Das Erbe des Bierzauberers. Günther Thömmes
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Читать онлайн книгу Das Erbe des Bierzauberers - Günther Thömmes страница 16
Bertram nutzte die Gelegenheit, sich noch einmal ausführlich die Vorzüge der Hakenbüchse demonstrieren zu lassen.
»Kann man damit auch jagen?«
»Das Wild ist zu weit weg und wittert uns zu schnell, das dürfte schwierig sein. Die Büchse ist besser zur Verteidigung aus der Nähe geeignet.«
Tage später fand man die beiden Kaufleute im Wald. Bredelin war die Kehle mit einem scharfen Dolch durchschnitten worden, offensichtlich im Schlaf.
Eberwin war nicht mehr wiederzuerkennen. Eine gewaltige Explosion aus nächster Nähe hatte seinen Kopf weggerissen und seinen Oberkörper zerfetzt. Auch ihn hatte der Tod offenbar im Schlaf überrascht.
Geld fand man keines bei ihnen, auch keine Waffe, kein Pulver und keine Munition.
Von Bertram fehlte jede Spur.
Die letzten Menschen, die die beiden lebend gesehen hatten, berichteten von einem jungen Mann in ihrer Begleitung. Einem Mann mit entstelltem Gesicht, genauer gesagt, einer extrem schiefen Nase. Die Beschreibung deckte sich auch mit der, die der Schäfer bei Nattenheim seinem Vogt gegeben und die dieser an den Hof des Trierer Kurfürsten weitergereicht hatte. Auch hier wurde ein Protokoll erstellt und an verschiedene Städte gesandt. Als dieses in Bitburg ankam, erinnerte man sich auch hier an einen Burschen mit schiefer Nase, der im Brauhaus ›Zum lüsternen Eber‹ gesehen worden war.
5 Eine Ganerbengemeinschaft war nach altdeutschem Erbrecht das gemeinsame Familienvermögen, vorwiegend Grundbesitz, über das die Ganerben nur gemeinsam verfügen konnten.
Kaiser Friedrich III.
»Wo ist mein Medikus? Du verfluchter Quacksalber, komm endlich herbei!«
Gequält, aber donnernd hallte der Schrei des Kaisers an diesem Tag des Jahres 1474 durch die Hallen der kaiserlichen Residenz in Wiener Neustadt; das Echo der knallenden Türen, die der Kaiser aus Gewohnheit immer mit aller Kraft auftrat, drang sogar bis in die Frauenkapelle und störte dort die Andacht.
Geduckt, mit fliegenden Gewändern eilte der Medikus in Richtung der kaiserlichen Gemächer, ebenso sprangen und verdrückten sich die Bediensteten verschüchtert in Nischen und Türrahmen, als Friedrich III. mit wehenden rotblonden Haaren, das schmale Gesicht schmerzverzerrt, seinem Leibarzt ein Stück entgegenkam.
Der Kaiser, dem sonst im Allgemeinen eine unerschütterliche Robustheit des Körpers, gepaart mit einer spröden Unempfindlichkeit der Seele, nachgesagt wurde, wirkte an diesem Morgen ungewohnt wehleidig.
»Meine Bauchschmerzen bringen mich noch um! Tut endlich etwas dagegen.«
Andreas Reichlin von Meldegg, der kaiserliche Leibarzt, tastete sorgfältig den Bauch seines Patienten ab und sah hoch an dem schlanken, groß gewachsenen, mit etwa 1,80 Meter fast einen Kopf größeren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Während er in der Magengegend einmal etwas fester drückte, rülpste dieser laut und vernehmlich, dann ließ er wie zur Antwort darauf einen kräftigen Furz fahren.
»Na, Ihr wisst immer wieder, wie Ihr meine Qualen lindern könnt.« Friedrich hörte sich bereits viel versöhnlicher an, obgleich seine gleichgültige Miene das Gegenteil ausdrückte.
»Ich gebe mir Mühe, Euch bestens zu versorgen«, erwiderte der aus Sankt Gallen stammende, ehemalige ›Physicus Iuratus‹ der Stadt Konstanz.
»Hier, schluckt dies. Das wird Euch guttun.«
Er rührte ein Pulver in einen Becher mit verdünntem Wein ein. Friedrich trank und rülpste erneut erleichtert.
Andreas schaute leicht angewidert, als er die Fahne vom Wein, vermischt mit halbverdautem Essen, aus dem Mund des Kaisers roch.
»Warum tue ich mir das immer wieder an? Dieser Teufel Alkohol! Als meine Frau, die gute Eleonora, noch lebte, da hatten wir beide nichts für dieses Zeug übrig. Jetzt ist sie schon seit sieben Jahren tot, und der Wein schmeckt immer noch sauer.«
Friedrich redete sich in Rage.
»Aber jetzt, im Alter, was bleibt mir anderes an Freuden, außer ab und an einmal gut zu essen und zu trinken!«
Er beruhigte sich wieder.
»War das eine Tafel gestern! Ein Bankett wie das der Söhne und Töchter Hiobs! Koteletten und Schulter, Teile vom Lamm, Rinderhaxe, Kalbsgekröse und dazu ein halber Kapaun, wie ich das alles hineinbekommen habe, ist mir ein Rätsel.« Friedrich lachte gequält.
Reichlin von Meldegg war weniger erfreut.
Trotz der schwierigen Zeiten und der politischen Nöte, in denen sich der Kaiser häufig befand, war der Kaiserhof eine Insel der Sorglosigkeit und Völlerei inmitten eines zerrissenen Landes. Die Bevölkerung fiel, was ihre Ernährung anging, von einem Extrem ins andere; ausgelassenen Festen folgten lange und intensive Fastenzeiten, deren Einhaltung streng überwacht wurde.
Am Hof hingegen waren selbst an normalen Tagen alle Portionen üppiger als anderswo, obwohl der Kaiser eigentlich als geizig verrufen war.
Über Mangel an Arbeit durfte sich der kaiserliche Leibarzt also nicht beklagen.
Mit 41 Jahren stand er in der Blüte seiner Jahre, er war einer der am höchsten angesehenen Medizi im ganzen Reich, bis zum Tod von Papst Pius II. im Jahre 1464 sogar päpstlicher und kaiserlicher Leibarzt in Personalunion gewesen.
Pius II., der bürgerlich Enea Silvio de’ Piccolomini geheißen hatte, hatte ihn auch mit dem Kaiser bekannt gemacht. Friedrich hatte Enea damals nicht nur als kaiserlichen Sekretär geschätzt, sondern auch seine lockeren Verse geliebt und ihm den Ehrentitel ›poeta laureatus‹ verliehen. Mit Vorlesungen über die Dichter der Antike an der Universität Wien war er einer der einflussreichsten Denker des Humanismus gewesen, bevor er 1456 zum Kardinal ernannt und zwei Jahre später sogar überraschend zum Papst gewählt worden war.
Enea, Andreas Reichlin von Meldegg, bis zu seinem Tode auch der kaiserliche Kanzler Kaspar Schlick sowie ihr gemeinsamer Freund, der Brixener Bischof Nikolaus Cusanus, hatten nächtelang mit Diskussionen über philosophische und politische Themen verbracht, so mancher Krug Wein war dabei geleert worden. Nachdem sich Friedrich, bis 1452 noch als König Friedrich IV., danach als Kaiser Friedrich III., regelmäßig hinzugesellt hatte, waren die Weinrationen reichlicher – obwohl Friedrich anfangs selten Wein trank –, der Wein aber keineswegs besser geworden.
Enea Piccolomini bemerkte des Öfteren mit spitzer Zunge, dass die Holzkannen, in denen der Wein ausgeschenkt wurde, ruhig öfter als einmal jährlich gereinigt werden könnten.
»Das wäre der Qualität des Weines sicherlich nicht abträglich.«
Saurer Wein aus Holzkannen, der mit Zucker so lange gesüßt wurde, bis er trinkbar war, das konnte auf Dauer auch der robusteste Magen nicht verkraften.
Und da der Kaiser, obwohl ansonsten eher menschenscheu, viele andere Verpflichtungen hatte, bei denen geschlemmt und gezecht wurde, denen seine humanistischen Freunde jedoch entgehen konnten, hatte ihn seit einigen Jahren eine heftige Gastritis fest im Griff.
Regelmäßig schrie der mittlerweile 60-jährige Kaiser nach dem Aufwachen wie ein weidwunder Löwe nach seinem Leibarzt, wie