A Theologico-Political Treatise and A Political Treatise. Benedict De spinoza
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Argumentation hat also zwei Funktionen: Die Bearbeitung von StrittigkeitStrittigkeit und die Etablierung von Geltung. Je nach argumentativer Situation kann eine der Funktionen im Vordergrund stehen, ohne dass dann die andere Funktion gänzlich fehlt.
2.1.4 Argumentieren und Erklären
Der Grad an AgonalitätAgonalität zwischen verschiedenen Formen der Argumentation kann variieren und StrittigkeitStrittigkeit auch implizit angenommene StrittigkeitStrittigkeit sein. Aber wie unterscheiden sich dann Argumentieren und ErklärenErklären? Ist Begründen innerhalb einer Argumentation nichts anderes als die Erklärung, warum die Konklusion zu Recht besteht? Wenn man ErklärenErklären und Argumentieren in Verbindung bringt, dann ist Argumentation eine spezifische Form des ErklärensErklären, die Klein (2001) als „ErklärenErklären-warum“ bezeichnet. Aus Perspektive der SprechakttheorieSprechakttheorie gleichen sich ErklärenErklären-warum und Argumentieren dahingehend, dass beide konklusive Sprechhandlungen vollziehen (S. 1309), d.h. sie etablieren Schlüsse zwischen verschiedenen Aussagen. Sie unterscheiden sich aber, so Klein (2001), in ihrer pragmatischen Funktion. So geht es beim ErklärenErklären-warum um das „Explizieren des Zustandekommens von Sachverhalten“ (S. 1316), wohingegen Argumentieren auf „problematische Geltungsansprüche“ (S. 1316) bezogen ist. Nach Morek (2012) unterscheiden sich beide Formen durch die epistemische Haltung, die die Beteiligten zu ihren Aussagen einnehmen: Beim ErklärenErklären ist diese durch Gewissheit gekennzeichnet, beim Argumentieren durch Verhandelbarkeit. Allerdings ist die klare Bestimmung von Äußerungen als Argumentation oder Erklären-warum nicht immer möglich. Äußerungen können durchaus beide Funktionen vereinen. Deppermann (2006, S. 14) betont, dass sich die verschiedenen Bereiche Argumentieren, ErklärenErklären und semantisches Explizieren häufig nicht klar trennen lassen bzw. Äußerungen sich mehreren Kategorien zuordnen lassen. Analytisch sind ErklärenErklären-warum und Argumentieren also möglicherweise durchaus trennscharf, empirisch ist das nicht immer gegeben (für die Verbindung von ErklärenErklären und Argumentieren siehe weiterführend Antaki, 1994).
2.1.5 Status von Argumentation: Funktion oder Textsorte?
In der Unterscheidung von Argumentieren und ErklärenErklären wird eine weitere grundlegende Frage in der Untersuchung von Argumentation deutlich: Lässt sich Argumentation an Hand textueller Merkmale oder über die Funktion eines Textes bestimmen?
In der Linguistik befassen sich in erster Linie die Pragmatik und die Textlinguistik mit Argumentation. Dabei wird Argumentation unterschiedlich eingeordnet: als Diskurseinheit (Hausendorf & Quasthoff, 1996), als Form der Themenentfaltung (Brinker & Sager, 2006) oder auch als VertextungsmusterVertextungsmuster (Eggs, 2008). Argumentation wird dann als ein VertextungsmusterVertextungsmuster neben den anderen Mustern NarrationNarration, Deskription und Explikation gesehen (vgl. Brinker, Antos, Heinemann et al., 2008). Grundlegend für die Einordnung von Argumentation als ein VertextungsmusterVertextungsmuster ist die Annahme, dass Argumentation durch spezifische sprachliche Verfahren gekennzeichnet ist. Als sprachliche Indikatoren für Argumentation werden häufig KonnektorenKonnektoren wie „weil“, „daher“, „da“, „deshalb“ etc. genannt. Diese markieren die Verbindung von einzelnen Aussagen im Sinne einer argumentativen Verknüpfung als Grund und Konklusion. Dabei ergeben sich allerdings einige Probleme. In natürlicher Argumentation bleiben, wie bereits dargelegt, einzelne Anteile einer Argumentation oft implizit, so dass einzelne Aussagen zwar als Teile einer Argumentation fungieren, aber nicht als solche markiert werden. Im Beispiel der „zwölf Geschworenen“ ist die grundlegende Frage, auf die sich die meisten Äußerungen beziehen, ob der Junge schuldig ist oder nicht. Diese Konklusion wird aber nicht in jedem Fall geäußert. Doch auch wenn Grund und Konklusion einer Äußerung explizit geäußert werden, müssen sie nicht durch sprachliche KonnektorenKonnektoren verbunden sein, um als argumentativer Text kenntlich zu sein. Dies zeigt sich im folgenden Beispiel:
JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.
Diese Äußerung lässt sich klar als ein Komplex von Konklusion und Grund analysieren: Unsere Waisenhäuser sind okay, denn wir zahlen Steuern dafür. Dies wird aber nicht sprachlich markiert. Zudem sind sprachliche KonnektorenKonnektoren, wenn sie auftreten, oft vage (eine argumentative Verbindung kann durch sprachliche KonnektorenKonnektoren markiert werden, diese Markierung ist aber nicht hinreichend, um den Text sicher als Argumentation zu identifizieren) und polyfunktional (durch einen sprachlichen Indikator kann eine argumentative, aber auch eine explikative Verbindung angezeigt werden) (vgl. Deppermann, 2006). Die Bestimmung von Argumentation als VertextungsmusterVertextungsmuster oder Funktion von Texten ist wichtig für verschiedene aktuelle Forschungsfragen in der Argumentationswissenschaft. Dieser Aspekt wird in Kapitel 6.1 noch einmal genauer aufgenommen, wenn das Verhältnis von Argumentation und NarrationNarration diskutiert wird.
2.2 Wenzels Modell der drei Perspektiven auf Argumentation
Um das Feld stärker zu ordnen, bevor in den folgenden Kapiteln dann einzelne Ansätze genauer vorgestellt werden, soll hier das Modell der drei Perspektiven auf Argumentation von Wenzel (1980) eingeführt werden. Es wird in der Argumentationswissenschaft – nur halb im Scherz – oft auch die „Heilige Dreifaltigkeit der Argumentationstheorie“ genannt. Dieses Modell ist als Heuristik zu verstehen, d.h. es bietet klare analytische Abgrenzungen zwischen verschiedenen Bereichen. Diese Abgrenzungen sind in der Analyse natürlicher Argumentation nicht mehr so leicht zu ziehen und können verwischen.
2.2.1 Die Entwicklung des Modells der drei Perspektiven auf Argumentation
Für die Einführung des Modells von Wenzel ist es sinnvoll, sowohl einen kurzen Abriss seiner Entwicklung zu geben als auch einen historischen Rückgriff auf seine Grundlagen zu unternehmen.
2.2.1.1 Die drei Perspektiven bei Aristoteles
Das Modell der drei Perspektiven lässt sich zurückbinden an die drei Schriften, in denen Aristoteles sich zur Argumentation äußert. Von Aristoteles liegt zur Argumentation keine eigene, umfassende Beschreibung oder Theorie vor. Er thematisiert das, was wir heute unter Argumentationswissenschaft fassen, in drei seiner Schriften: der „Analytik“, der „TopikTopik“ und der „Rhetorik“. In der „Analytik“ behandelt Aristoteles logische Schlüsse, in der „Topik“ die dialektische Methode und die unterschiedlichen Topoi, die der Argumentation zu Grunde liegen können, und in der „Rhetorik“ schließlich werden das EnthymemEnthymem und ParadigmaParadigmaals Schlussverfahren als rhetorische Schlussverfahren sowie wiederum die Topik, hier mit der Unterscheidung in allgemeine und spezielle Topoi, behandelt. Dies korrespondiert begrifflich und konzeptionell mit der Unterscheidung der drei Perspektiven, die Wenzel vorgeschlagen hat. Wichtig ist aber, dass diese Unterscheidung keine aristotelische ist!
Aristoteles behandelt Argumentation in den drei Werken „Analytik“,