Titain - Warrior Lover 15. Inka Loreen Minden
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Kapitel 3 – Ein Scheißleben
»Soll ich ihn nicht doch betäuben?«, drang die aufgeregte Stimme des jungen Arztes an seine Ohren. Er konnte ihn und auch die anderen nicht sehen, weil er mittlerweile auf dem Bauch lag, festgezurrt auf dieser verfluchten Liege.
»Titain ist ein ehemaliger Warrior, der hält das aus«, antwortete Cornelius Hawthorne oder war es Valerian Audley? Nepos Moore auf jeden Fall nicht, denn der besaß eine Stimme wie ein Reibeisen.
Er hatte die drei Männer sofort erkannt, obwohl sie jetzt aussahen wie Greise. Sie alle waren dabei gewesen, als ihre perversen Ärzte an ihm herumexperimentiert hatten.
»A-aber wenn er sich bewegt«, stotterte der Doc, »könnte ich wichtiges Gewebe beschädigen oder die Steuerung funktioniert dann vielleicht nicht richtig.«
»Dann fixieren wir ihn ordentlich«, beschloss einer der Alten. »Koa …«
Fuck, diese verdammten Drecksäcke wollten ihn erneut an diese verfickte Steuerung koppeln, die ihn zu einem willenlosen Lakaien machte!
Ich werde nicht wieder zu ihrem Sklaven, nicht zu ihrem Diener, wiederholte er ununterbrochen im Geiste, während Koa seinen Kopf in einer Art Schraubstock fixierte.
Würde Titain noch sein normales Skelett besitzen, hätte er durch den wahnsinnigen Druck auf seinen Schädel jetzt vielleicht vor Schmerzen geschrien. Aber er besaß keine gewöhnlichen Knochen mehr. Die waren von diesen kranken Wissenschaftlern in einem tagelangen Prozess mit einer extraharten Legierung überzogen worden. Damals hatte er geschrien und sein Herz war wegen der enormen Belastung mehrmals stehen geblieben. Doch die Nanobots, diese kleinen Biester, die nicht nur seine Knochenstruktur verändert hatten, hatten auch dafür gesorgt, dass sein Herz jedes Mal wieder zu schlagen begonnen hatte. Außerdem war es nicht bei einer »Modifikation« geblieben. Später hatten sie ihn erneut in ein Shuttle verfrachtet, ihn »deaktiviert«, sodass er nicht wusste, wohin die Reise ging, und er war in einem Operationssaal wieder aufgewacht …
Koa hatte genau solch ein Leid erfahren wie er, wahrscheinlich sogar Schlimmeres, denn seinem ehemaligen Waffenbruder hatten sie nicht nur einen ganzen Arm ersetzt, sondern auch das Herz und die Augen, soweit er das noch wusste. Deshalb vergab ihm Titain, denn der Krieger konnte nichts für seine Taten. Koa sah, genau wie Audley und Moore, ebenfalls um viele Jahre gealtert aus. Nur bei Hawthorne schien der Lauf der Zeit gnädiger gewesen zu sein.
Wie lange bin ich eingefroren gewesen?, fragte er sich. Sein Puls raste, während die Metallbolzen des Schraubstocks schmerzhaft in seine Haut drückten. Und warum musste dieser Albtraum von vorne beginnen? Was würden sie diesmal mit ihm anstellen?
Er würde sich mit aller mentaler Kraft gegen seine Steuerung wehren und jeden töten, der sich ihm in den Weg stellte, und wenn es das Letzte war, was er tat …
***
Pearl bahnte sich ihren Weg zwischen den Putzrobotern hindurch in Richtung Kantine und hoffte, dass ihre butterweichen Knie nicht nachgaben. Sie musste genau dasselbe tun wie an jedem Tag auf ihrem Weg zur Arbeit, um nicht aufzufallen. Konnte man ihr ansehen, was in ihr vorging? Ihre Aufregung spüren?
Weil sie völlig in Gedanken versunken war, stolperte sie beinahe mehrmals über einen der teller- bis kistengroßen Putzroboter, die leise surrend vor ihren Füßen herumwirbelten, um den Boden zu saugen. Andere wischten feucht nach und wieder andere sammelten gröberen Müll ein. Pearl traf nur nachts auf sie, wenn fast alle Einwohner, bis auf ein paar Arbeiter, schliefen. Meistens sagte sie dann zum Spaß: »Na, meine quirligen Freunde, auch schon ausgeschlafen?« Aber heute stand ihr nicht der Sinn nach Humor.
Denk nach, ermahnte sie sich und versuchte, sich nicht schuldbewusst zu ducken, als sie an einem der riesigen »Metallsoldaten« vorbeilief. Diese silberfarbenen Roboter konnten ihr schließlich nicht in den Kopf schauen! Sie waren jedoch imposant, beinahe drei Meter groß, und standen in fast jedem Gang und in jeder Kuppel der Unterwasserstadt. »Die Garde« wurden sie genannt und nur aktiviert, wenn das Notfallprotokoll in Kraft trat. Das würde allerdings bloß geschehen, falls die Arbeiter oder sonst jemand, zum Beispiel Eindringlinge von draußen, versuchen sollten, Paradisia zu übernehmen. Doch wenn da oben an Land ohnehin niemand mehr lebte – außer in den Kuppelstädten, deren Menschen darin genauso gefangen waren wie Pearl hier – wer sollte dann jemals an diesem Ort auftauchen?
Bisher hatte sie immer geglaubt, unter Koas organischer Hülle würde ebenfalls solch ein Metallgerüst stecken, weil auch sein Arm fast genauso aussah wie der eines Garde-Soldaten. Aber jetzt war sie sich da nicht mehr sicher.
Während sie weiterlief, dachte sie über ihr Leben in Paradisia nach. Hätte sie mehr Rechte, mehr Freizeit und eine bessere medizinische Versorgung, könnte es womöglich ganz angenehm sein. Sie schritt durch einen gläsernen Tunnel, der die Unterkünfte der Techniker mit der nächsten Kuppel verband, und betrachtete kleine bunte Fische, die im Meer vorbeihuschten und sich gerne im Licht aufhielten. Hier in den unteren Etagen – nur die Grabungskuppel und die Minen lagen noch tiefer – kam auch tagsüber nur wenig Sonnenlicht an.
Die ganze Unterwasserstadt, die aktuell knapp 1400 Einwohnern Schutz bot, bestand aus zehn kleineren Kuppeln mit einem Durchmesser von je hundert Metern und vier größeren Kuppeltürmen, in denen das tägliche Leben stattfand. Dort gab es von Bars, Spas über Erlebnisbäder bis Friseurläden und Beautysalons alle Annehmlichkeiten für die höhere Gesellschaft. Dabei sollten die Arbeiter mehr Platz haben als diese Privs, schließlich gab es von ihnen viel mehr Leute!
Über den gigantischen Stahlkonstruktionen der Kuppeln wölbten sich drei Meter dicke Scheiben aus Acrylglas, die in den tieferen Regionen zusätzlich mit glasfaserverstärktem Kunststoff verkleidet waren, um dem enormen Wasserdruck – und den mutierten Meeresbewohnern – standhalten zu können. Armdicke Seile aus einer Speziallegierung, die dem Salzwasser trotzte, verankerten die Kuppeln und Verbindungsröhren »schwebend« auf dem Meeresboden, damit im Falle eines Erdbebens die Scheiben keine Risse bekamen. Zusätzliche Gewichte zogen die Kuppeln nach unten. Biogasanlagen produzierten Wärme und Strom, genau wie die Turbinen außerhalb der Stadt, durch die Meerwasser strömte.
In den kleineren Kuppeln, in denen auch die Schlafbereiche der Arbeiter lagen, wurden hauptsächlich Nahrungsmittel angebaut. Doch die Hauptnahrungsquellen in Paradisia waren natürlich Fische und Algen, die in Farmen innerhalb – mit Süßwasser – und auch außerhalb der Stadt gezüchtet wurden. Eine spezielle Algenart, die keine radioaktiven Elemente in ihren Zellen einlagerte, lieferte ihnen die nötige Jodzufuhr.
Tauchroboter übernahmen die Ernte, aber manchmal musste auch Koa in einem speziellen Druckanzug nach draußen gehen, falls einer der Roboter repariert werden musste.
In den oberen Bereichen, die keine zwanzig Meter unter der Wasseroberfläche lagen, konnte man auch während des Tages ohne künstliches Licht die Meeresbewohner beobachten, zumindest wenn sie nah genug an die Scheiben herankamen. Denn die Sichtweite unter