Das Erbe des Bierzauberers. Günther Thömmes

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Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes

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Ich weiß immer noch nicht, ob er Euch damit seine Geringschätzung zeigen oder Maximilian Ehre erweisen wollte.« Er kratzte sich am Kopf.

      »Nun, in dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten.«

      Der Kaiser wechselte das Thema: »Was ist denn diese Maria von Burgund für ein Weib?«

      Von Meldegg war wie immer bestens informiert.

      »18 Jahre alt, sein einziges Kind. Lebte die ersten Jahre in ziemlicher Abgeschiedenheit auf der Festung Le Quesnoy. Nach der Trennung von den Eltern wurde das Kind in Gent am Hof des Grafen von Flandern erzogen. Sie wurde in allen für ihren Stand wichtigen Wissensgebieten unterrichtet und gilt allgemein als klug.«

      »Auf ihre Rolle als mögliche Herrscherin wurde sie allerdings nicht vorbereitet«, warf Friedrich ein. »Soweit ich weiß, hofft Karl immer noch auf einen Sohn.«

      »Das habe ich auch gehört«, lachte von Meldegg.

      »Ach ja, da wäre noch etwas«, fuhr er fort. »Sie soll wunderschön sein!«

      »Na, das wird meinen Sohn freuen, sollten wir zu einer Einigung kommen.«

      Friedrich erklärte die Besprechung für beendet.

      Von Meldegg verspürte ein trockenes Ziehen in der Kehle und machte sich auf in die Stadt.

      Georg

      Der Herbst des Jahres 1475 hatte in Straßburg früh begonnen und somit die Brausaison ebenso. Georg hatte von Daniel den Auftrag bekommen, eine neue Rezeptur auszuprobieren, die Daniel euphorisch ›Trippel‹ nannte.

      »Mehr Malz allgemein, mehr geröstetes Malz, mehr Hopfen, da sollte ein wunderbares Bier herauskommen. Vorne süß, hinten bitter, in der Mitte voller Geist.«

      Georg fragte nach, warum Daniel nur Hopfen nähme, er hatte mittlerweile in den paar Jahren bei Daniel auch über andere Rezepturen reden hören.

      Daniel tat das nur kurz und schnell ab.

      »Lass die anderen mit Fichten- und Tannensprossen würzen, der Hopfen ist das Beste, was die Natur uns bietet.«

      Er schob noch nach:

      »Und mach ja, dass der Trippel schön dunkel wird, am besten kohlrabenschwarz!«

      So mühte sich Georg mit dem Maischescheit und bellte Befehle hinüber zum Feuer, wo sein Nachfolger die Biersteine erhitzte, als ein älterer Mann neben ihm auftauchte, den er noch niemals hier gesehen hatte.

      Von vornehmer Gestalt, gekleidet wie ein Edelmann, wich Georg verschüchtert zur Seite, um ihn vorbeizulassen, wo immer er hinwollte.

      Der Mann machte jedoch keine Anstalten, vorbeizugehen.

      »Was schaffst du da Köstliches?«, fragte er Georg.

      »Ein Bier, Eure Herrschaft!« Georg wusste nicht einmal, wie er den hohen Herrn richtig anreden sollte.

      Dieser lachte. »Ein Bier! Das sehe ich auch. Ich meine, was für ein Bier?«

      Georgs Mut kehrte zurück. Der Herr schien ihm nichts Böses zu wollen.

      »Ein ›Trippel‹, so nennen wir das. Das wird ein neues Bier, und wir hoffen, dass die Leute wie verrückt danach sein werden.«

      »Bist du hier der Brauherr?«

      »Oh, nein. Verzeiht, wenn ich den Eindruck erweckt habe. Ich bin lediglich der Brauerbursche Georg. Der Brauherr ist Daniel Fischer. Er ist im Moment in der Küche und sieht nach den Speisen.«

      »Habe ich diesem Daniel also nicht nur dieses herrliche Bier zu verdanken« – erst jetzt sah Georg, dass der Herr einen Krug in der Hand hielt, aus dem er einen genüsslichen Zug nahm –, »sondern auch dieses köstliche Hasengericht mit Wein, Schweinebauch, Nelken, Pfeffer, Thymian und Pumpernickel?«

      »Ja, Herr, ich braue hier alles nach Daniel Fischers Rezepturen. Er ist der Herr von allem hier. Obwohl …« Er zögerte, ob es einem Fremden gegenüber nicht zu vorlaut klang, »… ich könnte das Bier auch allein machen. Ich bin ja bereits seit vielen Jahren hier und habe viele Rezepturen bereits gebraut. Sagt es aber bitte nicht weiter.«

      Andreas Reichlin von Meldegg lachte leise und hatte in diesem Moment eine Idee.

      »Möchtest du irgendwann einmal ein eigenes Brauhaus führen?«

      »Möchten gerne, aber ich kann nicht lesen und schreiben und bin kein Bürger und nur ein Waisenkind.« Mittlerweile war er sich seiner Defizite bewusst geworden.

      »Das können wir ändern.«

      Der Leibarzt des Kaisers stellte sich neben den Bottich und wartete ab, bis Daniel aus der Küche zurückkehrte.

      Zuerst erschien Sonja, was von Meldegg zu einem anerkennenden Kopfnicken veranlasste.

      Bald darauf kam Daniel, von Meldegg stellte sich vor und erklärte seinen Plan. Die Verhandlung mit Daniel war kurz. Erst schien es, als sollte der alte Jähzorn wieder hochkommen, der in seinen jungen Jahren jeden Streit begleitet hatte.

      Dann sah er die Münzen, die von Meldegg aus dem Beutel kullern ließ, und grinste.

      Georg, bereits wieder bei der Arbeit, sah nur, wie beide einander die Hände schüttelten.

      Er ahnte, dass sich sein Schicksal soeben geändert hatte. Wie, das erklärte Daniel ihm nach getaner Arbeit.

      »Heute ist dein Glückstag, Junge!« Daniel redete gar nicht erst um den heißen Brei herum.

      »Der Herr war Andreas Reichlin von Meldegg, Leibarzt des Kaisers. Des Kaisers! Verstehst du?« Seine Stimme wurde schrill.

      »Und er möchte dich nach Österreich an den Hof des Kaisers mitnehmen. Damit du ein Bier braust, mit dem der Kaiser seinen sauren Wein ersetzen kann.«

      Seine Aufregung war echt.

      »Er fragte erst, ob ich mitgehen wolle. Ich kann aber mein Brauhaus hier nicht aufgeben. Daher habe ich ihm dich versprochen.«

      Georg verstand nicht alles sogleich. Er sollte jetzt verreisen?

      »Der kaiserliche Tross reist noch weiter rheinabwärts. Auf der Rückkehr, in etwa drei bis vier Monaten, wird von Meldegg dich hier abholen und mitnehmen. In der Zwischenzeit soll ich dich noch in alles einweisen, was du vielleicht noch nicht weißt. Und ich soll aufschreiben, was man zum Betrieb eines Brauhauses an Gerätschaften benötigt.«

      Er klopfte Georg auf die Schulter.

      »Junge, Junge, so jung und schon kaiserlicher Brauer! Und lesen und schreiben will er dich auch lehren. Ich sage ja, heute ist dein Glückstag!«

      Georg war nicht sicher, ob er dieser Einschätzung zustimmen sollte.

      Ein wenig Angst hatte er schon.

      Ein paar Monate in Straßburg hatte er ja noch …

      Aufbruch

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