Butler Parker 191 – Kriminalroman. Günter Dönges
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»Sie haben sich also auch schon in der Spionageszene betätigt, Mister Parker, ich hätte es mir ja denken können! Es scheint kein dunkles Gewerbe zu geben, dem Sie nicht schon nachgegangen wären ... Ich bin aufrichtig erstaunt, Mister Parker, bei Gelegenheit müssen Sie mir unbedingt mehr darüber erzählen!« Lady Agathas Augen hatten einen verdächtigen Glanz bekommen und wirkten außerordentlich animiert.
»Es wird meiner bescheidenen Wenigkeit eine Ehre sein, Mylady einige weltweit gesuchte Spione vorstellen zu dürfen«, gab Parker würdevoll zurück. »Möglicherweise ergibt sich schon in der kommenden Nacht eine Gelegenheit dazu.«
»Ich überlege ernsthaft, Mister Parker, ob das nicht der Stoff für meinen Thriller ist. Ich glaube, ich werde einen Spionageroman schreiben und Kritiker und Leserschaft damit etwas nie Dagewesenes bieten ...«
»Das ist mit Sicherheit zu erwarten«, stimmte Parker etwas zweideutig zu und verbeugte sich leicht. Seit Jahren beabsichtigte Agatha Simpson einen Roman zu schreiben, der nicht nur die Welt zu Beifallstürmen hinreißen, sondern auch eine gewisse Agatha Christie deklassieren würde.
Parker hatte ein Studio eingerichtet, das alles enthielt, was die moderne Bürotechnik einschließlich eines Personalcomputers mit nahezu unbegrenzter Speicherkapazität zu bieten hatte. Leider hatte sich Mylady bislang für kein Thema definitiv entscheiden können, so daß die teure Ausstattung noch immer ungenutzt ihrer Einweihung harrte.
»Wann erwartet mich dieser Mensch mit dem seltsamen Namen, Mister Parker?« erkundigte sie sich gespannt.
»Mister Fullerton hält ein Uhr morgens für die beste Zeit, um ihm einen Besuch abzustatten. Einerseits könnten Mylady dann noch die letzte Show erleben, andererseits würden danach die ersten Besucher gehen und Mister Fullerton somit etwas Zeit zu einem ausführlichen Gespräch finden.«
»Das ist doch mitten in der Nacht, da ist doch längst alles geschlossen, Mister Parker. Sie haben sich wieder mal reinlegen lassen, auf mich wartet eine Falle, weiter nichts. Aber ich werde diesem Lümmel zeigen, daß man eine Lady Agatha nicht hereinlegt, Mister Parker, ich werde Ihren Fehler wiedergutmachen.«
»Mylady dürften wie immer die Situation fest im Griff haben.« Parkers Gesicht zeigte keinerlei Regung, während er höflich weitersprach. »Mister Fullertons Etablissement ist bekannt dafür, daß man sich hier rund um die Uhr amüsieren kann, Mylady. Man kennt keinerlei zeitliche Einschränkungen. Aus diesem Grund wird es Mylady auch möglich sein, Mister Fullertons Etablissement zu dieser ungewöhnlichen Stunde aufzusuchen.«
»Sie meinen, man kann hier mitten in der Nacht kommen, Mister Parker?« vergewisserte sie sich ungläubig.
»So ist es, Mylady. Mister Fullertons Stammgäste ziehen es sogar ausdrücklich vor, solche Besuche erst spät am Abend durchzuführen.«
»Das klingt nicht schlecht, Mister Parker. Ich denke, ich werde mich durchaus amüsieren, auch wenn man sich hier mitten in einer recht aufsässigen Kolonie befindet! Welcher Art ist das Etablissement Ihres Bekannten?«
Parker verzichtete darauf, auf Myladys Kommentar bezüglich der schottischen Kolonie einzugehen. Statt dessen erklärte er ihr höflich, in welchem Geschäft Jock Fullerton tätig war.
»Mister Fullerton führt eine stadtbekannte Travestiebühne, die einen ausgezeichneten Ruf genießt, Mylady. Darüber hinaus pflegen sich in seinem Unternehmen Angehörige des sogenannten horizontalen Gewerbes und Nachrichtenhändler aller Couleur zu treffen. Seinem Etablissement ist ein gewisses Flair nicht abzusprechen.«
»Travestie, Mister Parker? Sie meinen, es handelt sich um ein Homosexuellen-Lokal?« erkundigte sie sich und sah ihn streng an.
»Mitnichten, Mylady. Bei der Travestie geht es darum, Frauenfiguren von männlichen Darstellern verkörpern zu lassen. Diese Herren sind ausgezeichnet geschminkt und parodieren bekannte Damen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Die Shows des Mister Fullerton zählen zur internationalen Spitze, wie man allgemein zu berichten weiß. Mylady werden sich mit Sicherheit gut unterhalten.«
»Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben, Mister Parker! Wenn ich mich schon von Ihnen zum Besuch solcher Abartigkeiten überreden lasse, um Ihnen einen Gefallen zu tun, will ich mich wenigstens dabei auch amüsieren.«
Sie musterte ihn erneut von oben bis unten und fuhr dann nachdenklich fort. »Ich weiß allerdings nicht, ob ein solches Lokal der richtige Ort für Sie ist, Mister Parker!«
»Mylady haben irgendwelche Bedenken?« erkundigte sich Parker höflich.
»Nur wegen dieser horizontalen Damen, Mister Parker! Ich hoffe, Sie wissen sich zu beherrschen und halten sich zurück ...«
*
»Ich freue mich, Sie wiederzusehen, Mister Parker!« Jock Fullerton, der in einem nicht sonderlich angesehenen Viertel Edinburghs ein Etablissement betrieb, eilte mit weitausgebreiteten Armen auf den Butler zu. Er war klein, rundlich und wieselflink und erinnerte an den sprichwörtlichen ›Kugelblitz‹. Er drückte Parker temperamentvoll an sich und klopfte ihm wiederholt auf die Schultern.
Als Lady Agatha sich nachdrücklich räusperte, ließ er von ihm ab und wandte sich ihr zu. »Und Sie sind sicher die sagenhafte Lady, von der er mir soviel erzählt hat!« Fullerton strahlte und eilte auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen. Lady Agatha trat vorsichtshalber einen Schritt zur Seite und entging mit knapper Not seinem Ansturm.
»Zügeln Sie sich etwas, junger Mann!« verlangte die ältere Dame streng, während sie ihn mit eisigem Blick musterte.
»Mister Fullerton ist das, was man ein Temperamentsbündel zu nennen pflegt, Mylady«, erläuterte Josuah Parker würdevoll. »Er pflegt stets offen und freimütig zu zeigen, wenn ihm jemand sympathisch ist.«
»Ihre Lady ist einfach großartig, Mister Parker, das muß ich schon sagen.« Er musterte Agatha Simpson wohlwollend von oben bis unten und nickte anerkennend.
»Der junge Mann hat nicht ganz unrecht, Mister Parker«, überlegte die Detektivin geschmeichelt. »Er scheint über ein gutes Auge und eine ausgezeichnete Menschenkenntnis zu verfügen.«
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, Mylady? Ich weiß natürlich, daß eine Lady nicht trinkt, aber wenn Sie mir die Ehre erweisen würden?«
»Papperlapapp, mein Lieber, wenn Sie mich ausdrücklich darum bitten ... Tatsächlich verabscheue ich Alkohol, wie Ihnen Mister Parker bestätigen wird, nicht wahr, Mister Parker?«
»Mylady sind in jeder Hinsicht ein leuchtendes Vorbild und nehmen nur hin und wieder einen Kreislaufbeschleuniger«, bestätigte Parker etwas neutral.
»Wie wär’s mit ’nem Schlückchen Schampus, Mylady?« erkundigte sich Fullerton leutselig, während er bereits die entsprechende Flasche schwenkte.
»Dieses Zuckerwasser ist nichts für mich, junger Mann«, beschied sie ihn. »Haben Sie nichts Anständiges da, Rum oder Cognac beispielsweise?«
»Aber sehr gern, Mylady.« Fullerton verbeugte sich galant und lächelte Agatha Simpson entzückt an. »Ich muß sagen, Sie gefallen mir von Minute zu Minute besser. Frauen wie Sie trifft man ja kaum noch.«
Mylady musterte den kleinen Mann mehr als nur wohlwollend und brachte es sogar fertig, ein wenig zu erröten. Josuah Parker,