Das Erbe des Bierzauberers. Günther Thömmes
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Читать онлайн книгу Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes страница 17
Die sechs Jahre jedoch, von 1458 bis 1464, in denen er zwei Hauptkunden hatte, noch dazu die beiden wichtigsten Herrscher Europas, waren sehr aufreibend gewesen.
Andauernd auf Reisen, zwischen Rom, Graz und Wiener Neustadt hin- und herpendelnd, auf lange Sicht konnte er keinen zwei Herren dienen. Obwohl er den Tod seines Freundes betrauerte, als Papst Pius II. im August 1464 in Ancona starb, war er auch erleichtert, zumindest was seine Profession betraf. Da im gleichen Monat wie Pius auch der Vierte im Bunde, Nikolaus Cusanus gestorben war, blieb ihm nur noch der verschlossene, wortkarge Kaiser Friedrich zur geselligen Diskussion. Das damit einhergehende, etwas ruhigere Leben hatte ihn mit den körperlichen und geistigen Launen des Kaisers wieder versöhnt.
Friedrich selbst wollte seinen Leibarzt um keinen Preis der Welt missen.
Seit 1438 trug das Haus Habsburg die Kaiserkrone des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Und im Jahre 1474 saß Friedrich III. bereits seit 34 Jahren auf dem Thron, 22 davon als Kaiser. Zum König gewählt in Frankfurt, gekrönt in Aachen, gefolgt vom Triumph der Kaiserkrönung in Rom – er sollte in der 400-jährigen Erfolgsgeschichte der Habsburger der Einzige bleiben, dem diese Ehre zuteil wurde, wanderte der Regent aus der Steiermark seither ruhelos zwischen Graz, Linz und Wiener Neustadt hin und her.
Er gab reichlich Anlass zum Spott. Zuerst hatte der Pöbel darüber gelacht, wie er immer jünger geworden war: Als Herzog von Österreich Friedrich ›der Fünfte‹ wurde er zu König Friedrich ›dem Vierten‹, und als Kaiser nahm er den Namen Friedrich ›der Dritte‹ an.
»Und sollte er noch Papst werden, wird er sich ohne Zweifel Friedrich ›der Zweite‹ nennen!«, war ein beliebter Spott auf den Kaiser.
Auch einige seltsame Angewohnheiten und Widersprüchlichkeiten Friedrichs hatten den Weg auf die Straße des Spotts gefunden. Er war geradezu als geizig verschrien, gleichzeitig aber als süchtig nach Gold, Schmuck und Juwelen und hatte den Ruf, einer der besten Experten der Welt zu sein, um eine gefälschte Preziose zu erkennen, aber nur, um beim Kauf nicht hereingelegt zu werden. Er galt als abergläubisch und fromm zugleich, vernarrt in Horoskope und gleichzeitig als Freund des Humanismus.
Die Wiener hassten ihn, das beruhte auf Gegenseitigkeit. Er zog seine Residenz in Wiener Neustadt allen Wiener Annehmlichkeiten vor.
»Wien ist ein Pestloch und eine Schlangengrube«, behielt er seine Meinung nicht für sich.
Verheiratet gewesen war er mit der 21 Jahre jüngeren Prinzessin Eleonore von Portugal. Von den sechs Kindern, die sie geboren hatte, lebten nur noch zwei: der 16-jährige Maximilian, der später selbst Deutscher Kaiser werden sollte, und Kunigunde, seine zehnjährige Tochter. Friedrich hatte von Beginn seiner Regentschaft an militärische Auseinandersetzungen gescheut und immer den Verhandlungsweg bevorzugt. Dies war ihm häufig als Mühseligkeit ausgelegt worden, und trotz vieler zäh errungener Erfolge hielt sich hartnäckig sein Spottname ›Des Römischen Reiches Erzschlafmütze‹.
Obwohl an diesem Morgen Andreas wieder einmal die kaiserlichen Leiden gelindert hatte, wusste er, dass dies nicht von Dauer sein würde.
Und, in der Tat, die Reue des Kaisers war kurz.
Am nächsten Abend saßen sie bereits wieder an einer so vorzüglichen Tafel, dass beiden das Wasser im Mund zusammenlief.
Angerichtet auf feinster Keramik aus Faenza, die als Neuheit italienischer Herkunft erst vor Kurzem ihren Weg an den kaiserlichen Hof gefunden hatte, standen die Speisen vor ihnen. Zuerst bewunderten sie wieder einmal die Feinheit der Struktur des Tafelgeschirrs.
»Schaut nur, die Farben, die Brillanz ist unübertroffen«, war Friedrich sichtlich stolz auf sein Tafelgeschirr. »Die Art, wie die Italiener auf den gebrannten Ton eine Zinnglasur aufbringen, ist einfach unvergleichlich.«
»Unser Freund Enea Silvio de’ Piccolomini hatte es schon immer verstanden, sich mit guten Leuten bekannt zu machen.« Andreas wusste genau, wem Friedrich dieses Fayence-Geschirr zu verdanken hatte.
»Dieser Luca Della Robbia, der die Erfindung gemacht hat, lebt er noch in Florenz?«
»Ich denke ja.«
»Wir sollten ihn an unseren Hof rufen und die Kunst dieser Keramik-Herstellung hier lehren lassen.«
»Daraus wird nichts werden. Della Robbia ist alt und gebrechlich. Diese Reise würde ihn umbringen. Und außerdem: Die Florentiner überwachen eifersüchtig ihre Waren und möchten nicht, dass irgendjemand sie nachmacht. Zwar gibt es schon Manufakturen auf der Insel Mallorca und anderswo, die ähnliche Keramik herstellen, aber alle sind sehr verschlossen. Das ist allgemein bekannt.«
Der Leibarzt war häufiger im Süden gewesen und wusste um die Praktiken des Handels und der Herstellung von gefragten Produkten.
Nachdem dieses Thema erledigt war, wandten sie sich dem Essen zu.
Andreas Reichlin von Meldegg war im Gegensatz zum nur mäßig gaumengebildeten Kaiser ein Feinschmecker. Auch wenn er seinen Patienten häufig davon abraten musste, er selbst wusste ein gutes Mahl sehr wohl zu schätzen. Und beinahe alles, was Friedrich III. über gutes Essen wusste, hatte dieser von ihm.
Friedrich erinnerte seinen Leibarzt hingegen gerne an die traumatischen Geschehnisse des Habsburger Bruderkriegs von 1462.
»Als mein eigener Bruder mich damals bekriegt und in der Wiener Hofburg eingeschlossen hatte, da war Haferbrei das Beste, was es zu essen gab. Hunde und Katzen haben wir in unserer Not gegessen, sogar die Aasgeier, die eigentlich auf unser Ende warteten, landeten zu ihrer eigenen großen Überraschung in unseren Kochtöpfen.«
Den Gourmet Reichlin von Meldegg schüttelte es bei dem Gedanken daran.
»Damals habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder solch eine entsetzliche Speise zu mir nehmen muss.«
Nun stand vor ihnen eine Kalbsbrust, gefüllt mit in Wein eingeweichtem Weißbrot, Eiern, Butter und Rosinen. Das Fleisch duftete herrlich nach Muskatnuss und Thymian.
Friedrich ließ großzügig den Wein dazu einschenken.
»Unser Koch hat sich wieder einmal selbst übertroffen.«
»Wollen wir ihn nicht enttäuschen!«
Beide ließen sich die Kalbsbrust munden, dennoch konnte sich Andreas Reichlin von Meldegg einen Kommentar nicht verkneifen.
»Wenn Ihr weiter den sauren Wein in Euch hineinstürzt, werdet Ihr nicht mehr lange leben.« Friedrich stutzte, rümpfte seine lange, mächtige Nase und fragte indigniert:
»Was soll ich denn Eurer geschätzten Meinung nach trinken? Vom Wasser allein werde ich krank. Und guten Most gibt es nicht zu jeder Zeit des Jahres.«
Andreas erwiderte:
»Lasst Euch einen guten Brauer an den Hof kommen und trinkt kräftiges, süßes Bier. Das wird Euer Leiden vielleicht mildern, zumindest aber nicht so schädlich sein wie die zwei Liter vom sauren Wein, die Ihr täglich trinkt.«
Friedrich nickte und sagte:
»Dann helft mir aber bei der Suche.«
»Wie wäre es wieder einmal mit einer Kur? Vor zwei Jahren, als der Fürstentag