Im Sonnenwinkel Classic 45 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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»Es geht leider nicht«, erwiderte Eva leise.
Sandra wusste selbst nicht zu erklären, warum sie darauf sagte: »Unser Haus steht Ihnen jederzeit offen. Erinnern Sie sich daran.« Und später, als sie dann heimfuhren, gestand sie ihrem Mann: »Ludwig Röttgen tut mir leid, aber diese kleine Eva noch mehr. Er wird ihr das Herz brechen.«
»Ludwig Röttgen?«, fragte Felix müde.
»Sein Sohn, mein Schatz. Das wird einer sein. Diesen Typ habe ich noch nie leiden können.«
»Das wird gut sein. Du bist meine Frau«, murmelte er.
Sandra, die am Steuer saß, bremste.
»Schlaf jetzt nicht ein, wir sind zu Hause.«
»Gott sei Dank! Die nächsten zehn Jahre passiert nichts mehr«, sagte Felix.
»Gar nichts?«, fragte sie.
»Keine Party.«
»Sie war ein Erfolg, Schätzchen.«
»Du bist süß, Schätzchen«, kam das Echo.
»Du hast einen Schwips«, lachte Sandra.
»Mit jedem muss man prosten. Es ist fürchterlich«, stöhnte Felix. »Der gute Ludwig Röttgen hätte es sich wohl nicht träumen lassen, dass er mal eine solche Schwiegertochter bekommt.«
»Hat er das gesagt?«, fragte Sandra staunend.
»Wer?«
»Der Junior natürlich.«
»Gesagt hat er es nicht, aber er wird doch nicht so blöd sein und dieses Mädchen laufen lassen.«
»Wie ich ihn einschätze, ist er so blöd, so arrogant und selbstherrlich. Er hält sich für unwiderstehlich.«
»Intelligent ist er aber auch. Er könnte allerhand auf die Beine bringen, wenn er ernsthaft wollte.«
»Er könnte, wenn er wollte«, wiederholte Sandra spöttisch. »Aber er will nicht!«
*
Eva war nach diesem Abend wie verändert, was Claudius zu der Bemerkung veranlasste, dass ihr der Ausflug in die Hautevolee wohl nicht bekommen sei. Sein Sarkasmus versetzte ihr einen schmerzhaften Stich.
»Es war nicht das erste Mal, dass die kleine Tänzerin ein solches Fest besuchte«, erwiderte sie trotzig, »aber ich habe noch nie so interessante und zugleich liebenswerte Menschen getroffen.«
»Mit diesem Opa hättest du dich aber nicht so eingehend zu befassen brauchen«, warf er ihr vor.
Mit dem »Opa« meinte er Lothar Dressler. Eva wusste es. Sie glaubte nun, dass Claudius eifersüchtig gewesen sei und lächelte versöhnlich.
»Herr Dressler ist das, was du vor
ein paar Tagen gern sein wolltest,
Claudius«, erklärte sie sanft. »Kunstmaler.«
Aber Claudius war gereizt. Sandra Münsters kühle Abweisung hatte ihn arg verletzt, und noch mehr, dass man von Eva mehr Notiz genommen hatte als von ihm.
»Solltest du ihm Modell stehen?«, fragte er ironisch.
»Davon kann keine Rede sein«, widersprach Eva. »Im Übrigen war ich nicht allein mit ihm, sondern in Gesellschaft sehr geistreicher Menschen.«
»Eva macht in Geist«, witzelte er. »Wie putzig.«
»Du hältst mich für dumm? Du siehst wohl nur die Tänzerin in mir, die ihre Glieder verrenkt. Zu mehr reicht es deiner Ansicht anscheinend nicht bei mir«, begehrte sie auf.
Sie wunderte sich selbst, dass sie dazu fähig war, aber in dieser Nacht hatte sie an Claudius manches entdeckt, was ihr bisher verborgen geblieben war. Es war ihr nicht entgangen, wie abschätzend er Sandra gemustert hatte, und dann auch Ricky. So, als wollte er sich vergewissern, wie weit man bei ihnen gehen könnte. Sie hatte auch bemerkt, dass Ricky wie Sandra kühl und eisig wurden.
»Wenn wir streiten wollen, sollten wir uns lieber trennen, Ev«, sagte Claudius da.
Sie war wie gelähmt. So schnell ging das bei ihm? Konnte man sich über gewisse Dinge nicht vernünftig auseinandersetzen?
»Entschuldige, Claudius«, äußerte sie beklommen. »Deine Worte haben mich verletzt.«
»Mich deine auch.«
Sie hatte ihm noch sagen wollen, dass es sie auch verletzt hatte, dass er sich so wenig um sie kümmerte, aber sie ließ es. Plötzlich hatte sie Angst, dass sie ihre Liebe einem Mann geschenkt hatte, dem sie nicht viel bedeutete, für den sie nur eine Episode war. Aber wie immer er sie auch kränkte, ihre Liebe für ihn blieb.
»Felix Münster hat mir ins Gewissen geredet, dass ich Papa jetzt unterstützen müsse. Anscheinend ist er ernstlich krank«, fuhr Claudius fort. »Es ist wohl besser, wenn ich heimfahre.«
Evas Augen begannen zu brennen.
War das schon das Ende dieses Traumes? Aber vielleicht war es nur ein Traum gewesen, und irgendwann kam das Erwachen. Manchmal schneller, manchmal langsamer.
Sie hatte Menschen kennengelernt, zu denen sie sich hingezogen gefühlt hatte. Hatte sie deshalb Claudius verloren? Ihre Gedanken verwirrten sich, ihr Herz begehrte auf, aber sie bemerkte an Claudius keine Gemütsbewegung.
»Felix Münster schätzt meinen Vater sehr«, sagte er jetzt. »Ich glaube, dass ich mich tatsächlich mal um die Geschäfte kümmern muss. Du kannst ja zu deinen Eltern fahren. Ich bringe dich hin, und bevor du dann nach Amerika abdampfst, treffen wir uns noch einmal in Hamburg. Einverstanden, Ev?«
Ob er sich ernste Sorgen um seinen Vater machte? Sie suchte nach Entschuldigungen. Sie war bereit, diese anzuerkennen, aber sie fragte doch: »Ist das der Abschied, Claudius?«
Ihre Stimme bebte, ihre Augen wurden feucht. Irgendwie rührte ihn das.
Er legte seine Hand unter ihr Kinn und erwiderte: »Was du gleich denkst, Schäfchen. Natürlich werden wir uns noch treffen.«
*
Eva hatte Claudius nicht mehr zu bitten gewagt, ihren Eltern wenigstens guten Tag zu sagen. Im Gegenteil, sie ließ sich nicht einmal bis vor das Haus bringen, weil ihr ganz plötzlich bewusst wurde, welch eine Kluft sie von der Herkunft her trennte. Er, der Sohn aus reichem Hause, der sich nie Einschränkungen aufzuerlegen brauchte, sie, die Tochter eines bescheidenen Angestellten, der es gerade zu einer Vierzimmerwohnung in einem einfachen Mietshaus gebracht hatte.
Deswegen hatte Eva nie an Minderwertigkeitskomplexen gelitten, aber der Stimmungsumschwung bei Claudius machte sie unsicher.
Claudius hielt auf ihren Wunsch in einer Seitenstraße an.
»Es sind nur noch ein paar Meter«, sagte Eva leise.