Das Corona-Buch. Mathias Scheben

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Corona-Buch - Mathias Scheben страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Das Corona-Buch - Mathias Scheben

Скачать книгу

werde es eine Zeit brauchen, bis sich bei der Mehrzahl der Immobilienbesitzer die Einsicht durchsetze, dass der Einzelhandel in der Stadt jetzt und künftig, und auf ewig, Not leiden wird und die den Eigentümern bislang gezahlten Pachtbeträge den Händlern nicht mehr zuzumuten sind. Statt immer wieder nach neuen Einzelhändlern für ihre leeren Flächen zu suchen, sollten die Gebäudeeigner mit Hilfe der Städte Umnutzungen ermöglichen: In bislang „monofunktionale Einkaufsinnenstädte“ gehörten Kitas, Schulen vom Stadtrand ins Zentrum, auch Hochschulen aller Art und Universitäten. Krüger empfiehlt, auch Einrichtungen des Gesundheits- und Kulturbereichs in die City zu lotsen und – nicht zuletzt – unnütz gewordene Handelsflächen in Wohnungen umzuwidmen. Dazu sollten sich kleine Geschäfte gesellen, Gastronomie, Dienstleistungsbetriebe.

      Natürlich hat es die zunehmende Verödung von Innenstädten schon vor Corona gegeben, das weiß auch der Stadtplaner. Professor Krüger verweist aber darauf, dass sich durch die Corona-Folgen die seit Langem schon „anhaltenden Tendenzen im Einzelhandel dramatisch beschleunigen“. Vor allem der Handel mit Bekleidung habe durch den Lockdown enorme Verluste erlitten, da er auf der gesamten Frühjahrs- und Sommerkollektion sitzengeblieben ist.

      Krüger: „Auch nach der Krise werden die Menschen nicht in derselben Zahl wie zuvor in die Zentren zurückkehren. Wozu auch? Viele haben sich an den Onlinehandel gewöhnt, aber auch an das Homeoffice.“ Das führe dazu, dass sich weniger Menschen in der Pause oder nach der Arbeit in der Innenstadt aufhalten und einkaufen. Wenn niemand den Mut für neue Konzepte hat, dann „verlieren die Zentren nicht nur an wirtschaftlicher Bedeutung, sondern auch in ihren kulturellen Werten als Orte, an denen wir uns als Gesellschaft zusammen aufhalten und begegnen.“ Eine Pleitewelle im Handel scheint unvermeidlich.

      

      Abstand mit Anstand

      

      Weil zu viel Nähe uns von uns selbst entfremdet

      Leben wir das persönliche Optimum beim Pendeln zwischen Nähe und Distanz? Das uns in der Corona-Pandemie abverlangte „Social Distancing“, also die Verringerung, Einschränkung, die phasenweise oder vollständige Einstellung sozialer Kontakte hat es immer schon gegeben. Das geschah und geschieht freilich bislang meistens freiwillig, von der Einzelhaft, von im Urwald Verirrten und von schiffbrüchig auf einsamen Inseln Gestrandeten abgesehen.

      

      Soziale Distanz: Wir waren uns noch nie so nah

      Einsiedler, Naturforscher und Sinnsucher, Menschen aller Klassen, jeder Herkunft und aller Geschlechter sowie Pubertiere entfliehen der Enge, den Verbindlichkeiten und dem aus sozialen Kontakten entstehenden Toleranzgebot. Sie igeln sich ein, wollen oder können auf ewig oder auf Zeit nicht mehr „unter die Leute“.

      Als es Ende der 1980er Jahre als schick galt, sich programmatisch ins Privatleben zurückzuziehen, folgten wir der Trendforscherin Faith Popcorn und nannten es „Cocooning“, das „Einpuppen“ in den eigenen vier Wänden, im „Cosy Home“ oder sonst wo, wo Alleinsein nicht unter Beobachtung stand. Nun aber haben wir uns an der geforderten Vermeidung von Übertragungswegen fürs Coronavirus abgearbeitet. Nicht wenige empfinden die Folgen der Distanz als Einsamkeit, manche greifen zu Drogen. Und das aller auch weiterhin bestehender Kommunikationswege zum Trotz: Wir durften uns sehen und treffen, aber uns nicht zu nahekommen, körperlich.

      Physische Distanz zu halten, muss nicht das Gefühl von Einsamkeit bewirken: Wir durften uns trotz Corona freundlich zuwinken, Nettigkeiten zurufen, telefonieren mit und ohne Bildübertragung. Per Skype und FaceTime haben wir Geselligkeit simuliert. Nicht zu vergessen SMS, MMS und WhatsApp und dergleichen digitale Depeschen. Auch Postkarten und Briefe gibt es immer noch im – analogen – Angebot. Gleichwohl fiel manchem von uns die Decke auf den Kopf.

      Böse ging auch: Wem danach war, der konnte freilich auch zu Pandemiezeiten von Angesicht zu Angesicht seinem auf Distanz verharrenden Gegenüber gestenreich drohen, Verbalinjurien ausstoßen und die erwähnten Kommunikationswege ausführlich und gut durchdacht für unfreundliche Inhalte benutzen. Auch auf diese Weise können wir Vereinsamung verhindern, kommt nur nicht so sympathisch. Die Proteste ab Mai 2020 haben es gezeigt.

      Wir hatten tatsächlich keine Kontaktsperren, so lange wir nicht erkennbar verseucht und nicht ernsthaft erkrankt waren – wir sollten nur mit Kontaktbeschränkungen leben. Wer von uns also schon immer hinter der Wohnungstür wartete, bis das Treppenhaus frei wurde – nur um einen Small Talk mit dem Mitbewohner aus der 3. Etage zu vermeiden –, der hatte dank Corona eine feine Ausrede. Aber abends um 7 wurde von den Balkonen herab gemeinsam applaudiert und musiziert.

      

      Hygiene: Wir waschen die Hände für unsere Unschuld

      An die Gesichtsmasken haben wir uns mehrheitlich gewöhnt, und wir haben zunehmend automatisch aufs Anfassen und Händeschütteln verzichtet. Wir sind den Trotteln, die uns in der dahin dümpelnden Einkaufsmeile anfangs unbekümmert zwischen die Füße zu laufen drohten, großzügig und weiträumig ausgewichen. Wir husteten und niesten in die Ellenbeuge, anstatt in anderer Menschen Gesicht. Wir bevorzugten Einmaltaschentücher und vermieden jede Nähe – nur nicht zu den Nächsten. Das sind diejenigen, die im gleichen Hausstand mit uns leben und die nächsten gewesen wären, die erkrankten, wenn wir uns das Virus, umgangssprachlich „den Virus, weil der Virus“, eingefangen hätten. Vielen von uns wird dabei erst einmal klar geworden sein, wer wirklich zum eigenen Hausstand gehört und wer nicht.

      Und nun? Welche Verhaltensweisen wir aus der Pandemieepoche hinaus in die Zukunft mitnehmen, das wird sich zeigen. Etwas mehr Abstand aus Anstand wäre uns auf Dauer zu wünschen, physisch und psychisch. Sollte in den nächsten Monaten und Jahren ein Plus an Distanz, Diskretion, Contenance, Höflichkeit und guten Umgangsformen beim menschlichen Miteinander heranwachsen, wäre das im Schatten von Corona ein Lichtblick.

      Hygiene wird unser neues Alltagsthema: Wir werden uns beim Gähnen mehr denn je eine Hand vor den offenen Mund halten – oder besser doch die eigene Ellenbeuge? Mehrfaches Händewaschen von morgens bis abends wird zum guten Stil gehören. Nicht etwa, weil dies aus optischen Gründen nötig wäre, sondern weil wir den unsichtbaren Feinden, den Viren, keine neue Chance geben wollen. Händewaschen als Nächstenliebe.

      Um diese Krise endgültig zu meistern, muss ein Kulturwandel her. Unsere Hygienebemühungen „für andere“ müssen zum Standard werden, wir werden generell mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Auch keimfernhaltende Masken bieten keinen hundertprozentigen Schutz.

      Wenn viele von uns sich nach der Pandemie die Mühe machen, mit den gewonnenen Einsichten anderen ein höfliches, anständiges, freundliches Vorbild zu sein, gibt es die Chance für alle, besser zu leben. Wenn wir einmal nicht mehr mit Meterabständen vor Ladentüren Schlange stehen müssen, dann drängeln und schubsen wir vielleicht auch künftig nicht mehr im öffentlichen Raum herum, drängen uns nicht vor. Die Menschenwürde ist unantastbar, verhalten wir uns also bitte menschenwürdig.

      Wir verlangsamen insgesamt unser Leben, nehmen uns aus der Hektik heraus, werden genügsam in neuer Gelassenheit. Genießen wir also nach dem Abflauen der durch die Pandemie herausgeforderten Einschränkungen die neue Freiheit mit Bedacht. Lieber in stiller Freude als im besoffenen Überschwang. Wenn das die „neue Normalität“ ist, dann ist das eine gute „Normalität“.

      

      Die neue Höflichkeit: Habe die Ehre!

      Dazu gehört, unsere digitalen Vernetzungen auf das Unabdingbare zu kappen und zu verknappen. Nirgendwo sind wir inzwischen abgelenkter und gestörter

Скачать книгу