Scheidung kann tödlich sein. Andrea Ross
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Scheidung kann tödlich sein - Andrea Ross страница 4
Erstaunlich ist nur, dass Silli nicht nur keinen Anstoß an dieser Form der Behandlung nimmt, sondern es hochzufrieden damit ist. Erfreut springt sie auf, wenn sie gebraucht, pardon, benutzt werden soll. Es gibt scheinbar mehrere Wege zur Zufriedenheit, und sie hat den ihren gefunden. Mich hingegen hat man neulich zum »Ehrenmann« ernannt, weil ich abgesehen von der äußeren Form fast wie ein solcher funktioniere, haben sie gesagt. Ich hätte erstaunlicherweise ein logisch denkendes Gehirn und wisse es zu benutzen. Da war ich schon ein wenig stolz.
Dann gibt es noch eine dritte Frau in der Truppe. Meine Freundin Gisa, die etwas schüchtern ist und auch nur über ein rudimentäres Selbstbewusstsein verfügt, das ich ihr ständig ein wenig aufpolieren helfe. Es wird langsam, manchmal spreche sie sogar in der Runde an. Aber man merkt ihr nach wie vor an, dass sie sich ein wenig minderwertig fühlt. Ein Opfer ihrer Erziehung. Gisa ist hübsch, weiß es aber nicht. Dafür bemerkten es andere, zum Beispiel der dicke Stephan. Eines Tages waren wir bei Stephan zu Hause in dessen Zimmer und dealten mal wieder mit LPSchwarzpressungen von Led Zeppelin. Ich hatte soeben ein seltenes Exemplar erworben und war darüber hocherfreut, auch wenn mich das Teil wieder einen beträchtlichen Teil meines BeamtenanwärterGehalts gekostet hatte. Als ich meine Augen vom kopierten Cover der LP nahm, dachte ich, rückwärts vom Stuhl fallen zu müssen. Vor meinen Augen spielte sich eine Szene ab, mit der ich nicht einmal in einem Alptraum gerechnet hätte. Und Gisa vermutlich auch nicht. Es war eigentlich immer so gewesen, dass wir alle eine KumpelBeziehung untereinander hatten. Romanzen gab es nicht. Wir hatten Spaß in der Kneipe, auf Ausflügen oder vor allem bei Rockkonzerten. Es spielten fast alle auch selber Instrumente, ich hierbei genau wie Sandi einen Elektrobass. Aber nun war plötzlich alles anders. Was erblickten also meine entsetzten Augen?
Der fette Stephan griff mit seinen unsäglichen Wurstfingern nach Gisa, packte sie unsanft und zog sie auf seinen Schoß. Die ließ es willenlos geschehen, traute sich nicht, etwas entgegenzusetzen. Hierdurch ermuntert fing Stephan unverzüglich damit an, die arme Gisa überall zu befingern. Doch Gisa tat immer noch nichts, guckte nur einerseits verängstigt, andererseits sagte ihr Blick: »Hurra, ich hab doch einen abgekriegt!«.
Was Stephan anging, so bezweifelte ich, dass er zu romantischen Gefühlen überhaupt fähig war. Vermutlich hatte er einfach beschlossen, dass er nun endlich mal ein Weib haben wolle, und Gisa war eindeutig das wehrloseste Opfer. Damit hatte er allerdings Recht, denn bei mir hätte er deftige Prügel kassiert, das Kuli-Muli hätte ihn auch abgewiesen. Auf den Schoß setzen, ja. Alles andere, nein.
Die anderen Freunde, die mit mir in Stephans Zimmer saßen, guckten ebenso überrascht und entsetzt wie ich, ihnen hatte es schlicht und einfach die Sprache verschlagen. Als wir dann von Stephan recht unhöflich aufgefordert wurden, uns jetzt langsam einmal zu verdrücken, wussten wir Bescheid. Der wollte die Gisa wohl noch ganz woanders befummeln, und da konnte er uns nicht brauchen. Wir gingen, und ich warf Gisa noch einen bedeutungsvollen Blick zu. So nach dem Motto, komm, hau mit ab, wenn Du das hier nicht willst.
Doch Gisa blieb tapfer lächelnd auf Stephan sitzen, auch wenn das Lächeln mehr einen gequälten Charakter annahm. Ich durfte gar nicht daran denken, dass Stephan jetzt seine 160 Kilo wohl auf Gisa wälzen würde. Die anderen äußerten sich ähnlich. Von diesem Tag an war Gisa auch eine Art Kuli-Muli, sie hieß nun
»das Gisalein«. DAS. Gut, sie war so alt wie ich. Wenn sie sich nicht wehrte, konnte man ihr nicht helfen. Prompt fing Stephan auch an, sie nach seinen Wünschen zurechtzubiegen. Die riesige Brille wurde durch Kontaktlinsen ersetzt, und Gisa durfte ihre Lieblingsgruppe ABBA nicht mehr hören. Sie wurde gewissermaßen zwangsmetallisiert, denn seine Freundin hatte gefälligst Heavy Metal zu hören.
So kam es, dass wir nun mit Stephans orangefarbenen Citroën zu einem Konzert nach Erlangen fahren. Er kennt den Konzertveranstalter, somit dürfen wir wieder zum Bühneneingang hinein. Das ist auch gut so, denn am Haupteingang der Erlangener Stadthalle hatten wir zuvor schon mal ein negatives Erlebnis, als die Glastüren des Einganges der herandrängenden Masse nicht standhielten, zerbrachen und ein Blutbad anrichteten. Wir hatten zum Glück einen Meter weiter hinten gestanden, fielen somit auf die bedauernswerten Leute, die vor uns ihrerseits auf den Glassplittern landeten. So etwas drohte bestimmt heute erneut. Im Citroën sitzen vorne Stephan und Gisa, hinten ich, M.W. und Sigi. Wir freuen uns auf die Show, denn jemand hatte erzählt, der Sänger würde regelmäßig den nackten Hintern in die Menge halten. Das verspricht neben der guten Musik witzig zu werden. Der Wintertag ist klirrend kalt, doch da wir ja dank Bühneneingang nicht lange draußen sein werden, haben wir alle nur eine dünne Jeansjacke angezogen. Kommt auch nicht gut, wenn man zu einem Rockkonzert mit dicker, wattierter Winterjacke anrollt. Wir genießen das Konzert, und tatsächlich bekamen wir den behaarten Hintern von Djangozu sehen. Wie immer ist es viel zu schnell vorbei, verschwitzt bahnen wir uns den Weg zum Ausgang. Wir beschließen, auf der Heimfahrt noch an einer Autobahnraststätte Station zu machen, um das Erlebnis Revue passieren zu lassen.
Doch es kommt ganz anders. Hände reibend sitzen wir zur Abfahrt bereit im Auto, denn selbst der kurze Fußweg zum Fahrzeug, das am Straßenrand in der Nähe der Halle geparkt ist, lässt uns bei minus 21 Grad vor Kälte zittern. Stephan prahlt mal wieder damit, dass sein Fahrzeug mit einer Hydraulik ausgestattet ist, wodurch Schneehäufchen kein Problem bei Ausparken sein werden. Er dreht den Zündschlüssel, und es passiert – nichts. Der Anlasser orgelt vor sich hin, doch das Fahrzeug denkt gar nicht daran, anzuspringen. So lange nicht, bis die Batterie nahezu leer ist. Anfangs witzeln wir noch über das tolle Auto, das zwar eine Hydraulik hat, aber scheinbar keinen Motor. Doch das vergeht uns schnell.
Stephan wird sichtlich sauer. Er haut seinem ansonsten geliebten Auto auf das Armaturenbrett und ergeht sich in übelsten Flüchen, die Gisa auf der Stelle rot werden lassen. Sie handeln davon, dass das Auto wohl bei einer amourösen Beziehung seiner Mutter mit einem Hund entstanden sein müsse. Aber auch das veranlasst das Fahrzeug nicht dazu, sich in Gang zu setzen.
Schließlich müssen wir es einsehen: mit diesem Auto werden wir jetzt, nachts um 1 Uhr, wohl nicht nach Hause fahren. Es ist Brainstorming angesagt. Keiner hat mehr nennenswerte Geldbeträge einstecken, keiner kann eine Abholung organisieren. Zimmer mieten ist nicht. Im Auto schlafen auch nicht, erstens vollgestopft und zweitens saukalt. Ich kann nicht daheim anrufen, weil ein Herzkasper meiner Mutter unter Garantie die Folge wäre. Was also tun? Die dickeren Jungs stecken die Kälte eindeutig leichter weg, und so ziehen sie erst einmal einen vorbereiteten Joint, der eigentlich für die Konzertbesprechung bestimmt war, aus dem Handschuhfach. Gisa und ich genießen es ausnahmsweise, zwischen Stephan und Sigi eingekeilt zu sein. Die sind wenigstens eine gute Kältedämmung. Mitrauchen wollen wir aber nicht, die Stimmung ist uns verhagelt. Ganz besonders mir, denn morgen um 10 Uhr ist meine theoretische Führerscheinprüfung angesagt. Die Vorzeichen für das Bestehen derselben verschlechtern sich nun stündlich, ich bin, gelinde gesagt, recht fertig mit der Welt. Sigi hat der Joint derart selig und wurstig gemacht, dass er beschließt, im Auto zu pennen. Was wir machen, sei ihm Banane. Wir anderen hingegen verlassen fluchend das Gefährt, um eine Polizeistation zu suchen. Wir wollen erstens eine Auskunft bekommen, wo wir kostenlos schlafen könnten, und zweitens die Adresse der ortsansässigen Citroën-Werkstatt. Die gedenken wir am nächsten Morgen aufzusuchen und hoffen, dass die dort die Reparaturen auch ohne Bargeld vornehmen werden, nur nach einem Blick in unsere treuherzigen Augen und der Beteuerung,
dass wir die Rechnung schon bezahlen werden.
Wir haben relatives Glück. Da ist tatsächlich eine Polizeistation, und wir stören die Belegschaft beim abendlichen Smalltalk. Ein Beamter kommt widerwillig an den Tresen und fragt nach einem abschätzenden Blick auf unsere Outfits und die Körperfülle von Stephan, was denn unser Begehr sei. Um diese Zeit. Wir schildern aufgeregt unser Problem, nur um hören zu müssen, dass die Polizei uns da auch nicht helfen könne. Wir sind schon so