Karin Bucha Classic 45 – Liebesroman. Karin Bucha
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Franz gibt auf jede Frage die gewünschte Auskunft, bis sich das Bild immer mehr abrundet.
»Es wird notwendig sein, daß eine Kommission aus der Stadt die Angelegenheit untersucht«, meint der Polizeimeister abschließend. »Die Versicherung wird alles einleiten.«
*
Zur selben Zeit steht Beate vor Peter Warburg. Sie hat die Arme um seinen Hals gelegt und zieht seinen Kopf zu sich herab.
»Du mußt verschwinden, Peter«, raunt sie ihm beschwörend zu. »Du hast gehört, was man dir vorwirft. Es ist alles Unsinn, ich weiß das. Alles spricht gegen dich. Du warst, bevor du zu uns kamst, im Schuppen.«
»Beate«, stöhnt Peter und preßt sie an sich. »Ich habe mich überzeugt, ob alles in Ordnung war. Es war alles in Ordnung. Ich kann das einfach nicht begreifen.«
»Man will dich vernichten, Peter, glaube mir«, spricht sie weiter im beschwörenden Ton. »Den Grund kenne ich nicht. Doch du kannst dich nicht verteidigen, falls man dich einsperren sollte. Du mußt frei sein – dann kannst du für deine Unschuld kämpfen. Du mußt gehen, ganz gleich, wohin. Hörst du denn nicht? Du darfst auch keine Zeit verlieren, Liebster. Wenn mein Vater kommt, mußt du fort sein.«
»Ich bin kein Feigling«, preßt er zwischen den Zähnen hervor.
»Denke an mich, an unsere Liebe, Peter. Ich verlasse dich nie.«
Ausgepumpt, wie ein Sack, läßt er sich auf einen Stuhl nahe der Tür fallen. Beate ist hinausgehuscht. Sie kehrt mit einem Sportanzug ihres Vaters zurück und beginnt ein geschäftiges Treiben.
»Schreib mir, Peter«, flüstert sie abschiednehmend und bitterlich weinend an seinem Hals. Sie läßt sich herzen und küssen, liegt noch einmal selbstvergessen in Peters Armen – dann ist sie allein, allein mit ihrer Sorge um den geliebten Mann und mit ihrer Angst vor dem Kommenden.
Peter irrt zunächst umher. Er wandert durch den Wald, der ihm von Kindheit an vertraut ist. Er läuft kreuz und quer, und als es zu dunkeln beginnt, sieht er sich unter den Birken, wo er sich am Vormittag mit Beate getroffen hat.
Er lehnt sich gegen den hellschimmernden Stamm. Sind wirklich erst Stunden vergangen, daß aus einem sorglosen jungen Menschen ein gehetzter und geächteter Mann wurde?
*
Maria Warburg sitzt bei Anbruch der Dunkelheit immer noch auf der Bank vor dem Häuschen, das, von wildem Wein umrankt, in einen kleinen Garten gebettet, recht nett aussieht.
Sie hat die Hände im Schoß zusammengelegt und starrt aus großen Augen, in denen die ganze Trostlosigkeit ihrer Lage liegt, hinüber zu dem einst so stattlichen Anwesen.
Sie ist im Schmerz wie erstarrt. Es ist aber nicht allein der trostlose Anblick der rauchenden Trümmer, der sie in diesen Zustand versetzt hat…
Ihr Herz schlägt wie wild in der Brust. Sie weiß alles von Franz. Schonungslos, als wolle er sich auf irgendeine Weise und für irgend etwas rächen, hat er ihr den Verdacht, der auf Peter lastet, mitgeteilt.
Der Verstand hat alles aufgenommen, doch ihr Herz hat alles abgelehnt. Nie – niemals hat Peter das getan, dessen man ihn anklagt.
Und nun ist er fort! Ist es Recht oder Unrecht? Hätte er nicht allen Anschuldigungen trotzig die Stirn bieten müssen? Sie hebt den Kopf. Hinter dem Wald steigt der Mond auf und bescheint mit seinem gelblichen Licht die Trümmerstätte und auch die einsame Frau auf der Bank.
Sie lauscht. Da ist es wieder, dieses raschelnde Geräusch, und dann steht eine hohe Gestalt vor ihr.
»Peter!«
»Mutter!«
Sie sieht, wie er vor ihr niedersinkt, und spürt seinen Kopf in ihrem Schoß. Ihre zitternden Hände streicheln immerzu über seinen blonden Haarschopf.
»Du bist doch nicht fort, mein lieber, lieber Junge!« raunt sie voll Glück, und ihre starre Haltung verliert sich. Ihre Stimme ist weich, mit Zärtlichkeit getränkt.
»Ich konnte nicht gehen, ohne Abschied von dir zu nehmen, Mutter«, flüstert er zurück und hebt die verdunkelten Augen zu ihr auf.
»Es ist ja alles nicht wahr, Peter. Es kann nicht wahr sein, was man dir vorwirft.«
»Warum sitzt du hier allein, Mutter?« forscht er, ihre Worte überhörend. »Wo ist Franz, wo Magda und das Kind?«
»Sie sind bei Magdas Eltern –«
»Und du, Mutter?«
Die Dunkelheit verbirgt ihre Züge, in denen es zuckt und arbeitet. Aber sie beherrscht ihre Stimme.
»Ich wollte nicht mit ihnen gehen, selbst wenn sie mich aufgefordert hätten.«
Er hört alles aus ihren Worten, und ihm krampft sich das Herz zusammen. »Friedrich und Gerhard werden sich deiner annehmen, Mutter, solange ich weg bin.«
Sie umklammert seine Arme.
»Solange du weg bist?«
»Ich muß, Mutter. Ich muß meine Unschuld beweisen, das kann ich nur, wenn ich meine Freiheit habe.«
»Wohin willst du, Peter?«
Ratlos schweigt er. Wohin soll er sich wenden? Zunächst muß er eine große Strecke zwischen sich und dem Eichenhof bringen und dann etwas Gras über die Sache wachsen lassen. Noch ehe er zu einem Entschluß gekommen ist, fühlt er sich heftig gepackt.
»Peter«, sagt Maria Warburg in größter Erregung. »Geh zu Onkel Stephan nach Nebraska. Er wird dich aufnehmen. Ich habe immer viel für ihn übrig gehabt, und ich glaube –, hier stockt ihre Stimme, und leise fügt sie hinzu, »ich glaube, er für mich auch.«
»Und dich soll ich hier allein lassen? Ich traue Franz nicht mehr, vielleicht tue ich ihm damit auch Unrecht. Aber es sind ja noch Friedrich und Gerhard da.«
»Ich glaube, du sorgst dich mehr um mich als um dich«, meint sie nach einer Weile, und das Glücksgefühl, das sie in seiner Nähe immer beherrscht, fühlt sie jetzt stärker denn je. Vielleicht hat Franz recht? Vielleicht liebt sie Peter am meisten von ihren Kindern? Nein! Sie nehmen in ihrem Herzen alle den gleichen Platz ein. Nur ist Peters Art von ihrer Art, und er gleicht mehr als die anderen Kinder in seinem Wesen dem verstorbenen Vater.
Sie weiß ganz genau: nie wäre er einer Gemeinheit fähig. Sie glaubt auch nicht, was man ihm vorwirft, wessen man ihn beschuldigt.
»Peter, nimm meinen Rat an, so sehr weh es mir tut, dich nicht mehr um mich zu haben. Ich setze mich den Kindern gegenüber schon durch, glaube mir. Jetzt geht es um deine Sicherheit, und bei Onkel Stephan bist du gut aufgehoben. Ich habe leider kein Geld, ach, wovon sollst du die Reise bezahlen?«
»Ich habe Geld, Mutter. Beate hat mich reichlich versorgt.« Er faßt in seine linke Rocktasche. »Hier hast du etwas davon.«
»Nein! Nein!« wehrt sie heftig ab. »Keinen Pfennig nehme ich davon.«
»Doch, Mutter, du mußt es nehmen«,