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zu machen.

      Für Pearl war es alles andere als entspannend, denn sie musste jede Woche sechs Tage lang arbeiten und hatte nur am siebten Tag frei – sofern es keinen Notfall gab. Und an diesem Ort war gewiss nicht wirklich alles traumhaft, sorgenfrei und wunderschön. Paradisia war wie ein Gefängnis für sie, bloß dass sie nicht von Gittern, sondern von Milliarden Litern Meerwasser eingeschlossen war.

      Sie trat aus der Dusche, wobei sie wegen ihrer Größe fast den Kopf einziehen musste, rubbelte sich schnell trocken und wickelte das Handtuch um ihr kurzes Haar. Dann musste sie wenigstens die Farbe nicht sehen, wenn sie am Spiegel vorbeiging. Lohfarben – was war das überhaupt? Eine Mischung aus rot und hellbraun. Nichts Halbes und nichts Ganzes, genau wie sie.

      Jetzt hör doch mal auf, dich ständig über alles zu beschweren, schimpfte sie sich und hörte die Stimme ihres ehemaligen Lehrers Mr. Twiggle durch den Kopf hallen: Mehr Dankbarkeit, junges Fräulein!

      Ein Fräulein war sie mit ihren fast dreißig Jahren nicht mehr, ansonsten hatte sich an ihrer Einstellung kaum etwas geändert: Sie hasste es hier. Bloß ihre Arbeit ließ sie durchhalten. Die war abwechslungsreich und lenkte sie wenigstens ab – was wahrscheinlich auch Sinn und Zweck der ganzen Beschäftigungsmaßnahmen sein sollte. Denn sobald es einmal nichts für sie zu tun gab, kam sofort einer der drei Oberen zu ihr, um ihr neue Aufgaben zuzuteilen.

      Prompt fiel ihr Cornelius Hawthorne ein und wo sich dieser Obere genau in diesem Moment befand. Das hätte sie ja fast vergessen!

      Hastig schlüpfte sie in ihre Unterwäsche und anschließend in den dunkelgrünen Arbeiteroverall, warf das Handtuch über die Trockenstange in der winzigen Nasszelle und fuhr sich mit den Fingern durch ihre verstrubbelten Haare. Das sollte reichen. Schließlich musste sie keinen dieser dämlichen Schönheitswettbewerbe gewinnen, die die Privilegierten hier ständig veranstalteten – und zu denen sie ohnehin nie eingeladen war. Das machte ihr nichts aus, doch es ärgerte sie tierisch, dass sie nicht dabei sein durfte, wenn ein neuer Android aufgetaut wurde! Diese menschenähnlichen Roboter waren vor Pearls Geburt erschaffen und eingefroren worden – damit deren organische Haut nicht alterte. Weil keiner hier wusste, wie lange sie noch unter der Oberfläche leben mussten, wurde immer nur ein Android aktiviert und so lange benutzt, bis er nicht mehr zuverlässig funktionierte. Aus diesem Grund hatte Pearl bisher nur mit Koa zusammengearbeitet. Der unterstützte nicht nur sie bei einigen Aufgaben, sondern er wurde auch für andere Dienste in der Stadt gebraucht. Doch Koa gab nach knapp dreißig Jahren langsam den Geist auf, deshalb hatte Pearl um einen neuen Roboter gebeten – so schwer ihr das auch gefallen war. Sie mochte Koa … Welch lächerlicher Gedanke, schließlich war er nur eine Maschine. Sie würde ihn trotzdem sehr vermissen, wenn er nicht mehr mit ihr zusammenarbeitete.

      Hastig schluckte sie die kleine Pille, die in dem Ausgabeschacht neben dem Blutscanner lag, wobei sie einen flüchtigen Blick auf die Anzeige warf. Säuberlich aufgereiht fanden sich dort alle Vitamine und Mineralstoffe, die das Gerät in die Pille gepackt hatte, weil sie Pearls Körper fehlten. Dort sollte auch stehen, wenn sie krank oder schwanger war – was sofort weiter an die Zentrale gemeldet wurde. Außerdem zeigte es an, ob sie überhaupt schwanger werden konnte. Für heute lag die Empfängniswahrscheinlichkeit bei drei Prozent. Sie hatte also nicht ihre fruchtbaren Tage.

      Pearl war nie krank – und schwanger … dass sie nicht lachte. Wer sollte sie denn auch wollen? Mit ihrer Größe konnte sie fast Koa Konkurrenz machen, und ansonsten war niemand größer als dieser Android – von den Metallsoldaten einmal abgesehen. Die standen deaktiviert in jedem Gang, um im Notfall die Stadt zu verteidigen.

      Pearl entsprach eben nicht dem gängigen Schönheitsideal. Sie war weder klein noch zierlich noch besaß sie eine Hühnerbrust. »Man kann eben nicht alles haben«, murmelte sie, gackerte genau wie Jenny, ihr aktuelles Lieblingshuhn, lachte und fühlte sich gleich besser. Anschließend konzentrierte sie sich erneut auf die Vitalstoffanzeige, die mal wieder fast dieselben Sachen aufzählte wie jeden Tag. Vitamin D fehlte ihrem Körper am meisten, was ohne Sonnenlicht nicht verwunderlich war, genau wie K2, B12, Folsäure und Magnesium. Ohne diese täglichen Mineralstoffrationen, die hier jeder bekam, wären sie alle entweder schwerkrank oder längst tot. Pearl wusste nicht genau, wie diese ganzen Stoffe hergestellt wurden, denn nicht alle Vitamine waren synthetisch. Einige wurden aus diversen Algen gewonnen, die ihnen auch als Nahrungsquelle dienten. Darum kümmerten sich spezielle Lebensmitteltechniker. Ihr Job war es schließlich, hier die Geräte zu warten, die ebenfalls das Überleben sicherten: die Be- und Entlüftungsanlagen, die Sauerstoffproduktion, die Meerwasserentsalzungsanlagen, Druckausgleichsventile, die stromerzeugenden Turbinen … ja sogar die kleinen Maschinen hinter der Wandverkleidung, die ihre Pillen zusammen mixte. Natürlich war sie nicht die einzige Wartungstechnikerin, aber die einzige, die meistens die Nachtschichten übernahm, so wie heute. Dann wirkte die Meeresstadt oft wie ausgestorben, weil die Privilegierten in ihren hübschen, großen Betten lagen. Pearl hatte dann manchmal das Gefühl, Paradisia gehörte nur ihr.

      Bevor sie auch an diesem Tag – oder besser gesagt: in dieser Nacht – überprüfte, ob alle lebenswichtigen Systeme reibungslos liefen, wollte sie noch etwas »auskundschaften«, wie sie es nannte, um der illegalen Betätigung etwas weniger Gewicht zu verleihen. Es kam ihr – trotz ihres Status – reichlich seltsam vor, dass ihr Cornelius so vehement untersagt hatte, beim Auftauprozess des neuen Androiden dabei zu sein. Das war ein Ereignis, das normalerweise nur alle paar Jahrzehnte stattfand!

      Was, wenn etwas schiefging? Die Kältekapsel eine Fehlfunktion hatte? Sie kannte sich schließlich mit allerlei Arten von Geräten aus! Selbst wenn sie eine Maschine nie zuvor gesehen hatte, reichte es ihr, diese kurz zu inspizieren, und schon wusste sie, was zu tun war. Deshalb war sie auch die Beste in ihrem Job.

      Irgendwas war faul an der ganzen Androiden-Sache; das Gefühl hatte sie schon lange, weil ihr niemand auch nur irgendwelche Fragen beantworten wollte, die mit Koa oder den anderen Robotern zu tun hatten …

      Pearl begab sich zu dem kleinen Monitor, der sich gleich neben dem Ausgang ihrer »Behausung« befand, und tippte auf das Display. Hierüber ließ sich alles in ihrer Zelle steuern, vom Licht, ihrem Wecker bis zur Heizung. Außerdem konnte man darüber auch mit der Krankenstation oder der Notrufzentrale Kontakt aufnehmen, und, wenn man so gewieft war wie sie, sämtliche Überwachungskameras der Unterwasserstadt anzapfen. Bisher hatte sie das nur wenige Male gemacht. Denn sollte das jemand herausfinden, wäre sie nicht nur ihren Job, sondern wahrscheinlich auch ihren Kopf los. Aber was wäre das Leben hier unten schon wert ohne ein wenig Abenteuer?

      Sie bückte sich, um ein Tablet aus ihrem Arbeitsrucksack zu holen, der sie stets überallhin begleitete, und koppelte es drahtlos mit dem Monitor. Dann hackte sie sich ins System und hatte nur wenige Sekunden später Zugriff auf jede einzelne Kamera der Unterwasserstadt – und das waren hunderte. Bloß eine blieb ihr verwehrt. Das war ausgerechnet diejenige, die in einem Raum lag, zu dem sie keinen Zutritt besaß, außer ein Oberer oder eine andere autorisierte Person begleitete sie. Darin wurden die eingelagerten Androiden in den Kältekapseln aufbewahrt.

      Nervös kaute Pearl an ihrer Unterlippe. Sie brannte vor Neugier, zu wissen, was darin vor sich ging. Jemand hatte das Überwachungssystem extra lahmgelegt, doch mit ein oder zwei Codes könnte sie das Problem umgehen. Allerdings bestand ein Risiko, dabei erwischt zu werden.

      »Scheiß drauf, ich will nur einen ganz kurzen Blick reinwerfen, und diese Loser werden nicht einmal bemerken, dass sie beobachtet werden«, murmelte sie, tippte die entsprechenden Zeilen und bekam prompt ein scharfes Bild geliefert. Sie war wirklich keine Sekunde zu früh dran, denn allem Anschein nach war gerade die Kryokapsel eines Androiden geöffnet worden! Sie sah von der Form fast aus wie eine riesige Pille; der Deckel wurde zur Seite geklappt und die ganze Kühlzelle langsam in eine senkrechte Position gebracht. Ein wenig weißer Nebel waberte heraus – ob das Stickstoff war? Pearl hatte keine Ahnung, wie genau diese Androiden konserviert und wieder zum »Leben« erweckt wurden, wobei ja angeblich

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