Ein Zimmer für sich allein. Virginia Woolf

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Ein Zimmer für sich allein - Virginia Woolf Gatsby

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Beginn der Pubertät der,

      Attraktivität der,

      Als Opfer dargebracht von,

      Kleinerer Gehirnumfang der,

      Tieferes Unterbewusstsein der,

      Weniger Körperbehaarung der,

      Mentale, moralische und physische Unterlegenheit von,

      Kinderliebe der,

      Höhere Lebenserwartung der,

      Weniger Muskelmasse der,

      Stärke der Liebesfähigkeit der,

      Eitelkeit der,

      Höhere Bildung der,

      Shakespeares Meinung über die,

      Lord Birkenheads Meinung über die,

      Dean Inges Meinung über die,

      La Bruyères Meinung über die,

      Dr. Johnsons Meinung über die,

      Mr Oscar Brownings Meinung über die …

      Hier holte ich Luft und ergänzte, aber nur am Rand: Warum sagt Samuel Butler: ›Weise Männer sagen nie, was sie über Frauen denken‹? Weise Männer reden offenbar über nichts anderes. Aber, fuhr ich fort, lehnte mich in meinem Stuhl zurück und sah zur gewaltigen Kuppel auf, unter der ich ein einzelner, aber inzwischen schon ziemlich gequälter Gedanke war, bedauerlich daran ist, dass weise Männer nie alle das Gleiche über Frauen denken. Hier ist Pope:

      Die meisten Frauen haben keinerlei Charakter.

      Und hier ist La Bruyère:

      Frauen sind Extreme; sie sind besser oder schlechter als die Männer –[7]

      ein direkter Widerspruch zweier scharfsinniger Beobachter, die Zeitgenossen waren. Sind Frauen zur Bildung fähig oder unfähig? Napoleon hielt sie für unfähig. Dr. Johnson dachte das Gegenteil.4 Haben sie Seelen, oder haben sie keine Seelen? Einige Wilde sagen, sie hätten keine. Andere hingegen bestehen darauf, dass Frauen zur Hälfte göttlich sind, und beten sie deswegen an.5 Einige Weise behaupten, sie hätten einen seichteren Verstand, andere, sie hätten ein tieferes Bewusstsein. Goethe verehrte sie; Mussolini verachtete sie. Wohin man auch schaute, dachten Männer über Frauen nach und dachten unterschiedlich. Unmöglich, daraus schlau zu werden, beschloss ich und warf einen neidischen Blick auf den Leser nebenan, der die säuberlichsten Auszüge verfasste, die oft mit einem A oder einem B oder einem C überschrieben waren, während mein eigenes Notizbuch von wildestem Gekritzel widersprüchlicher Einträge nur so strotzte. Es war peinlich, es war verstörend, es war demütigend. Die Wahrheit war mir zwischen den Fingern zerronnen. Jeder Tropfen hatte sich verflüchtigt.

      Ich konnte unmöglich nach Hause gehen, überlegte ich, und der Untersuchung von Frauen und Literatur ernsthaft den Beitrag hinzufügen, dass Frauen weniger Haare auf dem Körper haben als Männer oder dass die Pubertät bei den Südseeinsulanerinnen mit neun beginnt – oder ist es neunzig? –, selbst die Handschrift war in diesem Zustand der Verstörtheit schon unleserlich geworden.

      Es war beschämend, nach der Arbeit eines ganzen Vormittags nichts Gewichtigeres oder Respektableres vorweisen zu können. Und wenn ich die Wahrheit über die Vergangenheit von F (wie ich sie der Kürze halber inzwischen nannte) nicht zu fassen bekam, wozu sich dann mit der Zukunft von F herumplagen? Es schien die reinste Zeitverschwendung zu sein, alle diese Herren zu befragen, die sich auf Frauen und ihre Wirkung auf was auch immer spezialisieren – auf Politik, Kinder, Gehälter, Moral –, zahlreich und fachkundig, wie sie sind. Man kann ihre Bücher genauso gut ungeöffnet lassen.

      Aber während ich so vor mich hin dachte, hatte ich in meiner Verdrossenheit, in meiner Verzweiflung unbewusst eine Zeichnung angefertigt, statt, wie mein Nachbar, eine Schlussfolgerung an diese Stelle zu schreiben. Ich hatte ein Gesicht gezeichnet, eine Gestalt. Es waren Gesicht und Gestalt des Professors von X., während er sein monumentales Werk mit dem Titel Die mentale, moralische und physische Unterlegenheit des weiblichen Geschlechts verfasste. In meiner Zeichnung war er kein Mann, den Frauen anziehend gefunden hätten. Er war grobschlächtig, er hatte Hängebacken und zum Ausgleich sehr kleine Augen, und er war sehr rot im Gesicht. Sein Ausdruck suggerierte, dass er unter irgendeiner Gefühlswallung litt, die ihn mit dem Stift aufs Papier einstechen ließ, als tötete er beim Schreiben ein schädliches Insekt, aber auch, als er es getötet hatte, war er nicht zufrieden, er musste mit dem Töten weitermachen, und trotzdem gab es immer noch irgendeinen Grund zu Ärger und Zorn. Konnte es seine Frau sein, fragte ich mich und betrachtete meine Zeichnung. War sie in einen Kavallerieoffizier verliebt? War der Kavallerieoffizier schlank und elegant und in Lammfell gekleidet? War der Professor, um die Freud’sche Theorie anzuwenden, in seiner Kinderwiege von einem hübschen Mädchen ausgelacht worden? Denn selbst in der Wiege konnte dieser Professor, dachte ich, kein anziehendes Kind gewesen sein. Was immer der Grund war, auf meiner Zeichnung sah der Professor sehr zornig und sehr hässlich aus, wie er da sein großartiges Buch über die mentale, moralische und physische Unterlegenheit der Frauen verfasste. Das Zeichnen war eine müßige Art, die ergebnislose Arbeit eines Vormittags zu beenden. Doch gerade in unserer Muße, in unseren Träumen geschieht es zuweilen, dass die untergründige Wahrheit an die Oberfläche dringt. Eine sehr einfache Übung in Psychologie, die die Bezeichnung Psychoanalyse nicht verdient, zeigte mir, als ich in mein Notizbuch sah, dass die Zeichnung des zornigen Professors im Zorn entstanden war. Der Zorn hatte sich meinen Stift geschnappt, während ich träumte. Aber was hatte Zorn hier zu suchen? Interesse, Verstörung, Amüsiertheit, Langeweile – alle diese Gefühle konnte ich nachvollziehen und benennen, wie sie im Laufe des Vormittags einander gefolgt waren. Hatte der Zorn, die schwarze Schlange, unter ihnen gelauert? Ja, sagte mir die Zeichnung, das hatte er. Sie verwies mich unmissverständlich auf das eine Buch, den einen Satz, der den Dämon geweckt hatte; es war die Behauptung des Professors über die mentale, moralische und physische Unterlegenheit der Frauen. Mein Herz hatte einen Aussetzer gemacht. Meine Wangen hatten gebrannt. Vor Zorn war ich rot geworden. Daran war nichts Bemerkenswertes, auch wenn es idiotisch war. Man bekommt nicht gerne gesagt, man wäre einem kleinen Mann von Natur aus unterlegen – ich schaute zum Studenten neben mir –, der schwer atmet, eine Krawatte mit Gummizug trägt und sich seit zwei Wochen nicht rasiert hat. Man hat gewisse alberne Eitelkeiten. Das liegt nur in der Natur des Menschen, dachte ich, und begann Wagenräder und Kreise über das zornige Gesicht des Professors zu malen, bis er aussah wie ein brennender Busch oder ein flammender Komet – jedenfalls wie eine Erscheinung ohne Ähnlichkeit zum Menschen oder seine signifikanten Merkmale. Der Professor war nun nichts weiter als ein Reisigbündel, das auf dem Hügel von Hampstead Heath brannte. So war mein eigener Zorn also bald erklärt und überwunden, aber die Neugier blieb. Wie ließ sich der Zorn der Professoren erklären? Warum waren sie zornig? Denn wenn es darum ging, zu analysieren, welchen Eindruck diese Bücher hinterlassen hatten, war eine Komponente immer die Hitze. Diese Hitze nahm viele Formen an; sie zeigte sich als Satire, als Empfindung, als Neugier, als Missbilligung. Aber es gab noch eine andere Komponente, die oft vorhanden war und nicht augenblicklich identifiziert werden konnte. Ich nannte sie Zorn. Aber es war ein Zorn, der abgetaucht war und sich mit allen möglichen anderen Gefühlen vermischt hatte. Seiner seltsamen Wirkung nach zu urteilen, war es ein getarnter und vielschichtiger Zorn, kein schlichter, offener.

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