A Theologico-Political Treatise and A Political Treatise. Benedict De spinoza
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[bad img format]Im Folgenden wird jeder grundlegende Ansatz zunächst in Bezug auf die oben genannten drei Grundfragen (formaler Aspekt, funktionaler Aspekt, Aspekt der Geltung) betrachtet (vgl. auch das Onlinematerial zu diesem Buch). Für die drei Perspektiven hat Wenzel (1980, S. 124) selbst eine deutlich umfassendere Matrix konstruiert, auf die ich mich für diese drei Perspektiven beziehe.
Perspektive/Modell/ Ansatz | Formaler Aspekt: Wie ist ein Argument aufgebaut? | Funktionaler Aspekt: Welche Funktion hat Argumentation? | Gute Gründe: Wie bestimmt sich die Geltung/Gültigkeit eines Arguments? |
Logische Perspektive | Aus wahren PrämissePrämissen | Von wahren Aussagen auf wahre Konklusionen zu schließen | ValiditätValidität bezogen auf inferentielle Regeln |
2.4 Die dialektische Perspektive
Die dialektische Perspektive betrachtet Argumentation aus einer Verfahrensperspektive. Sie fragt nach der Lauterkeit der genutzten Argumente, der genutzten Verknüpfung und des Ablaufs des argumentativen Austauschs. Aristoteles (1995b) führt die Dialektik in der „TopikTopik“ ein und bestimmt sie als „eine Methode (…), nach der wir über jedes aufgestellte Problem aus wahrscheinlichen Sätzen Schlüsse bilden können und, wenn wir selbst Rede stehen sollen, in keine Widersprüche geraten“ (100a118). Das Hauptaugenmerk der dialektischen Perspektive ist entsprechend auf die Argumentation als Verfahren und dialogischen Austausch gerichtet, nicht auf das einzelne Argument. Zudem befasst sich die Dialektik – ebenso wie die Rhetorik – mit Schlüssen aus der WahrscheinlichkeitWahrscheinlichkeit, nicht der WahrheitWahrheit.
Der Fokus auf das Verfahren der Argumentation beinhaltet die Annahme, dass Argumentation im DialogDialog zwischen ProponentProponenten und OpponentOpponenten entsteht, wenn eine Aussage strittig wird. Wenzel (1980, S. 115) betont, dass aus einer dialektischen Perspektive ProponentProponent und OpponentOpponent in zweierlei Hinsicht kooperativ agieren: zum einen, indem sie sich auf gemeinsame Verfahrensregeln einigen, zum anderen dahingehend, dass das Ziel ihres argumentativen Austauschs eine Einigung oder die Lösung eines Problems ist. Damit ist noch keine Aussage darüber getroffen, ob diese Einigung faktisch auch eintritt. Geltung kann ein Argument aus der dialektischen Perspektive dann beanspruchen, wenn die Teilnehmerinnen bestimmten Regeln zum Ablauf von Argumentation folgen. Der Bruch dieser Regeln wird dann in vielen Ansätzen als TrugschlussTrugschluss markiert. Die Regeln hängen von der theoretischen Ausrichtung ihrer Autorinnen ab. In Kapitel 3 werden verschiedene Ansätze aus der dialektischen Perspektive vorgestellt und diskutiert.
Das Beispiel aus den „Zwölf Geschworenen“ aus dialektischer Perspektive zu betrachten, würde also heißen: zu untersuchen, ob ProponentProponent und OpponentOpponent sich an bestimmte Verfahrensregeln halten.
JUROR 8: Ich weiß nur, daß dieser Junge sein ganzes Leben herumgestoßen wurde. Er ist in einem Elendsviertel aufgewachsen, hat früh seine Mutter verloren. Damals war er neun Jahre alt. Für anderthalb Jahre hat man ihn in ein Waisenhaus gesteckt, weil sein Vater eine Gefängnisstrafe absitzen mußte. Wegen Scheckfälschung, stimmt’s? Ja, das ist kein gutes Sprungbrett fürs Leben. Wie sagten Sie noch – auf freier Wildbahn gegrast? Man hätte sich eben mehr um ihn kümmern sollen.
JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.
Aus dialektischer Perspektive würde dieser Auszug daraufhin untersucht und bewertet werden, ob er bestimmten Regeln guten Argumentierens folgt. Diese beziehen sich sowohl auf die gegebenen Gründe und die Übergänge von Grund zu Konklusion als auch auf den Ablauf der Argumentation zwischen den Teilnehmerinnen. Ist die Entgegnung von Juror 3 also auf das Argument von Juror 8 bezogen? Können alle Teilnehmer Argumente vorbringen? Sind alle Teilnehmer bereit, wenn gefordert, Argumente zu präsentieren? Damit nimmt die dialektische Perspektive immer einen normativen Blick ein und zielt auf eine KritikKritik argumentativen Austauschs. Die Art dieser KritikKritik hängt von den zu Grunde liegenden Regeln ab.
In der Matrix lässt sich die dialektische Perspektive folgendermaßen darstellen:
Perspektive/Modell/ Ansatz | Formaler Aspekt: Wie ist ein Argument aufgebaut? | Funktionaler Aspekt: Welche Funktion hat Argumentation? | Gute Gründe: Wie bestimmt sich die Geltung/Gültigkeit eines Arguments? |
Logische Perspektive | Aus wahren PrämissePrämissen | Von wahren Aussagen auf wahre Konklusionen zu schließen | ValiditätValidität bezogen auf inferentielle Regeln |
Dialektische Perspektive | Aus wahrscheinlichen Aussagen | Die rationale Lösung einer Kontroverse zu erreichen | Das Befolgen von Verfahrensregeln |
2.5 Die rhetorische Perspektive
Rhetorik kann verstanden werden als die Praxis und Theorie der Überzeugung anderer. Dies ist insbesondere in Situationen notwendig, in denen keine sichere Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht und Entscheidungsdruck herrscht. Nach Aristoteles (2002) beschreibt Rhetorik „die Fähigkeit, bei jeder Sache das möglicherweise Überzeugende zu betrachten“ (1355b26–27).
Die rhetorische Perspektive untersucht Argumentation aus einem Prozessblick. Argumentation wird danach verstanden als ein kommunikatives Verfahren in Rede- oder Gesprächssituationen, das durch Begründungshandeln entweder Überzeugung beim Gegenüber oder aber auch die Verschärfung von Streitpunkten erreichen will. Argumentation dient aus diesem Blickwinkel der PersuasionPersuasion eines Publikums oder von Interaktionsteilnehmerinnen.
PersuasionPersuasion bezeichnet „bewusste Versuche, Verhalten mit Hilfe von Zeichen zu beeinflussen“ (Schönbach, 2016, S. 17). Anzufügen wäre hier, dass es nicht nur um die Beeinflussung von Verhalten, sondern auch von Einstellungen gehen kann.
Der Begriff der PersuasionPersuasion umfasst zwei Bedeutungen und Konzepte: das Konzept des ÜberredenÜberredens und das des ÜberzeugenÜberzeugens. Die Unterteilung in ÜberredenÜberreden und ÜberzeugenÜberzeugen bringt immer eine Wertung mit. Unter ÜberzeugenÜberzeugen kann man die Form der PersuasionPersuasion verstehen, die auch vom Rezipienten reflektiert wird. ÜberredenÜberreden wird hingegen in der Regel als ein Persuasionsprozess verstanden, in dem „das Bezugssystem des Hörers kurzgeschlossen wird“ (Geißner, 1988, S. 154). Das heißt, die Hörerin ändert zwar kurzfristig ihre Einstellung und/oder ihr Verhalten, sollte es jedoch zu einer genaueren Prüfung kommen, revidiert sie die Änderung in Einstellung und/oder Verhalten möglicherweise schnell wieder (wenn sie sie nicht ändert, ist sie nun überzeugt). Diese Unterscheidung von ÜberredenÜberreden und ÜberzeugenÜberzeugen wird in der Diskussion der einzelnen rhetorischen Ansätze noch relevant werden.
Ein gutes Argument ist aus rhetorischer Sicht ein effektives Argument, eines mit dem die Sprecherin ihre Ziele erreicht. Das Interesse der rhetorischen Perspektive wäre nun zu analysieren, welche argumentativen Verfahren Teilnehmerinnen nutzen, um möglichst erfolgreich zu agieren.
JUROR 8: Ich weiß nur, daß dieser Junge sein ganzes Leben herumgestoßen wurde. Er ist in einem Elendsviertel aufgewachsen, hat früh seine Mutter verloren. Damals war er neun Jahre alt. Für anderthalb Jahre hat man ihn in ein Waisenhaus gesteckt, weil sein Vater eine Gefängnisstrafe absitzen mußte. Wegen Scheckfälschung, stimmt’s? Ja, das ist kein gutes Sprungbrett fürs Leben. Wie sagten Sie noch – auf freier Wildbahn gegrast? Man hätte sich eben mehr um ihn kümmern sollen.
JUROR 3: Unsere Waisenhäuser sind okay. Wir zahlen Steuern dafür.
Aus Sicht der rhetorischen Perspektive ist hier interessant, dass Juror 3 sich nur auf einen Teil der Argumentation von Juror 8 bezieht und ihn versucht zu entkräften, nicht aber auf die anderen Teile, die ebenso die Konklusion von Juror 8 stützen: „das ist kein gutes Sprungbrett für’s Leben“. Allerdings macht Juror 3 auch nicht explizit, ob er meint, dass durch dieses Gegenargument das gesamte