Eilandfluch. Marie Kastner
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Eilandfluch - Marie Kastner страница 5
Thorsten Sasse amüsierte sich insgeheim köstlich. Wie dieses sonst so gesprächige und temperamentvolle Kerlchen auf einmal in sich zusammensank, vor Furcht transpirierte und sogar vergessen hatte, ihm noch einen Likör aufzuschwatzen … sein Interesse, diese Insel mit eigenen Augen zu sehen und temporär zu mieten, stieg soeben ins Unermessliche.
»Lass gut sein, Mario. Wir haben genug gehört. Du kannst uns jetzt gerne die Rechnung fertigmachen lassen. Weißt ja Bescheid
– Zeit ist Geld. Nicht, dass es uns am Ende noch wie diesem Grappone ergeht, nicht wahr?«
»Nix machen Scherze damit«, maulte Valluzzi, bevor er aufstand und sich hastig in Richtung seines Kellners bewegte.
Mona war sprachlos.
»Krass!«, war das einzige, was ihr dazu noch einfiel.
*
Vier Personen saßen am Konferenztisch der Liegenschaftsbehörde. Für den Bereich Posillipo war die sogenannte Metropolitanstadt Neapel als Vollzugsbehörde der Regione Campania zuständig, und dieser wiederum gehörten eine Reihe von Immobilien und Grundstücken – unter anderem auch die Insel La Gaiola samt historischer Villa.
Bei einem der Anwesenden handelte es sich um Enzo Battaglia, Sasses Hauptinvestor. Soeben hatte er dem behördlichen Gremium wortreich die Gründe vorgetragen, wieso sein deutscher Geschäftspartner die verwaiste Insel unbedingt für ein paar Tage mieten wollte. Die abweisenden Mienen der drei übrigen Herren ließen jedoch den Schluss zu, dass er sich vergeblich um einen Konsens bemühte.
Der Dienststellenleiter straffte seinen Rücken.
»Grundsätzlich spräche selbstverständlich nichts dagegen, ein Grundstück der Region Kampanien temporär an Privatleute zu vermieten. Wir können in Zeiten der Eurokrise jede Einnahme gebrauchen, keine Frage. Aber nicht dieses Objekt, das geht auf gar keinen Fall. Wir haben, seit das Eigentum auf uns übergegangen ist, ohnehin schon alle Hände voll zu tun, leichtsinnige Touristen von dort fernzuhalten.
Das Betreten der Insel birgt Gefahren, und die haben nichts mit dem angeblichen Fluch zu tun. Immer wieder klettern Leute auf den Felsen herum, balancieren über den schmalen Steg zwischen den beiden Inselhälften, wagen sich trotz Hochwassergefahr in die Grotten oder treiben sich marodierend in der verfallenen Villa herum. Es gibt auf der Insel jede Menge Unfallgefahren, schon weil inzwischen alles verrottet und baufällig ist.
Ich prophezeie Ihnen daher eines, Battaglia. Keine Versicherung weit und breit würde für diesen Event je einstehen wollen. Suchen Sie sich bitte ein anderes Objekt.«
So schnell gab ein Enzo Battaglia jedoch nicht auf. Schließlich gehörte er seit langem zu den einflussreichsten Persönlichkeiten dieser Stadt, war es gewohnt, Fäden zu ziehen.
»Wir könnten einen Haftungsausschluss für die Region Kampanien in den Vertrag einbauen. Wahrscheinlich wäre der Mieter sogar bereit, ein paar notwendige Sicherheitseinrichtungen nach baurechtlichen Vorgaben zu installieren, bevor unser Großereignis stattfindet. Zeit wäre jedenfalls noch reichlich vorhanden. Wir planen die Präsentation erst im Frühsommer des kommenden Jahres«, gab er zu bedenken.
»Wir haben alle Eventualitäten vor dieser Besprechung bei uns im Hause bereits hinreichend diskutiert. Unser Entschluss steht fest – es bleibt bei einem Nein. Wir werden uns wegen diesem verdammten Inselchen in keiner Weise in die Nesseln setzen. Wenn Ihr Partner dort feiern will, muss er uns La Gaiola schon abkaufen. Selbstverständlich wären in diesem Fall bei der Renovierung der Villa eine Menge denkmalschutzrechtlicher Bestimmungen zu beachten, schließlich gilt sie als historisch wertvoll«, konstatierte der Beamte kühl.
Fünfzehn Minuten später stand Enzo Battaglia draußen auf der Straße, fieselte fahrig sein Smartphone aus der Innentasche seines Kaschmirsakkos und versuchte, Thorsten Sasse telefonisch zu erreichen. Er konnte mit Niederlagen schlecht umgehen, fühlte sich regelrecht gedemütigt.
In knappen Sätzen schilderte er, was er in der Liegenschaftsbehörde zu hören bekommen hatte und schlug vor, gemeinsam über eine andere Location für den wichtigen Event nachzudenken. Die Herren Beamten seien leider zu borniert und unflexibel, um eine stinknormale Vermietung in die Wege zu leiten. Es tue ihm außerordentlich leid, er habe alles in seiner Macht stehende versucht. Leider sei es heutzutage auch wegen diverser Anti-Korruptionsgesetze nicht mehr so einfach wie früher, Beamte zu schmieren.
»Merda«, fluchte Thorsten frustriert. »War das wirklich deren letztes Wort? La Gaiola ist unter keinen Umständen zu haben?«
»Oh doch! Aber man müsste es kaufen«, merkte Battaglia sarkastisch an.
Sasse erwiderte darauf nichts, gespannte Stille entstand.
»Bist du noch da?«, vergewisserte sich der Italiener.
»Klar! Ich muss über all das nachdenken. In dieser Angelegenheit ist das letzte Wort garantiert noch nicht gesprochen. Ich melde mich wieder bei dir.«
»Halt, warte! Du denkst doch nicht ernsthaft darüber nach, die Insel des Grauens zu kaufen?!«
»Selbstverständlich nicht um jeden Preis, aber Durchdenken könnte man die Option durchaus. Ich bräuchte ohnehin endlich einen standesgemäßen Wohnsitz. Und Gedankenspiele kosten ja nichts, oder? Besser noch … ich könnte hinfliegen, mir vor Ort ein Bild machen und Mona mitnehmen. Die liegt mir schon die ganze Zeit in den Ohren, dass sie gerne mal wieder wenigstens einen Kurztrip mit mir unternehmen möchte, wenn ich schon keine Zeit für Urlaubsreisen habe.
Außerdem, hör mir doch mit diesem albernen Fluch auf. Bestimmt gibt es für all die Katastrophen eine rationelle Erklärung, und man ist nur noch nicht draufgekommen. Shit happens.
Zugegeben – ich habe auch erst geglaubt, es könnte in den alten Horrorgeschichten ein Körnchen Wahrheit stecken. Aber bitte … wir sind doch schließlich wissenschaftlich aufgeklärte Menschen im einundzwanzigsten Jahrhundert! Schon seit Jahrzehnten ist auf La Gaiola Ruhe eingekehrt. Wann war überhaupt das letzte Ereignis, das man dem angeblichen Fluch zuschrieb? In den Achtzigern oder so?«
Er wurde eines Besseren belehrt.
2009
Der Gärtner ist immer der Mörder … oder?
»In früheren Zeiten gehörte zur Doppelinsel La Gaiola noch ein großes Stück Land am direkt gegenüber liegenden Kap, weswegen manche Leute steif und fest behaupten, dass der angebliche Inselfluch sich sogar bis dort hinüber auswirke. Einem wirksamen Fluch, der an ein bestimmtes Stückchen Grund und Boden gebunden sei, könne es quasi egal sein, ob das Land in späteren Jahren auf unterschiedliche Eigentümer und in mehrere Parzellen aufgeteilt werde. Einmal verflucht – immer verflucht. Das ist die landläufige Meinung.
Ob man das nun zu Recht glaubt oder nicht, es scheinen sich immer dieselben Muster zu wiederholen. Reiche Besitzer – und manchmal auch deren Gäste – gehen nach großen geschäftlichen Erfolgen entweder mit Pauken und Trompeten in die Pleite, werden verrückt oder sterben.
Im Falle des Francesco ›Franco‹ Ambrosio und seiner Gattin trafen sogar gleich zwei dieser Unglücke ein, und das, obwohl sie gar nicht auf der Insel selbst, sondern am Festland lebten.
Im Jahre 1960 gründete der aus San Gennarello