Tödliche Klamm. Mia C. Brunner

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Tödliche Klamm - Mia C. Brunner

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mochte es gar nicht, wenn man sie ungefragt anpackte, fuhr herum und entriss ihm wütend ihren Arm.

      Der Sanitäter hob entschuldigend beide Hände und zuckte schließlich bedauernd mit den Schultern. »Das Unfallopfer war zweimal für wenige Sekunden ansprechbar, was wirklich schon ein Wunder war«, begann er und zuckte erneut entschuldigend mit den Schultern. »Ich habe ihn gefragt, wie er heißt, doch er hat immer nur gesagt, er hätte Jesus überfahren. ›Der Herrgott möge mir vergeben, ich habe Jesus getötet‹, hat er gestammelt. Merkwürdig, oder?« Er lächelte und hob zum Abschiedsgruß die Hand. »Das Morphin hat wohl recht schnell gewirkt und ihn halluzinieren lassen.«

      Wenig später ließ sich Jessica von einem Beamten der Spurensicherung die Personalien des Unfallopfers geben. Nachdem sie in Ermangelung eines Taschentuchs mit dem linken Jackenärmel ihres Mantels den Schlamm vom Kennzeichen gewischt hatte, tippte sie neben den Personalien auch die Buchstaben und Zahlen des Nummernschilds in das Notizbuch ihres Smartphones.

      »Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, dass der Fahrer absichtlich in das Baugerüst gefahren ist?«, fragte sie schließlich, schob das Telefon zurück in die Innentasche ihres Mantels und schlang die Arme um den Oberkörper, anstatt die Jacke zu schließen. Jetzt, Anfang Februar, war es zwar nicht mehr so frostig wie den ganzen Januar über, und auch der Schnee war bereits seit einer Woche weggetaut, doch es war immer noch empfindlich kalt.

      »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder?«, fragte der junge Beamte ungläubig. »Ist die Kripo etwa hier, weil ein Anschlag vermutet wird?«

      »Ich mache nur meinen Job.« Jessica sah den jungen Mann streng an. »Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen unbekannt eingeleitet aufgrund diverser Kleinststraftaten gegen den Konzern, der sich genau hier ansiedeln will. Ist wohl eine politische Entscheidung, mit der nicht jeder einverstanden ist. Immerhin will die Region die Arbeitsplätze und die Steuereinnahmen. Der gemeine Bürger allerdings will das wohl nicht.«

      »Die ganzen Demos, ja, verstehe.« Der Beamte nickte. Dann wies er mit ausgestrecktem Arm in Richtung Fahrbahn. »Der Wagen ist dort von der Straße abgekommen«, erklärte er. »Meiner Meinung nach würde niemand in diesem Winkel von der Straße fahren, wenn er das Baugerüst rammen wollte. Mal abgesehen von dem schlechten Wetter, dem aufgeweichten Boden und der schlechten Sicht«, jetzt hob er auch den zweiten Arm, hielt den einen parallel zur Straße und den anderen in Richtung des Unfallfahrzeuges, »würde niemand im rechten Winkel von dieser Straße herunterfahren, wenn er größtmöglichen Schaden anrichten wollte. Da würde der ganze Schwung abhandenkommen und der Wagen viel zu schnell an Geschwindigkeit verlieren. Und das Werbeplakat ist ja auch nicht beleuchtet. Man sieht es nachts von der Straße aus gar nicht.« Er schüttelte den Kopf.

      »Die Unfallursache ist also einzig und allein auf die schlechten Wetterbedingungen zurückzuführen«, schloss Jessica und rieb sich mit dem Handrücken ihre eiskalte Nase. Auch ihre inzwischen komplett nassen Füße schmerzten bereits vor Kälte. Sie wollte unbedingt von dieser feuchten Wiese herunter.

      »Der Fahrer hat in jedem Fall das Lenkrad bereits auf der Straße spontan herumgerissen. Ob er während der Fahrt eingeschlafen ist, einen Herzinfarkt hatte oder einem entgegenkommenden Fahrzeug ausgewichen ist …« Er zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Das kann uns wohl nur der Fahrer selbst beantworten.«

      Das leise Brummen des Laptops vor ihr machte sie wahnsinnig.

      Der Bericht zum tragischen Unfall auf der Bundesstraße war schon lange getippt, und doch mochte sie den Fall nicht abschließen, indem sie den kurzen Text abspeicherte, ausdruckte und ihrem Kollegen Kern zur Unterschrift vorlegte.

      Auf der Fahrt zurück zum Präsidium hatte Jessica Hauptkommissar Kern von allen Erkenntnissen berichtet, ihm erzählt, dass sie vorhatte, das Nummernschild und die Personalien noch einmal zu überprüfen und den endgültigen Bericht der Spurensicherung abzuwarten, bevor sie den Fall abschlossen. Doch ihr Vorgesetzter wollte von der ganzen Angelegenheit nichts wissen. Für ihn war die Sache klar. Es war ein dem Unwetter geschuldeter Unfall. Die zuständigen Beamten der Verkehrspolizei würden sich um den Rest kümmern. Damit brauchte sich die Kripo nun wirklich nicht herumschlagen.

      Dieses Büro, das sie sich mit Hauptkommissar Kern teilte, war größer als alle anderen hier im Präsidium und lag im obersten Stockwerk des Gebäudes, mit einer herrlichen Aussicht über die Innenstadt. Auf dieser Etage war es das einzige Arbeitszimmer. Daneben gab es ein Badezimmer und drei Lagerräume, in denen ausgediente Schreibtische, alte Computerbildschirme und allerlei unwichtiger Kram aufbewahrt wurden, der eigentlich längst auf den Müll gehörte. Doch beschweren wollte sich Jessica nicht. Kerns Büro war perfekt gelegen, ruhig und absolut ohne jeden menschlichen Durchgangsverkehr. Hier hatte man wirklich seine Ruhe.

      Leider stand ihr Schreibtisch etwas versteckt in einer Nische direkt neben der Tür. Sie saß mit dem Rücken zum Fenster und starrte stattdessen auf eine hellgrau gestrichene Betonwand. Der Schreibtisch ihres Kollegen Kern allerdings dominierte den ganzen Raum, indem er zentral und leicht schräg mitten im Zimmer stand, nur einen modernen Aktenschrank hinter sich und mit der atemberaubenden Aussicht durch das große Fenster ideal platziert.

      »Kurz und knapp formuliert. Perfekt«, lobte Kern, der urplötzlich hinter ihr stand und ihr über die Schulter sah. »Ausdrucken und rüberbringen.« Er schlich zurück zu seinem Schreibtisch und ließ sich in den neuen Lederstuhl fallen, den er erst gestern geliefert bekommen hatte. Hauptwachtmeister Götze hatte das Teil nach langem Ringen schließlich genehmigt, nachdem Kern ihm wiederholt ein Attest seines Hausarztes vorgelegt hatte, der die Rückenschmerzen des Beamten auch auf die unsachgemäße Haltung beim Sitzen zurückführte und einen orthopädisch unterstützenden Stuhl vorschlug. Jessica vermutete als Ursache für seine schmerzende Wirbelsäule allerdings eher seine gut 20 Kilo Übergewicht und seine Unsportlichkeit. In den dritten Stock kam er nur sehr langsam und schwer nach Atem ringend.

      Kerns alter Stuhl stand jetzt nebenan in einem der Lagerräume. Er seufzte zufrieden und strich fast liebevoll über die weichen Armlehnen, bevor er sich zurücklehnte und selig die Augen schloss.

      Unter ihrem eigenen Schreibtisch strichen ihre nackten Füße vorsichtig über den rauen dunkelgrünen Teppich. Jessica überlegte kurz, ob sie ihre nassen Stiefel wieder anziehen sollte, bevor sie aufstand, entschied sich dann aber dagegen. Ihre Schuhe und Socken waren nach dem morgendlichen Ausflug über die feuchtkalte Wiese so nass, dass sie jetzt unter der Heizung vor dem Fenster standen beziehungsweise über ihr hingen. Der Heizkörper lief zwar auf Hochtouren und es war fast unerträglich warm hier im Büro, doch vermutete Jessica, dass die Stunden bis zum Feierabend nicht ausreichen würden, um die Feuchtigkeit komplett zu trocknen, vom Dreck ganz zu schweigen. Ihre schönen neuen Stiefel waren ruiniert.

      Also lief sie barfuß und mit bis zum Knie hochgekrempelter Hose zum Drucker hinüber, der auf einem kleinen Tischchen in einer Zimmerecke stand, und wartete geduldig, bis der Bericht ratternd und brummend aus dem Gerät glitt. Sie nahm die Zettel, ging zu Kerns Tisch, platzierte die Papiere direkt vor ihrem Kollegen auf der ledernen roten Schreibunterlage und stellte zum wiederholten Male fest, dass sie noch nie so einen aufgeräumten Schreibtisch gesehen hatte. Auch keiner ihrer ehemaligen Hamburger Kollegen war derart ordentlich wie Hauptkommissar Kern. Außer vielleicht Wolfgang, ihr verstorbener Schwager.

      Es klopfte.

      Noch bevor Hauptkommissar Kern die Augen geöffnet hatte, schwang die Tür auf und Hauptkommissar Forster stürzte in den Raum, blieb abrupt stehen, als er Jessica erblickte, und hielt erschrocken die Luft an.

      Er räusperte sich und hob etwas unbeholfen die rechte Hand, doch Jessica konnte nicht deuten, ob er grüßen oder sich die Augen reiben wollte, denn jetzt hatte er ihre nackten Füße entdeckt und starrte sie ungeniert an.

      »Grüß Gott,

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