Eilandfluch. Marie Kastner
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Wir propagieren diese Lösung natürlich besonders, was unsere Affiliate-Unternehmen mit entsprechend aggressiv platzierten Lockangeboten forcieren werden. Verknüpfung ist alles. Dazu gibt es sogar zinsgünstige Finanzierungsangebote, damit sich Oma den Gebrauchtwagen für ihren Enkel auch dann leisten kann, wenn der Rest der Familie beim Crowdfunding nicht mitspielen sollte.«
»Und du verdienst über Vermittlungsprozente, die wiederum die Affiliate-Nehmer an dich abdrücken?«
»In der Hauptsache ja. Dazu kann man am Rand der Webseite noch Werbeflächen für gutes Geld vermieten. Am Ende profitieren alle davon. Der Onlinehandel, Kreditinstitute, wir natürlich und auch der Beschenkte, der endlich keine doppelten oder unpassenden Präsente mehr bekommt. Stattdessen hat er eher eine Chance auf Geschenke aus dem Hochpreissegment. Du siehst also – wir revolutionieren das Schenken. Dieser Satz wird auch zu unserem Slogan werden«, erklärte Thorsten voller Stolz.
»Niemand muss sich künftig mehr in die überfüllte Innenstadt quälen und sich den Kopf darüber zerbrechen, was er seinen Liebsten in diesem Jahr zu Weihnachten kaufen soll. Geht alles wie von selbst, mit ein paar Klicks.«
»Ist ja gut und schön … aber es könnte der Vorwurf kommen, dass ihr damit den Einzelhandel schädigt. Außerdem führen die Links doch sicher nur zu bestimmten Online-Shops, oder?«
»Klar. Für den Anfang ist es wichtig, dass wir mit Shops verlinkt sind, die so ziemlich alles im Angebot haben. Ich muss dir sicher nicht sagen, welche das sind. Auch für Erlebnisgeschenke, Textilien oder Technik gibt es Marktführer, und an die treten wir selbstverständlich als erstes heran.
Die namhaften Kaufhausketten verkaufen mittlerweile selber schon über Onlineshops, also wäre das alles kein Problem. Und selbst wenn jemand in die kleine Boutique in der Fußgängerzone geht und dort einkauft – der kann dann immer noch den Kassenzettel einscannen und so beweisen, dass er das Geschenk zu Recht aus der Liste nimmt. Allerdings geschieht das in diesem Fall natürlich manuell.«
»Aha … und ganz nebenbei erhaltet ihr jede Menge Daten über das Konsumverhalten der Leute, nicht wahr?«
»Korrekt. Sobald nämlich jemand die Seite über unsere App auf Smartphone oder Tablet aufruft, kommen dazu noch die jeweiligen Standortdaten. Aber keine Sorge, so etwas stört die Leute inzwischen schon gar nicht mehr. Das macht schließlich jeder«, beschwichtigte Thorsten.
»Na, dann auf ein gutes Gelingen! Meine Liste bekommt ihr sicher als erste. Du weißt ja, welchen Blödsinn mir meine Mutter immer zum Geburtstag schickt. Sie meint es ja nur gut, aber ich brauche nun mal keinen selbst gestrickten Wärmflaschenüberzug, auch wenn sie dafür Wolle in meinen Lieblingsfarben verwendet hat … «
Thorsten verdrehte amüsiert die Augen.
»Und selbst sowas könnte man sich wünschen. Einfach das Symbol mit Stricknadeln und Wolle auswählen, drunter schreiben Wärmflaschenbezug, und dazu die Maße vermerken.«
»Um Himmels willen, bloß nicht!«, kicherte Mona. Sie erhob ihr Glas, um Thorsten zuzuprosten und den Rest auszutrinken. Doch ehe sie sich versah, nahte Mario Valluzzi schon von hinten und schenkte ihr ungefragt nach.
»Wäre doch schade um die gute Tropfen, eh?«, scherzte er in seinem gebrochenen Deutsch.
Thorsten fiel siedend heiß etwas ein.
»Komm, setze dich einen Moment zu uns, wenn es geht«, lud er den Restaurantbesitzer zu Monas Erstaunen ein. Normalerweise ließ ihr Freund, möglichst gleich nach dem Aufessen, die Rechnung kommen; mit dem Verweis, wieder an die Arbeit zu müssen – um einem längeren Plausch zu entgehen.
Mario strahlte über beide Ohren, gab dem Kellner ein Zeichen, seinen Part mit zu übernehmen, und platzierte sein knochiges Hinterteil flugs auf einem der freien Stühle.
»Und wie geht es meine gute Freund?«
»Molto bene, wie ihr Italiener das so schön ausdrückt. Du … ich hätte da mal eine Frage an dich. Du kommst doch aus der Gegend um Neapel, wenn ich nicht irre?«
»Si, aus Positano, was auch Name von meine Laden hier ist«, nickte Mario eifrig.
»Prima. In diesem Fall müsste dir doch die Insel La Gaiola etwas sagen?«
Marios Miene gefror zu Eis. Er wirkte geradezu erschrocken.
»Nix du aussprechen Name von verflucht Insel. Nix wissen, was kann passieren. Warum du fragst?«
»Oh, ich möchte hinfahren. Wir denken darüber nach, demnächst dort auf der Insel eine geschäftliche Präsentation zu veranstalten«, entgegnete Thorsten ungerührt.
»Nein nein, kannst du nix. Nix auf diese Insel. Dort alles kaputt, alles schlecht«, protestierte der Italiener und sah dermaßen unglücklich drein, als habe man ihm angedroht, ihn gegen seinen Willen nach La Gaiola zu deportieren.
»Mir ist bewusst, dass die alte Villa momentan nicht im besten Zustand ist. Das macht ja gerade ihren Reiz aus. Sie gehört seit Jahren der Region Kampanien, weil nach gewissen Vorkommnissen niemand mehr dort leben wollte. Weißt du Näheres darüber?«
Mario schüttelte mit Vehemenz seinen runden Schädel. Seine Lippen wirkten blutleer und verkniffen.
»Ach komm schon, jetzt lass mich nicht betteln! Ich sehe dir doch an, dass du die alten Geschichten kennst. Erzähle mir eine davon, und ich werde mir nochmals überlegen, ob ich dort tatsächlich hinfahren möchte«, behauptete Sasse hinterlistig.
Der Restaurantinhaber bekreuzigte sich hastig, warf flehentliche Blicke zur abgehängten Decke.
»Mamma mia! Hoffentlich nix wirkt Fluch, wenn nur darüber sprechen, über große Unglück von Grappone«, merkte er kleinlaut an.
1978
Ein Fall von schädlichem Hochmut
»In 1970-ern gab mehrere Geschäftsleute in Neapel, die waren schwerreich. Einer davon ist gewesen Gianpascale Grappone. Haben alle gehabt eitle Wettbewerb, du weißt schon … wer von uns hat schnellste Auto, tolle Frau, die schönste Haus … jeder wollte gefeiert sein als heimlich König von bella Napoli.
1978 jeder der Signori hat Grappone beneidet, weil der konnte kaufen sein eigene Insel mit alte Villa auf eine Hälfte. Die musste aber werden … wie sagt man … wieder schön gemacht … ?«
»Renoviert, meinst du wahrscheinlich«, half Thorsten weiter.
»Genau. Das hat gekostet viele Lire, nie wurde fertig. Zu gleicher Zeit sein Geschäfte liefen auf einmal nix mehr gut, kamen Rechnungen viele. Nix lang gedauert, dann war Geschäft total kaputt, Konto leer und der Grappone hat Schulden nix bezahlen können. Musste in Gefängnis einfahren. Stolze Mann in Knast, stell dir vor, was für eine Katastrophe für Ehre von famiglia!
Aber Unglück war noch nix zu Ende. Genau an Tag, wo La Gaiola ist versteigert worden, kam Ehefrau von Grappone bei schwere Autounfall ums Leben.
Insel hat sich so geholt beide, ist bis zu heutige Tag verflucht«, erzählte Mario. Er wirkte dabei nervös, fast wie jemand,