Augen nieder, denn menschliche Blicke konnten diesen göttlichen Glanz nicht ertragen, und sie hörte, ohne zu wissen, welche von den drei himmlischen Personen mit ihr sprach, eine Stimme, die ihr den Vorwurf machte:

      »Warum zögerst Du so, Johanna? Auf was wartest Du, da der Befehl gegeben ist, und warum beeilst Du Dich nicht, ihn zu vollziehen? In Deiner Abwesenheit wird Frankreich zerfleischt, die Städte sind zertrümmert, rechtschaffene Leute gehen zu Grunde, die Edlen werden niedergemetzelt, und ein kostbares Blut fließt zu Boden, wie wenn es das unnütze und schlammige Wasser der Ströme wäre. Ziehe also von dannen, Johanna, ziehe also hurtigen Schrittes von dannen, da der König des Himmels Dich gesendet hat!«

      Johanna ging nun zu ihrem Beichtvater, und erzählte ihm, was sie so eben gesehen und gehört hatte. Der alte Priester erteilte ihr den Rat, zu gehorchen.

      »Aber,« versetzte Johanna, »wenn ich auch von dannen ziehen möchte, wie könnt' ich es tun?« Ich kenne die Wege nicht, ich kenne weder das Volk noch den König; sie werden mir nicht glauben; Jedermann wird über mich lachen, und mit Recht, denn was gibt es Unsinnigeres, als zu den Großen zu sagen: »»Ein Kind wird Frankreich befreien, durch seine Fähigkeit die militärischen Unternehmungen leiten, den Sieg durch seinen Mut zurückführen;-« und was ist übrigens seltsamer und unschicklicher, mein Pater, als ein junges Mädchen in Mannskleidern?«

      Auf diese so vernünftige Rede wusste der alte gute Priester nur zu antworten, dass Gott sehr mächtig sei, und dass man gehorchen müsse; als dann Johanna zu weinen begann, an das ihr auferlegte peinliche Werk denkend, tröstete und stärkte er sie, so gut er es vermochte, indem er zu ihr sagte, sie solle noch warten, und das erste mal, da sie den heiligen Michael und die beiden Heiligen wieder sähe, sie fragen, wie sie es anstellen, welchen Weg sie nehmen, und an welchen Ort sie gehen müsse.

      Einige Monate lang, entweder weil die Stimmen, wie sie sie nannte, ob ihrer Unschlüssigkeit zürnten, oder weil die Zeit, zu handeln, noch nicht gekommen war, sah Johanna jedoch nichts. Dann wurde sie besorgt; das arme Kind wähnte, bei dem Herrn in Ungnade gefallen zu sein, und da sie von ihren himmlischen Beschützerinnen sich verlassen sah, setzte sie ein Gebet zusammen, um sie zu bitten, wieder zu ihr zu kommen, dann kniete sie sich vor den Altar der heiligen Katharina hin, und sagte es aus der tiefsten Tiefe ihres Herzens her. Das Gebet lautete, wie folgt:

      »Ich bitte Unsern Erlöser und Unsere Liebe Frau, mir Rat und Beistand hinsichtlich dessen zu senden, was ich nach ihrem Willen tun soll, und zwar durch die Vermittlung des seligen heiligen Michael, und der seligen heiligen Katharina und der heiligen Margareth.«

      Kaum hatte Johanna diese Worte ausgesprochen, als die leuchtende Wolke herabschwebte, und sich wie gewöhnlich öffnete, und die himmlischen Abgesandten erschienen. Nur war es diesmal der Engel Gabriel, der die beiden Heiligen begleitete. Nun senkte Johanna den Kopf, und die gewöhnliche Stimme ließ sich vernehmen:

      »Woher kommt es, dass Du zweifelst und zauderst, Johanna?« sagte die Stimme. »Woher kommt es, dass Du fragst, auf welche Weise die Dinge, welche Du vollbringen sollst, geschehen werden? Du weißt den Weg nicht, der zum Könige führt, sagst Du; auch die Israeliten wussten den Weg nicht, der sie in das gelobte Land führen konnte, und dennoch brachen sie auf, und die Flammensäule führte sie.«

      »Aber,« erwiderte Johanna, durch die Sanftheit dieser Stimme ermutigt, von der sie glaubte, sie würde zürnen, »wo ist der Feind, den ich bekämpfen, und wie lautet der Auftrag, den ich vollziehen soll?«

      »Der Feind, den Du bekämpfen sollst,« antwortete die Stimme, »ist in der Gegend von Orleans, und damit Du keinen Zweifel mehr hegst, dass wir Dir die Wahrheit sagen, wisse, dass heute sein Kriegsanführer, der Graf von Salisbury, getötet wurde; der Auftrag, den Du vollziehen sollst, besteht darin, die Belagerung der guten Stadt des Herzogs von Orleans aufzuheben, der Gefangener in England ist, und Karl VII. zur Salbung nach Rheims zu führen; denn so lange er nicht gesalbt sein wird, wird er nur Dauphin sein, und nicht König.«

      »Aber ich kann nicht so allein gehen,« versetzte Johanna. An wen muss ich mich wenden, auf dass er mir Hilfe und Beistand leiste?«

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